Название | Die Bergklinik Staffel 1 – Arztroman |
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Автор произведения | Hans-Peter Lehnert |
Жанр | Языкознание |
Серия | Die Bergklinik Staffel |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783740916947 |
Monikas Wangen schimmerten plötzlich rosig. Als Clemens sich dann über sie beugte, schloß sie die Augen, und ihre Lippen fanden sich zu einem ersten langen Kuß.
»Grüß dich, Heidrun!« Professor Stolzenbach beugte sich vor und küßte eine ausnehmend hübsche Frau zur Begrüßung auf beide Wangen. »Daß wir uns nach so vielen Jahren wiedersehen, freut mich sehr, daß dein Sohn unsere Hilfe benötigt, dagegen weniger.«
Heidrun Lehner lächelte charmant. Sie war sechsunddreißig Jahre alt, kannte Professor Stolzenbach aus ihrer Münchener Zeit und war immer noch eine ausnehmend schöne Frau, wie man unschwer feststellen konnte.
Neben ihr stand ein kleiner Junge, der sehr blaß wirkte und sich krampfhaft an der Hand seiner Mutter festhielt, zu der er immer wieder ängstlich hochsah.
»Du bist also der Markus!« Stolzenbach ging in die Hocke und hielt dem Jungen die Hand hin. »Wie alt bist du jetzt? Sechs Jahre? Da schau her, dann bist du ja schon ein richtiger Bursch.«
»Ich habe nicht sehr viel Zeit, Clemens.« Heidrun Lehner löste die Hand ihres kleinen Sohnes aus der ihren und schob den Jungen dem Professor in die Arme. »Mein Flugzeug startet in drei Stunden, und ich muß noch ein paar Vorbereitungen treffen.«
»Du arbeitest wieder?« Professor Clemens Stolzenbach sah die hübsche dunkelhaarige Frau fragend an.
»Ja, freiberuflich, aber ich habe feste Aufträge.« Sie sah nervös auf die Uhr. »Entschuldige bitte, aber ich muß gehen. Das da ist die Nummer der Redaktion. Die wissen, wo ich in den nächsten vier Wochen zu erreichen bin. Die Telefonnummer meines Mannes und seine Adresse sind auch dabei.« Sie gab Stolzenbach eine Visitenkarte, auf der handschriftlich noch einiges hinzugefügt war.
Markus sah seine Mutter mit übergroß wirkenden Augen an. Er hatte noch kein Wort gesagt, seitdem sie die Bergklinik betreten hatten. Heidrun Lehner fuhr ihrem Sohn mit einer sehr flüchtig wirkenden Geste über den Kopf, dann küßte sie ihn rasch und lieblos auf die Stirn. »Hör, was der Professor dir sagt, hast du verstanden? Mutti kommt dich bald wieder abholen.« Dann lächelte sie Stolzenbach wieder an, hielt ihm erneut beide Wangen hin, und als er sie zum Abschied noch mal geküßt hatte, verließ sie rasch die Bergklinik, setzte sich in ihren Wagen, einen zweisitzigen Sportwagen, und war gleich darauf verschwunden, ohne sich noch mal umzusehen.
Professor Clemens Stolzenbach runzelte ein wenig die Stirn. Mit Heidrun Lehner, damals hatte sie noch Schüler geheißen, war er eine Zeitlang in einer Clique gewesen. Sie hatte zur gleichen Zeit Publizistik studiert wie er Medizin, und man hatte ihr eine große Karriere als Fotografin vorausgesagt, als ihre ersten Bildreportagen in renommierten Zeitschriften erschienen waren. Sie hatte sogar ein paar wichtige Preise gewonnen, doch als sie ihren Mann kennenlernte, hatte sie seiner Karriere wegen auf eine eigene verzichtet.
Vor einer Woche hatte sie privat bei ihm in Mittenwald angerufen, um einen Termin gebeten, kurz erzählt, daß ihr Mann und sie sich getrennt hätten, gesagt, daß ihr Sohn gesundheitliche Probleme habe und daß sie ihn gerne zu einem Gesundheitsscheck vorbeibringen würde.
»Markus hat irgendwas, ich weiß nicht was, niemand weiß es«, hatte Heidrun auf Stolzenbachs entsprechende Frage geantwortet. »Wir waren bei, ich weiß nicht wie vielen Ärzten, und keiner hat was gefunden. Ich hoffe, daß du dahinterkommst, was mit dem Jungen ist. Ich vertraue ganz auf dich.«
Clemens ging mit Markus, als dessen Mutter abgefahren war, in Richtung Aufnahme. »Das ist Markus Lehner. Er ist ab heute auf meiner Station Privatpatient. Alle weiteren Daten gebe ich Ihnen später durch. Alles, was den Jungen angeht, ist grundsätzlich mit mir zu besprechen. Sagen Sie das bitte auch den Kollegen.«
Dann ging er mit Markus zum Aufzug und wunderte sich, wie ausgesprochen still der Junge war, der auf Fragen lediglich nickte oder mit dem Kopf schüttelte, ansonsten jedoch noch keine Äußerung von sich gegeben hatte.
Er brachte ihn ins Schwesternzimmer, gab ihn bei Schwester Almut ab, sagte ihr, das Gepäck des Jungen stehe noch an der Pforte und bat um ein Einzelzimmer für ihn.
»Das ist nicht gut, Professor«, antwortete Almut, die Stationsschwester der chirurgischen Station, »ein Einzelzimmer ist nur in ganz seltenen Fällen anzuraten. Bei so einem kleinen Jungen würde ich grundsätzlich davon absehen.«
Stolzenbach überlegte einen Augenblick, dann schüttelte er den Kopf. »Seine Mutter hat es so verlangt, und ihrem Wunsch möchte ich entsprechen.«
*
Dr. Vinzenz Trautner kam aus dem Labor und ging zur Röntgenabteilung der Bergklinik, die auf einem technisch sehr hohen Niveau ausgerüstet war. Er wollte sich die Röntgenbilder eines vor wenigen Tagen neu eingelieferten Patienten ansehen, dessen Labordaten er soeben abgeholt hatte.
Als er die Röntgenabteilung betrat, lag ein kleiner Junge auf einem Untersuchungsbett und starrte zur Decke, Tränen rannen ihm übers Gesicht.
Dr. Trautner sah ihn an, nahm die Krankenpapiere, die am Fußende lagen, in die Hand und blätterte sie rasch durch. Dann sah er Clemens Stolzenbach an, der gerade aus einem der Entwicklungslabors kam und ein paar Röntgenplatten in Händen hielt.
»Was ist mit dem Jungen, Professor?« fragte Trautner, während er zu ihm ging.
»Ich weiß es nicht«, antwortete der. »Seine Mutter hat ihn mir vor einer Woche gebracht, weil er sich anscheinend nicht wohl fühlte. Alle Tests sind inzwischen gemacht…!«
»Und…?«
Stolzenbach zuckte mit den Schultern. »Die Senkung war ein wenig hoch, auch die Leukozytenzahl. Aber er hatte, bevor er kam, eine fiebrige Erkältung, was beides erklärt. Sonst sind alle Tests vollkommen in Ordnung gewesen.«
»Kennen Sie die Eltern?«
»Die Mutter gut, den Vater weniger gut.«
»Wer sind sie?«
»Er ist Doktor der Betriebswirtschaft. Leitet einen Großkonzern in Stuttgart. Seine Mutter ist Mitte dreißig, hat wieder zu arbeiten begonnen. Sie hat sich von ihrem Mann getrennt.«
Vinzenz Trautner sah Stolzenbach stirnrunzelnd an. »Kann es sein, daß Sie nach etwas suchen, was kein Test zeigen kann?«
»Wie meinen Sie das?«
»Daß die Seele des Jungen verletzt ist, daß er deswegen Krankheitssymptome zeigt, die nicht organischen Ursprungs sind, sondern lediglich den Anschein erwecken.«
Clemens Stolzenbach zog die Augenbrauen ein wenig zusammen. »Dafür gibt es keinen Anhalt.«
»Für eine organische Erkrankung aber auch nicht. Ich habe mir die Labordaten und die bisherigen Untersuchungsergebnisse eben grade angesehen, es gibt absolut keinen Hinweis auf eine Organerkrankung.«
»Seine Mutter hat den Jungen gebracht, weil er immer stiller geworden ist und weil er sich über Schmerzen im Oberbauch beschwert hat. Schauen Sie ihn sich an. Er ist blaß, völlig apathisch und reagiert kaum auf äußere Reize.«
»Seit wann zeigt er diese Symptome?«
Stolzenbach zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Worauf wollen Sie hinaus?«
»Wenn mein Vater und meine Mutter mich im Stich gelassen hätten, als ich sechs Jahre alt war, ich hätte vielleicht ähnlich reagiert.«
»Sie meinen, dem Jungen fehlt nichts, außer seinen Eltern?« Professor Stolzenbach schüttelte lächelnd den Kopf. »Ihre psychosomatischen Theorien in allen Ehren, Doktor, aber ich halte sie zumindest in dem Fall für ein wenig weit hergeholt. Solange ich keinen Gegenbeweis habe, werde ich nach den Ursachen einer Organerkrankung suchen. Es muß und wird sich etwas zeigen. Spätestens nach der Computer-Tomographie.«
»Schauen S’ sich den Jungen an, Professor.« Dr. Trautner und Clemens Stolzenbach standen am anderen Ende des Röntgenlabors. Markus lag auf der fahrbaren Trage und starrte gegen die Decke, er zitterte am ganzen Körper. »Der Junge fühlt