Название | Das falsche Paradies |
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Автор произведения | Stefan Bouxsein |
Жанр | Языкознание |
Серия | Mordkommission Frankfurt |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783939362067 |
»Na, dann bin ich ja mal gespannt, was uns die Kollegen zu berichten haben, wenn sie den Computer unter die Lupe genommen haben.«
»Habt ihr schon zu Mittag gegessen?« Siebels beendete damit das offizielle Gespräch.
Karlson verneinte und auch Till hatte noch nichts gegessen. Gemeinsam begaben sie sich in die Kantine des Präsidiums. Es gab mehrere Menüs zur Auswahl, eines davon vegetarisch. Sabine Karlson entschied sich für den großen Salatteller, Siebels konnte dem Jägerschnitzel mit Pommes nicht widerstehen und Till lud einen Teller mit Spaghetti Bolognese auf sein Tablett.
»Haben Sie bei Ihren Recherchen auch selbst Anzeigen geschaltet, mit einer eigenen 0190er-Rufumleitung?«
Die Halbschwedin aß mit großem Appetit ihren Salat und musste erst ihren Mund leer essen, bevor sie Siebels antworten konnte. »Ja, wir haben uns für drei Monate eine Rufumleitung gemietet und sie an einen Apparat in unserem alten Büro anschließen lassen. Und dann habe ich tagelang im Internet gesurft, Hunderte von Kontaktmärkten ausfindig gemacht und wie eine Wilde Suchtexte aufgegeben. Ich habe mich als gelangweilte verheiratete Ehefrau ausgegeben, als Domina, als siebzehnjährige Schülerin, die im Klosterinternat lebt. Ich war eine devote Frau, die den Meister suchte, dem sie sich unterwerfen wollte. Ich war eine Studentin, die ganz neu in der Stadt ist, ich war eine erfolgreiche Geschäftsfrau, die keine Zeit für eine Beziehung hat, aber für ein schnelles Abenteuer immer zu haben ist. Das volle Programm. Sie glauben gar nicht, was ich alles für Antworten bekommen habe. Am Anfang war es ja noch spannend und amüsant. Aber nach drei Wochen, da konnte ich den ganzen Müll einfach nicht mehr sehen. Ist aber auch gar nicht notwendig, sich das alles durchzulesen. Jedenfalls nicht, wenn man es als Verdienstquelle ansieht. Als Beamtin bei der Milieukriminalität, die ein Referat über die Thematik halten sollte, musste ich aber tagelang die Antworten von frustrierten Männern und von Möchtegern-Frauenhelden lesen. Haben Sie eigentlich noch nie auf eine solche Anzeige geantwortet?« Sabine Karlson konnte sich ein amüsiertes Lächeln nicht verkneifen.
»Warum sollten wir? Die hübschesten Frauen findet man nicht im Internet, die findet man auf dem Polizeipräsidium.« Till strahlte und freute sich über seinen schlagfertigen Konter.
Siebels hatte Mühe, sich nicht an den Pommes zu verschlucken und kam wieder zum Thema zurück. »Und wie viele Antworten mit Ihrer 0190er-Nummer haben Sie daraufhin versendet?«
»Innerhalb der drei Monate haben wir eine Liste mit über siebentausend E-Mail-Adressen erstellt, von Leuten, die sich auf meine Anzeigen hin gemeldet haben. Natürlich wissen wir nicht, wie viele Männer sich mit zwei oder mehreren verschiedenen Adressen gemeldet haben. Das Ganze war ja auch nicht offiziell und hatte schon gar keinen repräsentativen Charakter.«
»Und Sie haben dann an alle siebentausend eine Standardantwort mit Ihrer Telefonnummer gesendet?«
»Nein, es gab mehrere Standardtexte. Für jede Rolle, die ich spielte, habe ich eine eigene E-Mail-Adresse verwendet. So wussten wir genau, wer auf die erfolgreiche Geschäftsfrau und wer auf die einsame Studentin geantwortet hat. Und diese Zielgruppen haben dann jeweils für sich standardisierte Antworten erhalten.«
»Haben Sie auch ein Bild von sich angehängt?«
»Witzbold.« Karlson nahm Tills Einwand mit Humor. »Wir haben aber Bilder mitgeschickt. Zwar nicht von mir, aber von sehr attraktiven Frauen. Die Fotos bekamen wir von Bildagenturen, das lief alles sauber ab.«
»Jetzt erzählen Sie schon, wie viele Anrufe Sie bekommen haben und wie viel Geld das der Polizei gebracht hat.«
»Ungefähr 10 Prozent der angeschriebenen Personen haben von der Telefonnummer Gebrauch gemacht. Wir hatten einen Ansagetext mit einer Länge von knapp vier Minuten auf den verschiedenen nach Zielgruppen besprochenen Bändern. Im Durchschnitt sind die Anrufer zweieinhalb Minuten in der Leitung geblieben. Das ergab schließlich Telefongebühren von über 3.200 Euro. Ein kleiner Teil wurde natürlich von dem Anbieter der Rufumleitung einbehalten, unseren Teil haben wir nach Absprache mit der Staatsanwaltschaft an wohltätige Vereine gespendet. Jetzt muss ich mich aber verabschieden, sonst geben meine Kollegen noch eine Vermisstenmeldung raus.« Sabine Karlson verließ die Kantine, Tills Blicke folgten ihr, bis sie hinter der nächsten Ecke verschwand. Siebels riss ihn aus seinen Träumen.
»Hey, alter Schwede, die Frau ist zuständig für Zuhälterei und Prostitution, die ist eine Nummer zu groß für dich.«
»Wenn du dich da mal nicht täuschst. Außerdem bin ich kein alter Schwede, aber vielleicht einmal der Vater von einem viertel Schweden.«
Siebels musste laut lachen. Er schaute auf die Uhr. »Es ist ja schon 15:30 Uhr, in einer halben Stunde kommen Peter Niehaus und seine Frau. Ich werde mit ihnen in die Gerichtsmedizin fahren, zur Identifizierung. Und anschließend will ich mich noch mit ihnen hier unterhalten.«
»Apropos Niehaus, mein Besuch bei Sven Fischer heute Vormittag war ganz interessant. Der Typ ist schwul und damit wohl raus aus dem Rennen. Aber mit dem Namen Niehaus wusste er einiges anzufangen. Die haben bei der F.A.Z. vor längerer Zeit über Niehaus recherchiert. Es ging um äußerst merkwürdige Geschäftsbeziehungen zwischen Niehaus und der Deutschen Bank. Außerdem war er einer der Strippenzieher bei Börsengängen von zweifelhaften Unternehmen am Neuen Markt.« Till erzählte Siebels die ganze Geschichte.
»Es wäre vielleicht nicht schlecht, wenn du später dabei bist, wenn ich die Eltern hier noch einmal befrage.«
»Und was soll ich bis dahin machen?«
»Schau bei den Kollegen von der Spurensicherung vorbei, erkundige dich, ob in Tanjas Wohnung noch etwas Interessantes gefunden wurde. Und dann ruf mal bei der Deutschen Bank an. Finde heraus, wer Tanjas Abteilungsleiter oder Personalchef war und mach einen Termin für morgen aus. Am besten zwischen 9:00 und 10:00 Uhr.«
»Wird erledigt Chef.«
7
Pünktlich um 16:00 Uhr betraten Peter und Maria Niehaus das Büro von Till und Siebels. Siebels begrüßte die beiden, sie sahen nicht so aus, als hätten sie letzte Nacht viel Schlaf gefunden. Die Ähnlichkeit zwischen Tanja Niehaus und ihrer Mutter war verblüffend. Siebels schätzte die Frau auf Mitte bis Ende vierzig. Sie war immer noch eine wunderschöne Frau, hatte kein Gramm Fett zu viel auf dem Leib. Ihre Augen waren gerötet, scheinbar hatte sie viel geweint in den letzten Stunden. Die hellblonden Haare trug sie in einem Knoten. Sie wirkte elegant in ihrem grauen Kostüm, man merkte ihr zweifellos an, dass sie vermögend war. Wahrscheinlich war sie schon in eine wohlhabende Familie hineingeboren worden. Peter