Der Landdoktor Staffel 2 – Arztroman. Christine von Bergen

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Название Der Landdoktor Staffel 2 – Arztroman
Автор произведения Christine von Bergen
Жанр Языкознание
Серия Der Landdoktor Staffel
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740936952



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wird den Wein sofort bringen.«

      *

      Was war bloß los mit ihr? In ihrer Lehre war sie dafür bekannt gewesen, mit jedem Gast umgehen zu können. Warum nicht mit Leon Schubert?

      Julia verdrängte den kritischen Blick ihrer Großmutter, nachdem sie ihr mitgeteilt hatte, dass sie sich unwohl fühlen und in ihr Apartment hinübergehen würde.

      Hier saß sie nun, blickte zum Haus hinüber. Die Stube war erleuchtet, aus dem Schornstein stieg Rauch. Durch das niedrige Fenster sah sie ihre Großmutter mit Leon Schubert lachen.

      Mit einem Seufzer griff sie nach dem Telefon und wählte die Nummer ihrer Freundin. Ohne ein Wort der Begrüßung sagte sie: »Der Italiener ist bei uns.« Sie hörte selbst, wie vorwurfsvoll sie klang.

      »Welcher Italiener?«, fragte Vera erstaunt.

      »Der, der bei dir heute Nachmittag ein Shampoo gekauft hat und dem du unsere Pension empfohlen hast.«

      Stille. Dann Veras empört klingende Stimme: »Moment mal. Ich kann mich erinnern, dass so ein toller Typ hier im Salon war, aber ich habe ihm doch nicht eure Pension empfohlen.«

      Julia stutzte. »Hat er aber gesagt.«

      »Dann hat er was Falsches gesagt«, erwiderte Vera ruhig und eindringlich klingend. »Vielleicht hat er auch noch irgendwo anders im Dorf eingekauft und was verwechselt.«

      Julia knabberte an ihrer Unterlippe.

      Das mochte eine Erklärung sein.

      »Na ja, auf alle Fälle passt er nicht hierher«, fuhr sie fort. »Er kann nur schlechte Reklame für uns machen.«

      »Apropos Reklame«, sagte ihre Freundin. »Hast du die Sache auf den Weg gebracht?«

      Julia wusste genau, was Vera meinte. »Schon vor fünf Tagen.«

      »Und?«

      »Ich habe noch nichts gehört. Keine Mail, kein Brief, kein Anruf.«

      »Das verstehe ich nicht«, sagte Vera empört. »Wir haben so tolle Bilder von eurem Haus und der Umgebung gemacht, und der Text war auch gut. Genau richtig, um im Massentourismus eine Nische zu besetzen.«

      »Vielleicht habe ich bei den falschen Reiseveranstaltern angefragt.«

      »Bei denen, die Hütten vermieten, würdet ihr auch fehl am Platz sein. Eure Stärke ist doch die außergewöhnliche Lage, die familiäre Betreuung. Oma Winter bietet sogar einen Kochkurs an«, ereiferte sich ihre Freundin im Brustton der Überzeugung. »Reiten, Angeln, Kneippsche Anwendungen in der Steinache, die an eurem Haus vorbeiplätschert, nur ein kleiner intimer Kreis von Gästen, Singles sind besonders willkommen … Hast du das alles in dein Angebot reingepackt?«

      Julia seufzte. »Ja, habe ich.«

      »Du musst Geduld haben. Diese Leute brauchen ja auch ein paar Tage zur Bearbeitung. Aber jetzt noch mal zu dem tollen Typen. Wie lange bleibt er denn?«

      »Er sagte, eine Woche, aber wenn du mich fragst, sehe ich ihn schon morgen wieder abfahren.«

      »Dann sollte ich morgen früh vielleicht mal vorbeikommen.« Vera lachte ihr rauchiges Lachen.

      »Kannst du machen«, erwiderte Julia.

      Sie kannte ihre Freundin. Ein Flirt war Vera stets willkommen. Normalerweise amüsierte sie sich darüber, wenn die Friseurin den Männern den Kopf verdrehte. Im Fall von Leon Schubert jedoch missfiel ihr diese Vorstellung.

      Ich bin doch wohl nicht eifersüchtig?, fragte sie sich erschrocken, während Vera jetzt am anderen Ende der Leitung über die Neuigkeiten aus dem Ort plauderte.

      *

      Am nächsten Morgen machten die Ruhweiler große Augen. Entgegen der Wettervorhersage wurden sie von der Sonne begrüßt, die für diesen Tag schönes Wetter und gute Laune versprach. Julia und Hilde atmeten auf. Ebenso Leon Schubert. Nach einem hervorragendem Frühstück und einem lustigen Geplauder mit Oma Hilde trat er aus der Tür ins Freie.

      Von dem Sturm des vergangenen Tages war nichts mehr zu sehen. Alles war aufgeräumt, das Pflaster gefegt, auf den Gartentischen lagen adrette Tischdecken, die Geranien auf den Fensterbänken versprühten ihre Farbe. Die beiden Frauen mussten Zauberhände haben.

      Er lächelte.

      Welch eine Idylle! Die Sonne streute einen weichen Goldglanz auf Wiesen und Wälder. Regentropfen, funkelten und blitzten wie Tausende von Diamanten. Im Spaliergeäst neben der Haustür schnäbelte zärtlich ein Starenpärchen. Sommerduft wehte ihm um die Nase, süß und mild. Wunderbar. Es roch nach Glück. Plötzlich erfüllte ihn ein Gefühl von Freude, Friede und Behaglichkeit.

      Wo war Julia? Er hatte sie beim Frühstück nicht gesehen. Vielleicht bei den Kühen?

      Er trat durch die Stalltür und sah einen hochgewachsenen Mann vor sich, der sich gerade mit einem Heuballen abquälte. Er trug einen Overall und einen Hut und stand ihm mit dem Rücken gegenüber. Der Knecht? Oder etwa Julias Freund? Verlobter? Ehemann?

      Leon schluckte.

      Ganz selbstverständlich war er bisher davon ausgegangen, dass die schöne junge Frau ungebunden war. Wie kam er nur dazu? Julia war ganz bestimmt schon in festen Händen. Diese Erkenntnis fiel ihm jetzt wie Schuppen von den Augen.

      »Hey!«, rief er den Mann an. »Ist Julia Winter hier irgendwo?«

      Der Angesprochene drehte sich um, nahm den Hut ab, und eine Flut hellblonder Haare fiel aus ihm heraus.

      Julia!

      Fasziniert sah er sie an. Die derbe männliche Kleidung hob ihre Weiblichkeit nur noch deutlicher hervor.

      Sie lächelte. »Gut geschlafen?«

      »Fantastisch. Das Kirschwasser, das Ihre Großmutter gestern Abend noch mit mir getrunken hat, war ein sehr bekömmliches Schlafmittel.«

      Julia strich sich mit einer anmutigen Geste eine Strähne aus der Stirn.

      »Ich habe mir Gedanken gemacht, wie Sie den Tag verbringen könnten, falls Sie nicht schon eigene Pläne haben«, fügte sie rasch hinzu.

      »Habe ich nicht, nur den, dass ich meinen Wagen gern hier hätte.«

      »Kein Problem, ich fahre Sie hin.«

      »Ich habe aber keinen Ersatzreifen. Kann man den hier irgendwo kaufen?«

      »Klar, in Freiburg.«

      »Fahren Sie mich hin?«

      Er bemerkte, dass sie zögerte.

      »Natürlich bezahle ich das Benzin«, sagte er rasch.

      »Darum geht es nicht«, erwiderte sie fast mürrisch. »Ich habe heute nur wenig Zeit. Aber Sie können meinen Jeep haben.«

      Er nickte. »Falls Ihnen das nichts ausmacht, nehme ich Ihr Angebot gern an.« Er fand ihren Vorschlag sehr großzügig.

      »Bei uns ist der Gast König«, sagte sie nun mit schelmischem Blick, der sie noch liebenswerter machte.

      »Den Eindruck habe ich auch. Welche Pläne haben Sie denn für mich?«, erkundigte er sich jetzt neugierig.

      Sie trat auf ihn zu. Obwohl sie nicht klein war, musste sie zu ihm aufschauen. Ihr Blick war ernst, voller Ehrgeiz.

      »Falls Sie reiten wollen, könnte ich für Sie einen Ausritt beim Nachbarbauern buchen«, begann sie. Dabei hob sie den Daumen, als Nächstes den Zeigefinger. »Falls Sie angeln wollen, haben wir für Sie eine komplette Angelausrüstung im Haus. Inklusiv hohe Stiefel. Drittens …« Sie lächelte ihn an. »Meine Oma ist eine Anhängerin von Kneippschen Anwendungen. Sie könnte Sie einweisen. Viertens, Wanderwege gibt es ja genug, die können Sie selbst entdecken und Ausflüge …« Ein Hupen machte ihrem Redefluss ein Ende.

      Im nächsten Moment kam ein Auto auf den Hof gefahren. Es hielt vor dem Stall an, eine junge Frau in Rock und Pumps stieg aus.