Название | Italienischer Traum am Gardasee |
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Автор произведения | Gabriele Raspel |
Жанр | Языкознание |
Серия | Moderne Heimatromane |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783475548727 |
»Danke«, sagte die Frau.
Die Piepsstimme, die er bei ihrer Magerkeit befürchtet hatte, fehlte zum Glück. Pluspunkt! »Setzen Sie sich!«
Die Frau gehorchte. Er ging nach nebenan, füllte Wasser in den elektrischen Kocher und stellte ihn an. Dann löffelte er Kaffee in den Filter und trug zwei Kaffeetassen in sein Büro. Zucker stand wie üblich bereits auf seinem Schreibtisch. »Mit Milch oder ohne?«
»Kaffee oder Tee?«, stellte sie die Gegenfrage.
»Kaffee. Tee ist, scheint’s, ausgegangen.«
»Schwarz bitte.«
Er ging erneut hinaus. Das Wasser kochte bereits, und er goss es in den Filter. Dann gab er Leitungswasser in zwei Gläser und trug sie in sein Büro.
Die Frau hatte sehr schöne Beine. Ihre Füße jedoch waren zierlich wie der Elefantenfuß hier in seinem Büro, den er hegte und pflegte wie die Mutter ihr Neugeborenes, was diese robuste Pflanze allerdings nicht nötig hatte, denn sie war anspruchslos.
Das geschah alles, ohne dass er ein Gespräch in Gang setzte. Smalltalk am frühen Morgen war ihm ein Gräuel. Immer noch schweigsam, goss er die beiden Tassen voll.
»Was führt Sie zu so früher Stunde zu mir?«
»Ich komme wegen Ihrer Stellenanzeige.«
Er hob die Brauen. »Wieso, wenn ich fragen darf, erscheinen Sie dann unangemeldet? Ich hätte doch außer Haus sein können und dann wären Sie umsonst gekommen.«
»Ich las, dass Sie sofort jemanden benötigen. Sofort bedeutet bei mir sofort, und da bin ich«, erklärte sie mit sachlicher Stimme.
»Aber sofort bedeutet nicht zu nachtschlafender Zeit vor neun Uhr.«
»Der frühe Wurm fängt den Vogel.«
»Umgekehrt.«
»Pardon?«
»Der frühe Vogel fängt den Wurm. Ein blöder Spruch.«
»Natürlich.« Sie nippte am Kaffee.
Er schien ihr zu bitter, vermutete er, als sie einen Schluck Wasser hinzugab. Minuspunkt.
Ihre Hände waren im Gegensatz zu denen seiner früheren Sekretärin kräftig, dagegen gab es nichts zu sagen. Die Nägel waren kurz geschnitten und unlackiert, wie er es bevorzugte. Sie war mithin trotz ihrer Magerkeit nicht so ein ätherisches Geschöpf wie die Heulsuse. Von Neurotikerinnen hatte er wahrlich die Nase voll.
Wortlos maßen sich ihre Blicke. Sie blinzelte nicht, sie wich ihm nicht aus – Pluspunkt. »Was also wären Ihre Vorzüge?«
»Ich bin gut, um nicht zu sagen perfekt«, entgegnete sie, »ich meine als Ihre Sekretärin.«
Ihre Antwort kam wie aus der Pistole geschossen, war präzise und klar. Ein weiterer Pluspunkt! Aber sie war ein bisschen zu arrogant und ein bisschen zu sehr von sich eingenommen. Minuspunkt!
»Worin sind Sie perfekt – ich meine einmal davon abgesehen, dass Sie nicht wissen können, was ich von einer perfekten Sekretärin erwarte.«
»Ich meine damit, ich bin perfekt in allem.«
Er hob ironisch die Brauen. Als er sah, wie sie errötete, zum ersten Mal an diesem frühen Vormittag, verbuchte er das als Plus für sie.
»Ich meine in allen Büroarbeiten und natürlich in sämtlichen gängigen Computerprogrammen«, setzte sie hinzu.
»Menschlich gesehen also sind Sie unperfekt?«
Sie hüstelte verlegen, wobei der Kaffee in ihrer Hand leicht über den Tassenrand auf den Unterteller schwappte. Pluspunkt.
Sie stellte die Tasse zurück auf den Tisch. »Menschlich – nun ja … Das … das habe ich so nicht gemeint.«
»Was haben Sie gemeint? Genauer bitte.« Mit Vergnügen bemerkte er, wie sie unmerklich ihre vollen, schönen Lippen aufeinanderpresste. Also war sie doch keine Eisprinzessin, wie sie den Anschein gab. Gut so. Ein Pluspunkt für ihn.
Sie nahm ihre Mappe, öffnete sie und legte einen Stapel Papiere auf den Tisch. »Ich bin gewieft in allen Arbeiten, die in einem Sekretariat anfallen. Wenn Sie bitte schauen wollen. Ich habe alles beigefügt. Sämtliche Zeugnisse von der Schule bis zu meinem letzten Arbeitgeber und den Extrakursen, die ich in Deutschland und England besuchte.«
»Nichts als Schall und Rauch.«
»Pardon?«
Noch einmal das affige Pardon und sie war aus der Tür, ehe sie Au revoir hervorgebracht hatte! »Zeugnisse kann man fälschen. Ich verlasse mich nur auf meine Augen und Ohren. Und meinen Verstand«, fügte er zufrieden hinzu. »Auf den zumindest kann ich mich verlassen.«
Sie zuckte mit keiner Braue, kein Muskel in ihrem Gesicht bewegte sich. Alles an ihr war glatt wie Carrara-Marmor, mit Ausnahme der Sommersprossen auf ihrem Zinken und der sprühenden Schlitze, bei denen es einen wunderte, dass sie mit ihnen überhaupt etwas sehen konnte. Ihre Beherrschung konnte er nur bewundern. Pluspunkt!
Er nahm seinen Stift und einen Block. »Also noch mal von vorne: Wie heißen Sie?«
»Ich bin Isabella de Saint-Martin.«
Ihre Stimme klang derart nasal, dass er sich zurückhalten musste, um nicht aufzuspringen und ihr die Tür zu weisen, damit sie verschwand. Er warf den Stift von sich. »De Saint-Martin? Sie wollen mir damit nicht sagen, dass Sie eine Adelige sind.«
Sie hüstelte erneut, und er unterdrückte nur mühsam einen unflätigen Ausruf.
»Äh … warum fragen Sie?«, brachte sie, anscheinend endlich aus dem Konzept gebracht, heraus.
»Ich kann Adelige nicht leiden, diese affigen, reichen Snobs, die sich alle für was Besseres halten.«
»Pardon, nein, ich … Der Name de Saint-Martin ist der Name meines geschiedenen Mannes … äh … Ich werde natürlich meinen wieder ändern lassen.«
»Geben Sie mir Ihre Unterlagen.«
Sie ergriff hastig die Papiere, nahm rasch einige von ihnen aus dem Stapel und hielt sie vor die Brust, als wolle sie sie vor seinem durchdringenden Blick schützen.
Wortlos hielt er ihr die geöffnete Hand hin. »Ich meine alle Unterlagen.«
»Ich dachte, … meine Schulzeugnisse interessierten Sie nicht.«
»Jetzt schon.«
Widerwillig, wie er sehr genau registrierte, legte sie sie vor ihn auf den Tisch. Er nahm sie aus der Plastikmappe und ging sie wahllos durch. Täuschte er sich oder hatte ihre Stimme wirklich gezittert? In seinem langjährigen Geschäftsleben hatte er gelernt, auf solche winzigen Zeichen zu achten. Die Dame, die den Eindruck machte, als hielte sie einer Dampfwalze stand, hatte er tatsächlich mehr verunsichert als vermutet.
Irgendwas stimmte da nicht, aber das würde er schon herausfinden. Er ergriff die Schulzeugnisse, da segelte eines davon auf den Boden.
Sie erhoben sich gleichzeitig, um das Blatt aufzuheben, und stießen mit den Köpfen zusammen. Er nahm den Bogen in die Hand und griff sich mit der anderen an den Kopf.
»Sieger!«, rief er spöttisch aus. »Aber Ihr Schädel ist aus Granit.«
»Dafür kann ich nichts«, erwiderte sie mit heiserer Stimme. Sie hatte den Zusammenprall wenn auch mit hochrotem Kopf so doch ohne den kleinsten Mucks überstanden.
Er setzte sich wieder hin. Auch sein Gegenüber sank auf den Stuhl. Sie strich sich die Haare aus der Stirn, dabei bemerkte er, wie ihre Hände zitterten. Aha, also die Schulzeugnisse waren der Knackpunkt. Er blätterte sie schweigend durch, schaute genauer hin und da erkannte er, welchen Fehler sie begangen hatte.
Er