Irrlicht 5 – Mystikroman. Melissa Anderson

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Название Irrlicht 5 – Mystikroman
Автор произведения Melissa Anderson
Жанр Языкознание
Серия Irrlicht
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740962920



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auf das Meer zu schlafen war einmal etwas anderes.

      Anschließend packte ich meine Koffer aus und räumte meine Sachen in den Schrank. Eine Tür führte in ein Bad, das ebenfalls mit hellem Holz verkleidet war. Ich duschte und zog meinen Schlafanzug an, dann löschte ich das Licht und kletterte in die Hängematte.

      Meine Gedanken wanderten zu Brandon Kelly zurück. Mit Sicherheit hatten wir uns nicht zum letzten Mal gesehen. Er gefiel mir, und er machte einen vertrauenerweckenden Eindruck. Einen guten Freund konnte ich während meines Aufenthalts auf Monterey Peninsula sicher gut gebrauchen.

      Seine Worte fielen mir ein, daß ich mir von Cypress Manor selbst einen Eindruck machen mußte. Jetzt wünschte ich mir, unbelastet hierher gekommen zu sein, ohne vorher etwas über die Bewohner erfahren zu haben. Dann hätte ich jetzt nicht diese unbehaglichen Gefühle gehabt.

      War ich nur etwas zu empfindlich? Wenn es in der Familie Cummings Spannungen gab, so ging mich das nichts an, und wenn Rudy etwas getan hatte, was Inez offenbar gegen den Strich ging, so war das ebenfalls nicht meine Sache. Mich brauchte hier wirklich nichts weiter zu interessieren als meine Arbeit. Ich fragte mich nur, wie ich damit anfangen sollte, wenn Mr. Cummings gar nicht da war. Ob Myra wußte, was zu tun war? Ich bezweifelte das.

      Allmählich wurde ich wieder ruhiger und auch optimistischer. Ich entspannte mich und streckte mich aus. Das monotone Rauschen der Wellen unter mir und das sanfte Schaukeln der Hängematte trugen bald dazu bei, daß ich in einen tiefen Schlaf fiel.

      *

      Am nächsten Morgen erwachte ich, weil mir die Sonne ins Gesicht schien. Ich blinzelte und rollte mich auf die Seite. Doch es war nicht nur die Helligkeit, die mich geweckt hatte, sondern auch eine männliche Stimme. Sie drang zwar nur von weitem zu mir herauf, von irgendwo aus dem verwinkelten Haus, doch ich konnte feststellen, daß sie ungehalten und ärgerlich klang.

      War Mr. Cummings zurückgekommen und regte sich nun darüber auf, daß man anstelle von Rudy mich zum Restaurieren der Bilder geschickt hatte und ich obendrein im Haus wohnte? Doch dann fiel mir ein, daß Myra gestern etwas davon gesagt hatte, ihr Stiefsohn würde heute zurückkommen.

      Ich seufzte und schlug die Augen auf. Im selben Moment blieb mir vor Schreck fast das Herz stehen. Der Blick über das Meer war wirklich einmalig schön, doch direkt unter mir ging es mindestens hundert Meter in die Tiefe. Mir stülpte sich fast der Magen um, als ich auf die zerklüfteten Felsen hinunterstarrte, gegen die unaufhörlich die Brandung rollte. Das war ein Anblick, den ich bei meiner Tiefenangst nicht ertragen konnte. Mit weichen Beinen kletterte ich aus der Hängematte und ging ins Bad, um mich fertigzumachen.

      Ich zog graue Cordhosen und ein pfirsichfarbenes T-Shirt an und hoffte, damit für ein Frühstück bei den Cummings passend angezogen zu sein. Die wenigen Kleider, die ich mir mitgenommen hatte, wollte ich mir für abends aufheben.

      Frühstück? dachte ich dann mit einem mißtrauischen Blick auf die Sonne, die schon ziemlich hoch stand. Ich ging zum Tisch und nahm meine Armbanduhr, die ich gestern abend dort hingelegt hatte. Doch ich hatte vergessen, sie aufzuziehen, und sie war stehengeblieben. Aber ich brauchte nicht unbedingt eine Uhr, um zu wissen, daß meine erste Mahlzeit in Cypress Manor wohl eher ein Lunch als ein Frühstück sein würde.

      Ich öffnete die Tür und trat auf den Korridor hinaus. Nachdem mein Zimmer am Ende lag, gab es nur eine Richtung, in die ich laufen konnte. Am anderen Ende davon war es schon schwieriger, denn die Gänge verzweigten sich. Doch ich konnte mich noch einigermaßen daran erinnern, von wo ich gestern mit Inez gekommen war und fand dann auch die Treppe, die nach unten führte.

      Dieses Haus hatte sicherlich zwanzig Zimmer, Myra Cummings mußte sich richtig verloren darin vorkommen, wenn sie so oft allein war.

      Als ich unten an der Treppe angelangt war, kam Inez mit einem vollbeladenen Tablett auf mich zugeschaukelt. Verlockende Düfte stiegen davon auf, und das Wasser lief mir im Mund zusammen.

      »Ich wollte Ihnen gerade das Frühstück bringen«, erklärte sie, nachdem sie mich begrüßt hatte.

      »Guten Morgen, Inez. Danke, das ist nett von Ihnen.« Ich nahm ihr das Tablett ab und blieb unschlüssig stehen. Sollte ich damit nun wieder in mein Zimmer gehen? Wollte man mich nicht am Familientisch mit dabeihaben? Doch dann fiel mir ein, daß das Frühstück sicher schon längst vorbei war.

      »Meine Uhr ist stehengeblieben«, sagte ich entschuldigend, »sicher ist es schon sehr spät.«

      »Halb elf«, sagte sie nach einem Blick auf eine schöne alte Standuhr in der Ecke, die mir erst jetzt auffiel.

      Eine Tür ging auf, und Myra Cummings erschien. Sie sah frisch und jugendlich aus in ihrem geblümten Sommerkleid.

      »Da sind Sie ja, meine Liebe«, rief sie erfreut und winkte mich zu sich. »Kommen Sie nur herein und frühstücken Sie im Speisezimmer.«

      »Es tut mir leid, daß ich so spät aufgewacht bin«, entschuldigte ich mich, »normalerweise schlafe ich nicht so lange.«

      Myra nahm mich am Ellbogen und schob mich ins Zimmer. »Das ist doch selbstverständlich, daß Sie nach Ihrer langen Reise gestern ein wenig länger geschlafen haben. Howard und ich sind eben auch erst mit dem Frühstück fertiggeworden.« Bevor sie die Tür schloß, wandte sie sich an Inez. »Bring uns bitte noch eine Kanne Kaffee.«

      Auch das Speisezimmer war gediegen und geschmackvoll eingerichtet und glich im Stil dem Zimmer, in dem ich gestern von Myra Cummings begrüßt worden war. Bei meinem Eintreten hatte sich ein etwa dreißigjähriger gutaussehender Mann vom Tisch erhoben und kam nun auf mich zu.

      »Das ist mein Stiefsohn Howard«, stellte Myra ihn mir vor. »Er ist gestern spät in der Nacht noch zurückgekommen. Howard, das hier ist Naomi Landers aus Los Angeles, von der ich dir bereits erzählt habe.«

      Er musterte mich kurz aus kalten grauen Augen, dann verzog sich sein Gesicht zu einem charmanten Grinsen.

      »Es freut mich, Sie kennenzulernen, Miß Landers. Willkommen in Cypress Manor.«

      Trotz seiner freundlichen Worte hatte ich das Gefühl, daß er mich eher zum Teufel wünschte. Es war also er gewesen, dessen Stimme so ungehalten durch das Haus geklungen hatte.

      Ich nahm an, daß meine Anwesenheit der Grund für seinen Ärger gewesen war, auch wenn er sich jetzt davon nichts mehr anmerken ließ.

      Er nahm mir das Tablett aus der Hand und stellte es auf den Tisch, dann rückte er mir einen Stuhl zurecht und bat mich, Platz zu nehmen. »Setzen Sie sich, Miß Landers. Essen Sie Ihr Frühstück und lassen Sie sich von uns nicht stören.«

      Nachdem auch Myra wieder Platz genommen hatte, setzte er sich mir gegenüber und richtete das Wort an seine Stiefmutter. Ich beschäftigte mich mit einem reichhaltigen Frühstück, das aus Pancakes, Würstchen mit Sirup, gebratenen Eiern und Toast bestand. Wenig später kam ­Inez mit einer vollen Kaffeekanne herein, schenkte uns allen ein und nahm die andere leere Kanne mit hinaus.

      »Gefällt Ihnen Ihr Zimmer?« fragte Myra mich freundlich, als ich zu Ende gegessen hatte.

      Ich nickte. »Danke, sehr gut. Nur beim Aufwachen war ich etwas erschrocken, als ich so tief unter mir das Meer tosen sah.«

      Myra lachte. »Haben Sie in der Hängematte geschlafen? Ich dachte mir, daß Ihnen das gefallen wird. Inez sagte mir, daß sie Sie in dem Erkerzimmer untergebracht hat. Aber wenn Ihnen ein ordentliches Bett lieber ist, dann brauchen Sie es nur zu sagen. Wir haben noch mehr Gästezimmer, aber so einen phantastischen Ausblick haben Sie nicht.«

      »Aber nein, ich bin mit meinem Zimmer vollauf zufrieden«, versicherte ich.

      Howard bat, rauchen zu dürfen, und bot mir ebenfalls eine Zigarette an. Während er den Rauch inhalierte, sah er mich nachdenklich und intensiv an.

      »Ich muß sagen, Sie sind eine ziemliche Überraschung«, begann er. »Wir hatten mit Rudy gerechnet, und nun liegt der Ärmste im Krankenhaus. Wissen Sie, wie es ihm geht?«

      Ich erzählte ihm, was ich von Mr. Larson wußte. »Vermutlich wird er längere