Название | 5447 Tage Im Schatten vom Paradies |
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Автор произведения | Patrick Naumann |
Жанр | Биографии и Мемуары |
Серия | |
Издательство | Биографии и Мемуары |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783347078789 |
Patrick Naumann
5447 Tage ImSchatten vomParadies
Ein nicht ganz moralischesLeben
© 2020 Patrick Naumann, Sebastian Rein
Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44,
22359 Hamburg
ISBN
Paperback: | 978-3-347-07876-5 |
Hardcover: | 978-3-347-07877-2 |
e-Book: | 978-3-347-07878-9 |
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Erste Grenzerfahrungen
Plötzlicher Kindstod im Westen, Eierlikör im Osten
Meine Mutter kam aus der ehemaligen DDR. Dennoch kündigte ich, unter dem Einsetzen der Wehen, am 5. September 1966, in dem schönen Ludwigsburg nahe Stuttgart, mein Kommen an. Ich verließ nun zum ersten Mal meine gewohnte Umgebung und erblickte als uneheliches Kind das grelle Licht der Lampe im Kreißsaal. Für manche ist es das Licht der Welt, aber es ist nur eine Lampe. Diese Einsicht sollte mir auf meinen späteren Mallorca-Auftritten helfen ruhig zu bleiben, als Hunderte Lampen mich anstrahlten und der ein oder andere Schlüpfer auf der Bühne landete. Aber wie schaffte ich als Kind nun damals schon Grenzen zu überwinden?
1960 ging meine Mutter zur Jobsuche in den Westen, genauer gesagt nach Westberlin. Was jedoch keiner ahnen konnte, es sollte für sie kein Zurück mehr geben. Obwohl nach Ulbricht - niemand vorhatte eine Mauer zu errichten -, war sie im August 1961 hoch und lang genug, um ein 72- Millionen-Volk zu trennen. Der Eiserne Vorhang war nun zu und meine Mutter hinterließ zwei Kinder mit all ihren Verwanden in der Obhut des Sozialismus. Ein neues Leben im reichen Kapitalismus, in dem das Wirtschaftswunder schon tobte, sollte entstehen. Und so erblickte ich fünf Jahre später, als Westdeutscher das Leben. Zufall oder nicht, mein Leben sollte später häufiger, Grenzerfahrungen machen. Nur hatte ich nicht immer das Glück auf der richtigen Seite einer »Mauer« zu stehen.
In jungen Jahren hingegen, war es für mich immer ein Abenteuer meine ostdeutschen Verwandten zu besuchen. Als ich zwischen vier bis sechs Jahre alt war, war ich mindestens zweimal im Jahr in der Ostzone, so nannte man früher die DDR auch. Das war immer sehr aufregend für mich. So wie ich es mit Kinderaugen sah, war es gut, dass ich im Westen aufwachsen durfte. Es war alles so schmutzig und es gab nicht viel. Es war überhaupt alles anders bei meinen Verwandten, meinen Geschwistern, Tanten und Onkels, aber alle waren immer super freundlich zu mir.
Ich war etwas Besonderes in ihren Augen, da ich aus dem Westen kam. Und so stand ich damals schon im Rampenlicht, genoss die Party zu Vita oder Stern Cola und ab und zu durfte ich auch mal am Rotkäppchen-Sekt oder ihrem selbstgemachten Eierlikör nippen, den sich die Erwachsenen teilten. Ich hatte ja in dem Alter noch keine Ahnung was DDR und BRD bedeutete. Nur dass die Fahrt lange dauern würde, man eine Grenze überqueren musste mit düsteren Volkspolizisten und meine Mutter mir immer einbläute nicht zu lachen, obgleich die Grenzpolizei ein Lächeln bitter nötig gehabt hätten. In späteren Jahren schenkte ich Ihnen ein Lächeln, zum einen um meine Schmuggelabsichten zu kaschieren und zum anderen aus Erleichterung, wenn alles danach gut ging und ich wieder gen Westen fahren durfte.
Damals war ich aber noch ein ruhiges Kind. Zumindest die ersten neun Monate. Was mich fast mein Leben gekostet hätte. Meine Mutter erzählte mir, sie musste immer erraten wann ich Hunger gehabt hätte, da ich so gut wie nie geschrien habe. So auch an diesen Tag, an dem ich als neun Monate alter Säugling quasi gestorben bin.
Nach Erzählungen meiner Mutter, war ich mal wieder überfällig mit Schreien und sie sah nach mir. Als sie mich in meinem Bettchen sah, erstarrte sie! Ich hatte schon ein blaues Gesicht und bewegte mich nicht. Sie riss mich aus dem Bett schüttelte und rüttelte mich. Sie schrie und rannte mit mir auf dem Arm aus der Wohnung. Wir wohnten im fünften Stock. Stufe für Stufe, Etage für Etage, rannte sie im engen Treppenhaus und schaute in mein totes Gesicht. Alles schoss ihr durch den Kopf, wie sie mir erzählte, bis sie auf einmal stehenblieb. Mein Gesicht bewegte sich wieder, sie bekam große Augen und ich fing zu husten, zu weinen und zu schreien an. Im Krankenhaus teilte man ihr mit, dass ich erstickt war und man einen Herzstillstand im Nachhinein festgestellt hatte. Den Treppen sei Dank, dass mein kleines Herz wohl wieder zu schlagen anfing. Ruhig war ich danach nicht mehr. Eher noch lauter. Vielleicht auch so ein Grund, warum ich später mein Glück als Schlagersänger versuchte - Fahrstuhl fahre ich bis heute nicht, wenn dann maximal metaphorisch, also mein Leben hindurch: auf und ab!
Rübezahl und Himbeereis
Meine Mutter lebte zu diesem Zeitpunkt mit einem Mann zusammen, mit dem sie drei Jahre vor meiner Geburt einer Tochter bekommen hatte, meine Stiefschwester.
Dieser Mann war also nicht mein Vater, jedoch ließ man mich in dem Glauben und es gab auch keinen Grund das Gegenteil zu denken. Er nahm mich in den Arm, hatte mich lieb und ich hatte ihn lieb. Er verhielt sich so wie ein Vater sich seinem Sohn gegenüber verhält. Wir unternahmen viel. In Ludwigsburg gibt es das berühmte »Blühende Barock«, ein wunderschönes Schloss mit einem Märchengarten. Für mich war es ein ganz besonderer Ort. Alle Märchen waren dort dargestellt, von Hänsel bis Gretel im Knusperhäuschen bis hin zu Rapunzel. Dort stand ein Turm und man konnte von unten den bekannten Spruch rufen - und sagenhaft: Rapunzel lies wirklich ihr Haar herunter! Am meisten beeindruckte mich aber Rübezahl. Für meine Kinderaugen war es eine riesige dunkele Höhle, schier eine eigene Welt, in der ich mich festhaltend an der Wand vortastete. Man hörte klirrende, tropfende Geräusche, bis auf einmal eine tiefe Stimme aus der Dunkelheit herausschallte: »Hoho, ich bin Rübezahl, der Berggeist!«
Mit großen Augen erschrak ich, hatte aber keine Angst vor ihm. Im Gegenteil, ich freute mich, dass ich in der gleichen Stadt wie Rübezahl wohnte, obgleich ich in der Höhle mit ihm nicht hausen wollte.
Die letzten Erinnerungen an meinen Papa zu dieser Zeit hatte ich an Weihnachten. Er schenkte mir eine Carrera-Autobahn. Wenn er von der Arbeit kam, spielten wir mit dieser und am Wochenende gingen wir mit der gesamten Familie einkaufen. Aus dieser Zeit habe ich gute Erinnerungen, aber leider trennte meine Mutter sich von ihm als ich drei Jahre alt war. Ich musste meinen Vater, Schwester und Rübezahl verlassen und zog mit meiner Mutter nach Stuttgart. Sie bekam in Stuttgart-Möhringen einen Job in einer Gaststätte, samt Unterkunft.
Es war ein kleines Zimmer unter dem Dach des Hauses. Spärlich eingerichtet. Zwei Betten an der Wand, ein Waschbecken und ein Holzschrank. Die typische Tapete aus den 60ern durfte nicht fehlen. Beige Hintergrund auf dem tausende gelbe Blumenmotive rankten, die beim längeren ansehen in sich verschwommen und schwindelig machten. Von dem Dachfenster aus konnte man die anderen Dachfenster sehen.
Für mich war es aber ein unheimlicher Ort. Man musste oft leise sein, aber die Dielen knarrten immer, selbst wenn man sich nicht zu bewegen schien. Generell hörte man immer irgendwelche Geräusche. Ich dachte immer an Gespenster. Selbst heute, nach 40 Jahren, kann ich mich an die intensive Angst von damals noch gut erinnern. Aber vielleicht lag es auch an der Tapete.
Meine Mama arbeitete tagsüber in der Küche. Kindergärten waren zu der damaligen Zeit noch nicht so weit verbreitet, sodass ich mich meist selbst beschäftigte.
Von der Gaststätte nicht weit weg gab es eine kleine Schmiede. Der Chef, ein älterer Mann, freute sich immer, wenn ich ihn besuchen kam und so war ich fast täglich dort. Es standen viele Eisenmaschinen herum, es war heiß und roch verbrannt. Regale mit einem Haufen interessanter Dinge, an die ich aber nicht ran durfte, machten den Platz noch kleiner als er vermutlich war. Ich saß auf einen Hocker und schaute mit großen Augen dem Meister bei der Arbeit zu. Zum Schluss durfte ich immer die Schrauben und Muttern sortieren. Die waren