ABENTEUER LASS NACH. Scott Meyer

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Название ABENTEUER LASS NACH
Автор произведения Scott Meyer
Жанр Языкознание
Серия Magic 2.0
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783958352582



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5

      Nach einer Stunde wurden die Zauberer langsam unruhig. Was nicht verwunderlich ist, wenn man alle dreißig Sekunden die gleiche Frage gestellt bekommt und sie nicht beantwortet. Die Sonne war aufgegangen und die Zauberer konnten ihre Umgebung genauer betrachten. Sie standen auf einem hohen Brocken zerklüfteten Granits, der auf allen Seiten, bis auf einer, steil abfiel. Ein Sturz würde in den sicheren Tod führen. Den Horizont bildete ein Wirrwarr scharfkantiger, grauer Berge, auf denen in Gipfelnähe Schneefelder zu sehen waren. Zwischen ihnen und dem Horizont lagen zahllose niedrigere Gipfel, die weniger schneebedeckt, aber kein bisschen weniger scharfkantig waren. Der Gedanke an einen Versuch, diese Landschaft zu Fuß zu durchqueren, bestärkte sie in ihrer Entschlossenheit zu bleiben, wo sie waren.

      Zudem fiel ihnen allen die unangenehme Kälte auf. Eine Erfahrung, die sie alle seit geraumer Zeit nicht mehr gemacht hatten. Ihre Modifikationen an der Datei sorgten dafür, dass ihnen stets, unabhängig von der Umgebungstemperatur, angenehm warm war. Wenn diese Modifikation zurückgesetzt worden war, stellte sich die Frage, welche ihrer Anpassungen noch unwirksam gemacht worden waren?

      Als die Sonne noch höher gestiegen war, konnten sie sich auch den alten Mann etwas genauer ansehen. Er stand immer noch reglos dar, von leichten Kopf-und Mundbewegungen einmal abgesehen. Er hielt weiter seine Laterne hoch, deren Flamme jedoch im Licht des Tages dürftig und kraftlos wirkte. Der Mann selbst sah kränklich und irgendwie unnatürlich aus. Seine Haut glänzte ein wenig zu sehr, seine Bewegungen waren ein wenig zu glatt.

      Zum wiederholten Male sagte der alte Mann: »Ich sehe euch an, dass ihr Männer voll Heldenmut seid. Welcher unter euch wird seine Gefährten bei diesem Abenteuer anführen?«

      Jeff sagte: »Hört mal, Jungs, ich glaube, der wird das so lange wiederholen, bis wir ihm entweder eine Antwort geben oder verhungert sind.«

      Jimmy präzisierte: »Wir würden verdursten, nicht verhungern.«

      Tyler sagte: »Ganz richtig, weil ich dich vorher umbringen und aufessen würde.«

      Jimmy lächelte. »Tyler, das war ja seit Langem das Schmeichelhafteste, was du zu mir gesagt hast.«

      Tyler wollte etwas erwidern, doch Jeff unterbrach ihn. »Na gut, hört mal, wir können rumsitzen und darauf warten, dass er irgendwann müde wird. Aber ich glaube nicht, dass das passieren wird, oder wir können etwas anderes versuchen, richtig?«

      »Was zum Beispiel?«, fragte Philip.

      »Wie wäre es, wenn wir ihn mit Input füttern, mit dem er nicht rechnet? Vielleicht können wir eine Störung verursachen.«

      Sie warteten, bis der alte Mann seine Frage wieder stellte. Jetzt, wo sie darauf lauerten, schien es sehr viel länger zu dauern. Sie waren so darauf konzentriert, dass ein paar von ihnen zusammenzuckten, als der alte Mann sagte: »Ich sehe euch an, dass ihr Männer voll Heldenmut seid. Welcher unter euch wird seine Gefährten bei diesem Abenteuer anführen?«

      Philip antwortete, so deutlich er konnte: »Winston Churchill.«

      Der alte Mann erstarrte für einen Moment, dann sagte er: »Könnten Sie das bitte wiederholen?«

      »Winston Churchill«, sagte Philip.

      Wieder erstarrte der alte Mann, dann sprach er: »Könnten Sie das bitte wiederholen?«

      Jimmy wählte eine andere Antwort: »James Kirk.«

      »Könnten Sie das bitte wiederholen?«

      »James Kirk«

      »Könnten Sie das bitte wiederholen?«

      Tyler versuchte es mit: »Jean-Luc Picard.«

      »Wer ist das?«, fragte Philip.

      »Könnten Sie das bitte wiederholen?«, spulte der alte Mann ab.

      Tyler schüttelte den Kopf. »Ganz im Ernst, Phil, manchmal machst du mich richtig traurig.«

      »Na schön«, rief eine ferne, dumpfe Stimme, die aus allen Richtungen zu kommen schien. »Ihr kleinen Penner! Ihr wollt das einfach nicht ernst nehmen, was?«

      »Das würden wir vielleicht«, schrie Philip, »wenn wir wüssten, mit wem wir es zu tun haben.«

      Die Stimme sagte: »Ha, das bezweifle ich.«

      Über dem alten Mann erschien in der Luft ein Lichtpunkt, der sich aus dem Nichts heraus kaskadenförmig abwärts und seitwärts ausbreitete, bis er ein Rechteck bildete, etwa drei Meter breit und zwei Meter hoch. Das Rechteck steckte in einem grauen Rahmen, schmal am unteren Ende und an den Seiten, aber breiter am oberen Ende. In der rechten oberen Ecke des Rahmens befanden sich Piktogramme mit einem Strich, einem Kasten und einem X. Innerhalb des Rahmens waren der Kopf und die Schultern eines Mannes zu sehen. Der Bereich hinter der rechten Schulter des Mannes war dunkel. Hinter seiner linken Schulter war es hell. Philip dachte zunächst, das hätte eine tiefere Bedeutung, doch dann wurde ihm klar, dass er in das Zuhause von jemandem blickte. Der dunkle Bereich war eine holzvertäfelte Wand. Der helle Bereich war offensichtlich der Eingang zu einer Küche. Der Mann in der Mitte des Bildausschnitts war gealtert, seit sie ihn das letzte Mal gesehen hatten, und er hatte eine andere Frisur. Er war Ende dreißig und trug eine Brille und ein Headset mit einem Mikrofon, trotzdem erkannten sie ihn auf der Stelle.

      »Todd«, rief Jeff. »Was ist das hier?«

      »Überfällig«, antwortete Todd. »Euch muss doch klar gewesen sein, dass ihr es wieder mit mir zu tun bekommen würdet. Ihr habt doch nicht wirklich geglaubt, dass ihr mich losgeworden seid.«

      »Doch«, sagte Philip. »Das haben wir! Weil wir das waren! Wir waren dich los, und ich bin mir sicher, das wäre auch noch so, wenn Jimmy dich nicht aufgesucht hätte.«

      Jimmy wollte etwas zu seiner Verteidigung vorbringen, wurde aber übertönt. Überraschenderweise von Todd, der Partei für ihn ergriff.

      »Na, na, na, gib nicht Jimmy die Schuld. Ich wäre irgendwann auch alleine aus dem Gefängnis rausgekommen; er hat die Sache nur einfacher gemacht. Außerdem habe ich ja nicht gleich, nachdem ich rausgekommen bin, beschlossen, euch allen nachzustellen.«

      »Ach, nicht? Sieht mir aber ganz so aus«, bemerkte Gary.

      »Nein«, widersprach Todd. »Schaut mal, Jungs, im Gefängnis hatte ich Zeit nachzudenken. Ich habe viel Zeit damit verbracht, meine Rache zu planen, aber dann musste ich an etwas denken, das ich vor langer Zeit mal gehört habe. ›Gut zu leben, ist die beste Rache‹. Das habe ich dann auch beschlossen zu tun. Ich würde mich rächen, indem ich euch kleingeistige, hinterhältige Idioten ignoriere und ein besseres Leben führe als ihr alle.«

      Philip fragte: »Wieso sind wir dann hier?«

      »Immer schön eins nach dem anderen«, wies Todd ihn zurecht. »Als ich wieder Zugang zur Datei hatte, bin ich in die späten Sechziger gesprungen und habe mir eine falsche Identität eingerichtet. Dann bin ich in die Mittachtziger gesprungen und habe mich in Stanford eingeschrieben. Während meiner Zeit dort habe ich viele Kontakte geknüpft. Ich habe viel mehr über Computer gelernt, als ich bis dahin wusste, und bei Prüfungen geschummelt. Bei ganz vielen Prüfungen. Ich hatte meinen Abschluss genau zum richtigen Zeitpunkt, um von einer Reihe Spielefirmen engagiert zu werden. Ich habe mich auf natürliche Weise bis zu einem respektablen Alter von neununddreißig Jahren altern lassen, und es dann wieder angehalten, einfach um die Fassade zu wahren. Ich habe festgestellt, man kann ziemlich lange neununddreißig bleiben, bevor es jemandem auffällt. Wie dem auch sei, die letzten zwanzig Jahre habe ich in der Computerspielbranche gearbeitet, Videospiele entwickelt und ein ziemlich großes Vermögen angehäuft, alles auf die legale Tour. Mir ist Weisheit zuteilgeworden. Ich bin gereift. Ach ja, und fast jede freie Minute habe ich damit verbracht, mit der Datei herumzuspielen. Um zu schauen, was so geht.«

      »An welchen Spielen hast du mitgearbeitet?«, wollte Jeff wissen.

      Todd antwortete: »Hauptsächlich Shareware und billige Spielchen zu Superheldenfilmen. Ich wollte nicht so viel Aufmerksamkeit auf mich ziehen.«

      »Nun«,