Mami Bestseller 19 – Familienroman. Gisela Reutling

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Название Mami Bestseller 19 – Familienroman
Автор произведения Gisela Reutling
Жанр Языкознание
Серия Mami Bestseller
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740936587



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Mami Bestseller – 19 –

      Wenn das alles ist – dachte Christiane, während sie in die trüben Fluten des Kanals blickte, die sich träge gegen die Brückenpfeiler schoben – wenn das die Liebe sein soll, die höchste Erfüllung, die zwei Menschen finden können…

      Sie schob die Hände in die Taschen ihres Mantels. Es war kalt an diesem frühen Märzmorgen, über dem Wasser trieben feuchte Nebelstreifen.

      Uwe Hallweg schlief sicher noch fest unter seiner seidenen Steppdecke, in seiner eleganten, mit allem erdenklichem Komfort ausgestatteten Junggesellenwohnung. Er hatte auch geschlafen, als sie sich leise davongeschlichen hatte – nicht etwa, weil sie sich schämte, sondern weil sie einfach nicht wußte, weshalb sie noch länger bei ihm bleiben sollte. Für ihn bedeutete diese Nacht mit einem Mädchen ohnehin nur ein flüchtiges Abenteuer.

      Ein Frachtdampfer näherte sich langsam. Er war voll beladen und zeigte am Bug die Flagge der Niederlande. Neben der Kajüte hingen ein paar Wäschestücke feucht und schwer von der Leine herab. Wie sie wohl lebten, die Leute auf solchen Schiffen, die ihre Lasten so geruhsam über die Flüsse und Kanäle beförderten, fern von der Hast und Betriebsamkeit dieser Zeit?

      Christiane war so in ihre Betrachtungen versunken, daß sie zusammenzuckte, als eine Männerstimme neben ihr sagte: »Was tun Sie denn hier?«

      Langsam wandte sie den Kopf und blickte in das Gesicht eines jungen Mannes. »Geht Sie das etwas an?« fragte sie kühl.

      »Nein, eigentlich nicht.« Der junge Mann lächelte flüchtig. »Ich beobachte Sie nur schon eine ganze Weile. Es ist doch ein bißchen beängstigend, wenn ein Mädchen zu dieser Stunde unbeweglich am Wasser steht.«

      »Ach, Sie dachten, ich wollte mich da hineinstürzen? Ich denke gar nicht daran. – Außerdem bin ich eine zu gute Schwimmerin, als daß ich mich auf solche Weise umbringen könnte«, fügte sie scherzhaft hinzu.

      Der junge Mann blickte sie wieder an. Nein, labil oder zu unüberlegten Handlungen fähig sah das fremde Mädchen gewiß nicht aus. Aber das hatte er von weitem nicht wissen können, da war nur etwas sehr Verlorenes um diese schmale Gestalt gewesen, etwas, das ihn einfach gezwungen hatte, anzuhalten und auszusteigen.

      Schöne dunkle Augen hat sie, mußte er denken – und überhaupt gefiel ihm dieses klare feingeschnittene Gesicht ausnehmend gut, obwohl es jetzt sehr blaß und übermüdet aussah.

      »Wenn Sie wollen, nehme ich Sie ein Stück mit«, sagte er und machte eine Kopfbewegung zu seinem Wagen hin, der auf der anderen Seite der Brücke hielt.

      »Nein, danke, ich gehe lieber zu Fuß«, gab Christiane knapp und bestimmt zurück.

      »Schade.« Der junge Mann, der keinen Mantel trug, zog das Ende seines langen Strickschals fester um den Hals. »Ich hätte mich gern noch mit Ihnen unterhalten.« Er wandte sich halb um, und unwillkürlich drehte auch Christia­ne den Kopf. Jetzt erst sah sie den Lieferwagen, der das Signum und den Namen einer bekannten Zeitschrift trug. »Ja, ich fahre Zeitungen aus für einen Großvertrieb«, fuhr der Fremde erklärend fort. »Von irgend etwas muß der Mensch ja leben, wenn er nicht mit einem goldenen Löffel auf die Welt gekommen ist.« Er lächelte beinahe vergnügt, aber dann lag in seinem Blick doch ein leises Bedauern, als er verabschiedend sagte: »Also, ein schönes Wochenende, und auf Wiedersehen!«

      »Auf Wiedersehen.« Sekundenlang sah sie ihm nach, wie er davonging, langbeinig, schlank, mit blonden Haaren. Er war eigentlich nett, mußte sie denken, aber sie vergaß es gleich wieder. Sie fror jetzt erbärmlich in ihrem dünnen Seidenkleid, das sie unter dem Mantel trug.

      Bis zu dem Haus am Stadtrand, in dem sie eine kleine Wohnung hatte, war es nicht mehr allzu weit. Sie schritt rasch aus und fühlte, wie ihr allmählich wärmer wurde. Sie freute sich darauf, ausschlafen zu können und ein Wochenende vor sich zu haben, an dem sie tun und lassen konnte, was ihr gefiel.

      Uwe Hallweg rief nicht an. Sie hatte es auch kaum anders erwartet, aber sie war trotzdem erleichtert, als auch der Sonntag verging, ohne daß das Telefon klingelte.

      »Hoffentlich begegne ich ihm morgen nicht in der Firma, dachte Christia­ne, während sie ihre Sachen für den nächsten Tag bereitlegte. Aber das Verwaltungsgebäude der Hoch- und Tiefbau-Gesellschaft Hallweg war groß, und außerdem war der Juniorchef nur selten in seinem Büro. Noch hielt sein Vater, Richard Hallweg, die Zügel fest in der Hand.

      Der Sohn führte die Verhandlungen mit den auswärtigen Geschäftspartnern und kümmerte sich um die weitverzweigten Niederlassungen – das war die offizielle Version. Aber man munkelte, daß er vor allem sein Leben genoß, das Leben eines reichen jungen Mannes, der sich nichts zu versagen braucht und überall dort zu finden ist, wo die große Welt sich trifft.

      Am Freitagabend war er völlig überraschend auf dem Betriebsfest der Firma aufgetaucht, zum Entzücken der anwesenden Damen, zur Verärgerung der Herren, die sich von diesem blendend aussehenden Playboy in den Schatten gestellt fühlten.

      Christiane fand es peinlich, wie ihre Kolleginnen ihm schöne Augen machten, und sie sah betont gleichgültig über ihn hinweg. Gewiß, Uwe Hallweg sah sehr gut aus mit seinem dunklen Haar, der gebräunten Haut und den dunklen Augen, aber sein ganzes Auftreten, sein strahlendes Lächeln mit blitzendweißen Zähnen erschien ihr allzu erfolgsgewohnt.

      Sonderbarerweise hatte er sie zuerst zum Tanz aufgefordert. Er tanzte wunderbar, aber sie hatte nur spöttisch gelächelt, als er zu ihr sagte: »Sie sind das schönste Mädchen im ganzen Saal.«

      »Sie werden heute abend sicher noch oft Gelegenheit finden, dieses liebenswürdige Kompliment anzubringen, Herr Hallweg!«

      Zuerst hatte er sie verdutzt angesehen, wahrscheinlich hatte er eine andere Wirkung seiner Worte erwartet, dann lachte er. »Sie irren sich. Ich möchte, daß Sie meine Partnerin sind, nur Sie allein!«

      »Ist das ein Befehl?«

      »O nein. Eine Bitte!« Dabei hatte er ihr tief in die Augen geblickt und sie etwas näher an sich gezogen. Es erregte sie auf eine seltsame Weise. Und gleichzeitig packte sie ein gewisser Übermut.

      »Ich fürchte, Sie können es sich nicht erlauben, Ihr ganzes Interesse einer einzigen Dame zuzuwenden. Als Sohn des Gastgebers haben Sie doch Pflichten, oder?«

      Er verzog den Mund ein wenig. Es klang arrogant, als er entgegnete: »Ich kann mir alles erlauben, und das Wort ›Pflicht‹ höre ich gar nicht gern.«

      Sie hatte gedacht: Wenn du nicht zufällig als Sohn eines Millionärs zur Welt gekommen wärst, dann wüßtest du eher, was es heißt, Pflichten zu haben. So ist deine Karriere natürlich gesichert, ohne daß du in den Niederungen des harten Alltags herumzukriechen brauchst. Sie fühlte seinen Blick, und sie erwiderte ihn. Uwe Hallweg lächelte hintergründig.

      »Sie scheinen nicht ganz einverstanden mit mir zu sein. Wie heißen Sie eigentlich?«

      »Christiane Mellin.«

      »Christiane. Ich werde Sie Chris nennen. Trinken Sie ein Glas Sekt mit mir, Chris?«

      So hatte es angefangen. Uwe Hallweg flirtete mit ihr, und sie ging aus irgendeiner Laune heraus auf dieses Spiel ein. Sie spürte die neidischen Blicke der anderen in ihrem Rücken und fühlte sich dadurch herausgefordert.

      Man hatte ihr oft genug zu verstehen gegeben, wie komisch es sei, daß sie mit ihren zweiundzwanzig Jahren noch keinen Freund hatte. Die Gespräche der Mädchen drehten sich um nichts anderes, und selbst ihre Freundin Barbara, mit der sie sich sonst gut verstand, hatte ihr einmal unverblümt erklärt, sie müsse nicht ganz normal sein, wenn sie ohne Liebe leben könne.

      »Wie oft waren Sie schon verliebt, Chris?« fragte Uwe Hallweg, als es auf Mitternacht zuging und sie einen Letkiss zusammen tanzten.

      »Tausendundeinmal«, lachte Christiane. Was ging es ihn an, daß sie noch nie verliebt gewesen war? Auch diesmal war sie es nicht, ihr Verstand blieb wach und kühl, sie beobachtete sich selbst neugierig, während sie dem stürmischen Werben Uwe Hallwegs mit einem Lächeln begegnete.

      Natürlich wollte er sie dann nach Hause bringen, und natürlich küßte er sie unterwegs. Er verstand sich aufs Küssen ebensogut wie aufs Tanzen, und als er sie bat: »Du kommst mit zu mir, Chris?«, da widersprach