Das tödliche Spiel. Stefan Bouxsein

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Название Das tödliche Spiel
Автор произведения Stefan Bouxsein
Жанр Языкознание
Серия Mordkommission Frankfurt
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783939362104



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       »Das ist mein kleines Rückzugsgebiet«, sagte er kleinlaut.

       Ich beachtete ihn erst mal nicht, sondern verschaffte mir einen Überblick über seine Behausung. Es war bestenfalls eine Studentenbude auf Bafögniveau.

       »Warum fickst du sie denn nicht mehr?«, fragte ich wie beiläufig und betrachtete mir sein Schlafzimmer. Er trottete hinter mir her.

       »Wir haben uns auseinandergelebt«, sagte er kurz angebunden.

       Ich öffnete seinen Kleiderschrank, nahm vereinzelte Wäschestücke heraus, betrachtete sie mir eingehend, roch daran und ließ sie dann achtlos zu Boden fallen. »Wen fickst du jetzt?«, fragte ich frei heraus.

       Er sah verblüfft zu, wie ich nach und nach seine Wäsche aus dem Schrank nahm und sie auf dem Fußboden verteilte.

       »Ich brauche etwas Zeit für mich«, sagte er, setzte sich auf sein Bett und sah zu, wie der Inhalt seines Kleiderschrankes auf dem Fußboden landete.

       »Du brauchst eine Frau«, gab ich ihm zur Antwort.

       »Was machst du da?«, fragte er verwirrt.

       Ich ließ gerade sein letztes Hemd auf den Boden fallen, dann war sein Schrank leer. »Hast du eine Zigarette für mich?«, fragte ich, drehte mich um und lief über seinen Kleiderhaufen.

       »Zieh dich aus«, sagte er mit gierigem Blick. Ich brach in schallendes Gelächter aus.

       »Räum deinen Schrank wieder ein«, sagte ich vergnügt und setzte mich rauchend auf sein Bett. Philipp von Mahlenburg entpuppte sich als artiger Junge und räumte seine Klamotten wieder ordentlich zusammengelegt in den Schrank. »Mich fickst du nicht«, machte ich ihm umgehend klar, als er fertig war. Die Enttäuschung stand ihm ins Gesicht geschrieben.

       »Warum bist du dann hier?«, fragte er beleidigt.

       Ich kramte das Foto aus meiner Tasche und hielt es ihm vor die Nase.

       »Wer ist das?«, fragte er neugierig.

       »Ihr Name und ihre Adresse stehen auf der Rückseite«, gab ich ihm zur Antwort. Er drehte das Foto herum und sah mich fragend an.

       »Ich möchte, dass du sie fickst«, klärte ich ihn auf. Er betrachtete sich wieder das Foto. Dann schaute er mich an. Ich ging einen Schritt auf ihn zu, stand ganz dicht vor ihm, schaute ihm tief und eindringlich in die Augen, spürte, wie er weiche Knie bekam. »Schaffst du das, Philipp von Mahlenburg?«

       »Natürlich«, sagte er mit trockener Kehle. »Wenn du es willst.«

       »Ich will es«, gab ich ihm noch einmal nachdrücklich zu verstehen. »In spätestens einer Woche bist du ihr Geliebter. Ich melde mich wieder. Enttäusche mich nicht.« Ich ließ ihn stehen und verließ seinen Hamsterkäfig. Mein Plan nahm langsam konkrete Formen an.

      Siebels fuhr nach seinem Besuch bei Dr. Ritter zurück nach Frankfurt ins Präsidium und schrieb die ersten Berichte zum neuen Fall. Anna Lehmkuhl hatte eine E-Mail geschrieben. Die ersten Untersuchungen am Leichnam von Beate Sydow haben nichts Neues ergeben, aber das bestätigt, was sie am Tatort bereits vermutet hatte. Den abschließenden Bericht sollte Siebels in ein bis zwei Tagen bekommen. Als Siebels seinen Bericht getippt hatte, rief er Till auf dessen Handy an.

      »Was sagt unser Casanova?«, wollte Siebels wissen.

      »Er wurde von Frau Sydow ausgenutzt. Man muss aber sehr tief in seinen Zeilen lesen, um das zu verstehen. Irgendwas stimmt mit ihm nicht, aber ich bin mir nicht ganz sicher, was. Er weigerte sich beharrlich, mir zu erzählen, wem er seine zehn Bücher vermacht hat. Als ich ein wenig nachgebohrt habe, hat er wenigstens zugegeben, dass er den Frauen aus seinem Buch jeweils ein Exemplar geschickt hat. Was mit den restlichen sechs Stück passiert ist, wollte er mir partout nicht erzählen. Vielleicht sollten wir den Kerl mal eine Weile observieren.«

      »Hmm«, brummte Siebels. »Morgen befragen wir erst mal Nadja Sydow und dann sehen wir weiter. Kommst du noch mal ins Büro?«

      »Ich wollte gleich in die Gerichtsmedizin und Frau Lehmkuhl fragen, ob es etwas Neues gibt.«

      Siebels erzählte nichts von der E-Mail, die Anna Lehmkuhl bereits geschrieben hatte. Sollte Till sich doch die Hörner abstoßen. »Mach das, wir sehen uns dann morgen.«

      Das Kamasutra-Buch lag auf dem Schreibtisch. Siebels nahm es zur Hand und las die Informationen über die Autorin.

      Maja Mertens, geboren 1983 in Wiesbaden, arbeitet seit drei Jahren bei dem Verlag Anton Hubertus Möllenbeck und betreut dort die hauseigenen Autoren. 2008 brachte sie ihre vielbeachteten Interpretationen zum Kamasutra heraus, dem weltweit bekannten indischen Lehrbuch über die sexuelle Vereinigung zweier Menschen. Maja Mertens beschreibt mit einfachen Worten die Vor- und Nachteile der vielfältigen Stellungen beim Liebesakt und haucht dem Kamasutra somit in Deutschland neues Leben ein.

      Siebels betrachtete sich das Foto der Autorin und fragte sich, auf welche Weise sie für das Buch recherchiert hatte. Er blätterte in dem Buch und betrachtete sich die Zeichnungen und Bilder der vielen Stellungen beim Liebesakt. Manchmal fragte er sich, wie man sich dabei lieben konnte, ohne sich die Knochen zu brechen. Interessiert las er Maja Mertens Kommentare zu der einen und anderen Stellung, die sie immer erst aus Sicht der Frau und dann aus der Sicht des Mannes wiedergab. Siebels vergas die Zeit und las fast das ganze Buch. Die Melodie von der Biene Maja holte ihn schließlich in die Realität zurück. Seine zukünftige Frau, Sabine Karlson, hatte ihn angerufen.

      »Kannst du dich noch daran erinnern, was wir heute machen wollen?«, fragte sie ihn.

      Mit einem Schreck fiel es Siebels wieder ein. »Die Hochzeitsplanung. Denkst du vielleicht, so etwas vergesse ich?«

      »Genau das denke ich.«

      Eine Dreiviertelstunde später saß Siebels am Küchentisch im trauten Heim. Sohn Dennis hatte er noch in den Schlaf gewiegt. Nun trank er ein Bier aus der Flasche und sah Sabine erwartungsvoll an. Sie saß mit Kugelschreiber und Block am Tisch.

      »Wen willst du alles einladen?«, fragte sie und machte sich bereit zum Mitschreiben.

      Siebels schaute sie nachdenklich an. »Na ja, Till halt eben. Und Charly.«

      Sabine legte den Kugelschreiber zur Seite. »Till und Charly. Das ist alles? Mehr Leute kennst du nicht?«

      »Staatsanwalt Jensen lade ich nicht ein«, gab Siebels mit breiter Brust von sich.

      »An den hatte ich auch nicht gedacht. Eher an Kollegen, Freunde, Bekannte, Verwandte. Da muss es doch noch mehr geben als Charly und Till.« Sabine schüttelte den Kopf.

      »Meine Exfrau werde ich wohl kaum einladen«, mokierte sich Siebels und nahm einen großen Schluck Bier zu sich.

      »Aber vielleicht deine Tochter?«

      Siebels verschluckte sich am Bier, bekam einen Hustenanfall und spuckte das Bier wieder auf den Küchentisch. Sabine schüttelte erneut den Kopf, holte einen Lappen und wischte die Sauerei weg.

      »Ich weiß nicht, ob meine Tochter Lust hat, auf unsere Hochzeit zu kommen. Sie wird bald achtzehn. Ich habe sie schon seit zwei Jahren nicht mehr gesehen.«

      »Dann wird es ja wohl mal wieder Zeit. Ruf sie an.«

      »Ja, ja. Ich rufe sie an. Am Wochenende.«

      »Nein. Jetzt.« Sabine holte das schnurlose Telefon in die Küche und legte es auf den Tisch. Siebels betrachtete das Telefon, machte aber keine Anstalten, es in die Hand zu nehmen.

      »Was ist los? Ruf sie an.«

      »Vielleicht hat sie einen Freund?«

      »Na und? Den kannst du dann gleich mit einladen.«

      »Anna