SCHWERE ZIELE (Extreme). Chris Ryan

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Название SCHWERE ZIELE (Extreme)
Автор произведения Chris Ryan
Жанр Языкознание
Серия Extreme
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783958352032



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eine oder andere Medaille auf ihn«, sagte Hands, leerte sein restliches Bier in einem Zug und rülpste geräuschvoll. Ein Schwall Bieratem wehte herüber. »Möchte wetten, dass er irgendwann einen dieser lauschigen Sicherheitsjobs annimmt. Arabische Prinzessinnen im Harrods für Zehntausend die Woche bewachen. Verdammter Glückspilz!«

      Maston klapperte mit einer Gabel gegen ein leeres Bierglas. Die Gespräche verstummten. Stacey drehte den Ton des Fernsehers leiser. Alle hatten sich Bald zugewandt. Der Schotte starrte auf den Boden.

      »Ich hasse Ansprachen mindestens genau so sehr wie jeder andere hier«, sagte Maston. »Deshalb werde ich es kurz machen. John Bald steht für alles, was dieses Regiment ausmacht. Wir haben Sie ausgebildet, die Besten der Besten zu sein. Niemals zurückzuweichen, niemals aufzugeben. Dank Johns außerordentlichem Mut und seiner Opferbereitschaft konnten wir die Tehrik-i-Taliban empfindlich treffen. Das ist ein denkwürdiger Moment im Bestreben, eine friedliche und hoffnungsvolle Zukunft für die Menschen in Afghanistan zu erreichen.«

      Bald rieb sich den Nacken. Für Gardner wirkte er jetzt nur noch gequält und nicht einfach nur unbehaglich angesichts der ganzen Aufmerksamkeit. Maston räusperte sich und fuhr fort: »Aber das ist noch nicht alles. Wie einige von Ihnen wissen, hat John Leib und Leben riskiert, um das Leben seines Kameraden zu retten. Ohne seine außerordentliche Tapferkeit wäre Warrant Officer Joe Gardner heute nicht mehr unter uns. Sergeant John Bald wird dafür mit Orden geehrt werden. Aber heute Abend soll es um die größte Ehre von allen gehen: die Anerkennung und den Respekt seiner Kameraden.«

      Maston hob sein Glas zu den Hört-Hört-Rufen in der Bar.

      Dann stupste Hands Gardner an und sagte: »Sieh dir das an!«

      Gardner starrte zusammen mit allen anderen im Pub auf den Fernsehschirm. Stacey folgte den Aufforderungen im Raum und drehte den Ton auf volle Lautstärke. Die Nachrichten zeigten ein Exklusiv-Interview mit dem Anführer der pakistanischen Taliban.

      »Afridi wurde ersetzt?«, fragte Hands. »So schnell?«

      Die Studio-Ansicht wechselte zu schlecht aufgelösten, körnigen Filmaufnahmen. Der Kameramann wurde von einer maskierten Gestalt in eine Art Höhle geführt. Im Inneren der Höhle wartete jemand. Das Licht von Fackeln huschte über das Gesicht des neuen Anführers.

      Für einen Moment erstarb alles Getuschel in der Bar. Hands war der Erste, der das Wort ergriff.

      »Das darf verdammt noch mal nicht wahr sein«, sagte er.

      Der Mann im TV war Tariq Afridi.

      Gesund und munter.

      Ein Raunen ging durch den Pub. Mastons Gesichtsfarbe wechselte zwischen verschiedenen Rottönen hin und her. Gardners Blick wanderte durch die Bar, auf der Suche nach Bald. Andere taten es ihm gleich.

      Was war in Mardan wirklich passiert?, fragte er sich. Ihm fielen wieder die verstreut am Boden liegenden Diamanten ein. Er erinnerte sich an den bitterbösen Blick, den Bald Shaw zugeworfen hatte, als der bibeltreue SEAL ihn zur Rede stellen wollte. Und das schlechte Gefühl, das er dabei hatte.

      Gardner und dem Rest der versammelten Mannschaft wurde schlagartig eine Sache bewusst:

      Bald war verschwunden.

      Kapitel 9

      Stevenage, Großbritannien, 17:00 Uhr

      Sein Telefon klingelte.

      Joe Gardners Telefon klingelte für gewöhnlich nie. Wenn man ein Leben wie er führte, vergaßen die Leute schnell, dass es einen überhaupt gab.

      Nur sehr wenige kannten noch Gardners Namen. So wenige, dass er tatsächlich neugierig war, wer da versuchte, ihn zu erreichen. Er sah auf das Display.

      +00551171674519

      Die Nummer sagte ihm nichts.

      Die Stimme hingegen schon.

      »Ich brauche deine Hilfe«, schrie jemand über ratterndes Gewehrfeuer hinweg. »Die haben mich am Arsch. Sind aus dem Nichts aufgetaucht. Millionen von den Wichsern. Fast wie damals in Bagdad.«

      »John? Bist du das? Die Verbindung ist schlecht.«

      »Wir haben Unterstützung angefordert, aber von denen ist noch keiner aufgetaucht. Vielen Dank auch, ihr Arschlöcher. Erinnerst du dich noch an Afghanistan? Jetzt sitze ich echt in der Scheiße, Joe. Du musst mir hier raushelfen.«

      Gardner griff instinktiv mit seiner rechten Hand nach seiner künstlichen Linken. Afghanistan. Der Sprengsatz, der direkt vor ihm hochgegangen war. Rauch, der sich verzog, und dann der Blick auf den offenen Armstumpf, wo seine linke Hand sein sollte und das Blut, dass aus der Wunde schoss wie Öl aus einer geplatzten Rohrleitung. Es war John Bald gewesen, der unter feindlichem Beschuss ein Rettungsteam angefordert hatte und damit Gardners Leben rettete. Er stand in Balds Schuld. Ganz gewaltig sogar.

      »Wo zur Hölle steckst du?«

      Atempause.

      »John?«

      Er musste an den Jungen neben sich denken. Einundzwanzig Jahre alt. Die Beine an der Hüfte abgerissen, zwei Oberschenkelknochen, die aus dem Körper ragten wie zwei abgebrochene Baseballschläger. Und dann das ganze Blut überall, so als ob er darin baden würde.

      »Barbosa Favela. Mitten im beschissenen Rio de Janeiro. Meine Position ist meine Einheit mal Vierzig nördlich, deine Einheit mal zwanzig westlich der Jesusstatue. Komm, so schnell du kannst, Joe.«

      »Hör mal, was geht da eigentlich …«

      Die Leitung war tot.

      Kapitel 10

      07:22 Uhr

      Das Cobra Hilton Plaza Hotel ragte über die heruntergekommenen Favelas hinaus. Das Zimmer selbst befand sich im zwölften Stock und gab den Blick auf eine Weltstadt aus Dreck und Scheiße anstelle von Stränden frei.

      »Ich schwöre, ich weiß einen Scheißdreck«, sagte der Mann namens Paulinho Nava, der mit Handschellen an einen Heizkörper gekettet war.

      »Das sagtest du bereits, mein Freund.«

      »Warum tun Sie das dann?«

      »Du gehst mir langsam auf die Nerven.«

      »Sie sind doch völlig durchgeknallt«, schnaubte Nava.

      Nestor Weiss zog die Spritze mit der Flüssigkeit aus der Ampulle auf. Dann klopfte er mit den Fingern gegen die Kanüle, damit die Luft entwich.

      »Was ist das?«

      Weiss antwortete ihm nicht.

      »Wenn die anderen herausfinden, was Sie getan haben, werden Sie dafür mit ihrem Blut bezahlen. Wer sich mit einem Offizier der BOPE anlegt, ist ein toter Mann, hören Sie? Ein toter Mann!« Navas Gesicht war angeschwollen. Er sah aus, als würde er unter einer Million Bienenstichen leiden.

      Soweit war Weiss mit seinem Werk überaus zufrieden. Es kam nicht mehr so oft vor, dass er selber austeilen musste, aber wenn er es tat, konnte er einen Menschen immer noch ziemlich übel zurichten.

      Er hielt die Injektionsnadel gegen das Licht.

      »Das sind einhundert Milliliter Schwefelsäure. Sicher, dass du mir weiterhin auf die Nerven gehen willst?«

      »Dann bin ich eben blind, du Bastard.«

      »Oh, aber das war nicht für deine Augen gedacht.«

      Seine Angeberei war dahin. Navas Venen am Hals traten hervor, während er versuchte, Stück für Stück von Weiss wegzukommen und sich immer mehr gegen die Wand presste. Als Weiss ein wenig näherkam, trat er um sich.

      »Bleiben Sie weg von mir!«

      »Haben sie euch in der Ausbildung beigebracht, wie man so etwas überlebt, mein Freund?«

      Nava spuckte auf den gemusterten