Omnipotens. Thorsten Klein

Читать онлайн.
Название Omnipotens
Автор произведения Thorsten Klein
Жанр Контркультура
Серия PSYCHE
Издательство Контркультура
Год выпуска 0
isbn 9783347093713



Скачать книгу

war es ungewohnt, auch Frauen im deutschen Parlament zu sehen. Als Gäste jederzeit. Aber als Abgeordnete? Nicht nur, dass Frauen in dieser deutschen Republik wählen durften, sie wählten auch noch Frauen in ihr Parlament. So schwer hatte sich Herr Brandenburger die Politik in einer Demokratie nicht vorgestellt.

      Was er nicht wusste, der General von Ehrlichthausen hatte vor, es ihm noch schwerer zu machen.

      Ort: Psyche, Moskau, Hotel Sagowor

      „Der Genosse Bolschoi macht es mir schwerer, als es ohnehin schon ist“, maulte Wissarew.

      „Er hat halt Bedenken, die Revolution könne untergehen, wenn er nicht mehr ist“, wagte der Tscheka-Vorsitzende Tscherkassow einzuwenden.

      „Deshalb muss man doch nicht gleich die Wahl eines neuen Generalsekretärs der Partei vorschlagen und einen so bösen Brief an die Genossen schreiben. Weil ich angeblich zu grob und zu unhöflich bin, bin ich für diesen Posten ungeeignet? Was für ein Schwachsinn“, beschwerte sich Wissarew.

      Tscherkassow gratulierte sich dazu, eine hervorragende Selbstbeherrschung zu besitzen. Irgendwas in ihm wolle laut loslachen. Aber er ließ es nicht heraus.

      Der Genosse Wissarew hingegen lief wütend im Hotelzimmer herum und hatte deshalb keine Zeit, darauf zu achten, wie sich Tscherkassow bemühte, seine Miene unter Kontrolle zu halten.

      „Die Partei besteht aus so vielen unterschiedlichen Gruppierungen, dass sie ständig auseinanderzufallen droht. Eine harte Hand ist für den Zusammenhalt der Partei deswegen hilfreich und vor allem notwendig“, stimmte Tscherkassow stattdessen Wissarews Grobheiten zu.

      „Richtig, aber dieser an sein Krankenbett gefesselte Greis ist kaum in der Lage, so etwas richtig einzuschätzen oder zu würdigen. Die Revolution hat ihn verbraucht. Er hatte seine Erfolge. Es ist an der Zeit, die auch anderen zu gönnen.“

      „Aber er gönnt doch dem Genossen Arx seine militärischen Erfolge von ganzem Herzen“, stichelte Tscherkassow.

      Die Provokation hatte Erfolg. Wissarew hörte auf, im Raum herumzulaufen, schnappte sich stattdessen das Anzugrevers des Genossen Tscherkassow, um diesen an sich heranzuziehen. „In meinem Beisein vom Genossen Arx zu sprechen, ist sehr ungesund. Verstanden?“, knurrte er.

      „Und wenn ich eine Idee habe?“, fragte Tscherkassow.

      Wissarew ließ ihn los. „Was für eine Idee?“

      „Michael Arx hasst alle Kapitalisten. Das heißt, er verabscheut die Armeen der anderen Länder. Darum bekämpft er sie ja auch so erfolgreich. Aber es gibt eine Gruppe von Verbündeten, die sogar für Kommunisten wichtig ist: Die Feinde unserer Feinde. Besonders, wenn die schwach sind und unsere Hilfe erbetteln.“

      „Wer erbettelt unsere Hilfe?“

      „Die Deutschen. Sie dürfen in ihrem Land nur noch hunderttausend Soldaten unter Waffen halten. Im Ausland kann sie keiner kontrollieren. Der Oberst Boschestwo-Woyn hat deshalb vorgeschlagen, zukünftige deutsche Soldaten in Russland auszubilden. Dafür bietet er uns an, vom deutschen Wissen über neue Waffen und neue Kampftaktiken zu profitieren. Bei Michael Arx, den er als zuständigen Volkskommissar zuerst fragte, biss er damit auf Granit. Verständlich, der hat schon eine Armee, was will er also mit einer weiteren?“

      „Während wir keine Armee haben und die Soldaten deshalb gut gebrauchen könnten. Wenn Bolschoi stirbt, bekommt der die Nachfolge, der die größte Macht hinter sich hat. Ich will diese Macht nicht an einen Cromwell und seine Ironsides abtreten müssen. - Kann ich mit diesem Oberst Boschestwo-Woyn sprechen?“

      „Ich rufe ihn an. Er wartet draußen in der Lobby, in Begleitung eines Bodyguards und zweier wunderschöner Frauen.“

      Wissarew nickte. Er musterte den Oberst interessiert, als der dann das Hotelzimmer betrat.

      Ort: Psyche, Berlin, Reichstag, Plenarsaal, Untersuchungsausschuss Krieg der Kaiser

      Dietrichstein musterte Peta interessiert, als der den Plenarsaal betrat. Welches Spiel wollte Peta spielen? Als General hatte er ausgedient. Auch wenn er den einzigen deutschen Erfolg im Krieg der Kaiser vorweisen konnte.

      Peta wollte auch abtreten. Soviel hatte er seinem Freund Dietrichstein schon verraten. Er wollte mit einem Knaller abtreten und davor fürchtete sich Dietrichstein. Petas Knaller waren genau so beeindruckend, wie dessen Erscheinung.

      Auch Herr Brandenburger war beeindruckt, auf welche Art der General den Plenarsaal einnahm. Es schien nur noch ihn zu geben. Alle anderen waren unwichtig. Nun war er froh, nicht mehr den Vorsitz über die Befragung führen zu müssen.

      Der Abgeordnete Schöneberger musste. Zuerst gab es die üblichen Fragen zur Person, damit man sich sicher sei, auch den richtigen General zu befragen. Als ob jemand in der Lage wäre, General von Ehrlichthausen zu imitieren.

      Dann gab es die Fragen zum Kriegsverlauf. Hier stimmte Ehrlichthausen seinem ehemaligen Stabschef zu, der Waffenstillstand sei willkommen gewesen.

      „Sie wollten die Truppen neu ordnen, um dem Feind weiterhin erfolgreich Widerstand leisten zu können?“, fragte Schöneberger, um die Aussage Dietrichsteins zu verifizieren.

      „Nein, das war nicht meine Absicht“, widersprach Peta.

      „Also war der Waffenstillstand nötig, weil wir den Krieg nicht mehr gewinnen konnten?“ Brandenburger hatte das hineingerufen, noch bevor jemand anderes etwas sagen konnte.

      Herr Schöneberger war wütend über die Unterbrechung, während Peta lächelte. „Sie haben vollkommen recht, Herr Reichskanzler. Und ich verneige mich vor Ihrem militärischen Genie.“ Peta verneigte sich tatsächlich. Aber mit solch spöttischer Miene, dass jedem klar war, was er vom militärischen Genie des Reichskanzlers hielt.

      Der hielt sehr viel davon und ging in die Falle. „Das Südreich hatte sich ergeben. In Russland war Revolution und Bolschoi bat uns um den Frieden, den er nötig hatte, um sich an der Macht zu halten. Die Franken und Britannier aber hatten alle Truppen frei, die sie gegen das Südreich eingesetzt hatten. Sie waren uns mehr als doppelt überlegen. Eine Kapitulation war also unvermeidlich. Habe ich die Lage soweit richtig beurteilt, Herr General?“

      „Wie ich bereits sagte, Herr Reichskanzler, ich verneige mich vor Ihrem militärischen Genie.“

      Der Reichskanzler lächelte triumphierend.

      Peta auch. Allerdings so, dass es keiner sehen konnte.

      „Sie haben da nur ein paar Kleinigkeiten übersehen, Herr Reichskanzler“, fuhr er fort und ergänzte: „Allerdings ein paar gravierende Kleinigkeiten. Nicht nur in Russland war Revolution. Dieses Virus ist sehr ansteckend und wenn es einmal ausgebrochen ist, führt es meist zu einer weltweiten politischen Pandemie.“

      „Sie meinen die Revolution in Deutschland? Wollen Sie etwa auch diese blöde Legende anführen, die deutschen Revolutionäre wären ihrer eigenen Armee in den Rücken gefallen?“

      „Nein, ich meine die Aufstände im Britannischen Imperium. Die Hinterindischen Inseln sagten sich von ihrem Mutterland los. Aber auch direkt vor der Londoner Haustür gab es Aufstände. Nämlich die auf den Inseln Cymru und Eire. Die bekamen die Britannier in den Griff. Aber die in Hinterindien nicht. Dort wurden die Vereinigten Staaten von Amerika gegründet. Ein wichtiger außenpolitischer Fakt. Aber Außenpolitik mag vielleicht nicht Ihre Stärke sein, Herr Reichskanzler? Dann fragen Sie Ihren Außenminister, Herrn General von Sälzer. Er war damals Botschafter in Washington. Er war dabei, als das alles geschah.“

      „Mir sind die damaligen Ereignisse durchaus vertraut.“

      „Dann ist Ihnen sicher bekannt, dass die besten Truppen der britannischen Landarmee aus Hinterindien stammten, Herr Reichskanzler? Das freut mich. Diese Soldaten hatten keine Lust mehr, für einen König zu kämpfen, der Krieg gegen ihr eigenes Land führen wollte und nicht mehr ihr König war. Sie erklärten ihre Neutralität und stiegen aus dem Krieg aus. Dadurch schrumpfte das britannische Heer auf knapp vierzig Prozent seiner eigentlichen Sollstärke.“

      „Aber