Lavinia. Жорж Санд

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Название Lavinia
Автор произведения Жорж Санд
Жанр Зарубежная классика
Серия
Издательство Зарубежная классика
Год выпуска 0
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      Lavinia

Brief

      »Dürfte es nicht angebracht sein, Lionel, da Sie sich verheirathen, uns gegenseitig unsere Briefe und Portraits zurückzugeben? Da der Zufall uns einander nahe bringt, und wir heute nach zehn Jahren himmelweiter Trennung nur wenige Meilen von einander entfernt sind, ist es leicht. Sie kommen zuweilen nach Saint-Sauveur, hat man mir erzählt – ich verweile wenigstens acht Tage dort und hoffe demnach, daß Sie sich im Laufe der nächsten Woche mit dem von mir zurückgeforderten Paquet hier einfinden werden. Ich wohne im Haus Estabanette am Fuße des Wasserfalls. Schicken Sie die mit der Botschaft beauftragte Person dorthin; sie wird Ihnen ein ähnliches Paquet zurückbringen, das ich für Sie zum Austausch bereit halte.«

Antwort»Madame!

      »Das Paquet, welches ich Ihnen übersenden soll, liegt mit Ihrer Adresse versehen, hier versiegelt. Da ich sehe, daß Sie nicht bezweifelten, es würde an dem Tage und dem Orte, an dem die Rückforderung Ihnen beliebte, mir zu Händen sein, bin ich Ihnen sicherlich zu Dank verpflichtet.

      »Aber muß ich es denn persönlich nach Saint-Sauveur bringen, Madame, um es dann den Händen eines Dritten anzuvertrauen, der es Ihnen zustellen soll? Wäre es nicht einfacher, mich nicht an Ihrem Wohnsitze der Aufregung, Ihnen so nahe zu sein, auszusetzen, da Sie mir das Glück einer Zusammenkunft bei dieser Gelegenheit nicht zu bewilligen gedenken? Wäre es nicht besser, das Paquet einem Boten anzuvertrauen, von dem ich sicher bin, daß er es nach Saint-Sauveur bringt? Ich erwarte daraufhin Ihre Befehle, Madame. Wie sie auch seien, ich werde mich ihnen blindlings unterwerfen.«

Brief

      »Daß meine Briefe zufällig in diesem Augenblick Ihnen zu Händen wären, Lionel, wußte ich, da mein Cousin Henry mir sagte, er habe Sie in Bagnères gesehen und diesen Umstand von Ihnen erfahren. Es freut mich sehr, daß Henry, der, wie alle Schwätzer, ein wenig lügt, mich nicht getäuscht hat. Das Paquet selbst nach Saint-Sauveur zu bringen, bat ich Sie, weil dergleichen Botschaften in von Schleichhändlern unsicher gemachten Gebirgen nicht leichtsinnig einer Gefahr ausgesetzt werden dürfen; denn diese Schmuggler nehmen alles, was ihnen unter die Hände kommt. Da ich Sie kenne als einen Mann, der anvertrautes Gut wacker zu vertheidigen weiß, kann ich nichts Besseres zu meiner Beruhigung thun, als Sie selbst zum Bürgen für das machen, was mich interessirt. Eine Zusammenkunft bot ich Ihnen nicht an, da ich Ihnen dadurch den schon an sich peinlichen Weg, den ich von Ihnen verlangte, noch unangenehmer zu machen fürchtete. Da Sie aber mit Leidwesen an diese Zusammenkunft zu denken scheinen, bin ich es Ihnen schuldig und bewillige Ihnen diese schwache Entschädigung. Und da ich nicht wünsche, daß Sie dem Warten kostbare Zeit opfern, will ich Ihnen für diesen Fall den Tag bestimmen, damit Sie mich nicht abwesend finden. Seien Sie also am 15. Abends 9 Uhr in Saint-Sauveur. Warten Sie bei mir zu Hause auf mich und lassen Sie mich durch meine Negerin benachrichtigen. Ich werde sofort erscheinen. Das Paquet wird bereit liegen. – Adieu.«

      Sir Lionel wurde von der Ankunft dieses zweiten Billets unangenehm berührt. Es überrumpelte ihn gerade bei dem Project zu einer Reise nach Luchon, wobei die schöne Miß Ellis, seine Verlobte, sehr auf seine Begleitung rechnete. Der Ausflug mußte entzückend werden. In den Bädern gelingen die Lustfahrten beinahe stets, weil sie so rasch einander folgen, daß man nicht Zeit hat, sie vorzubereiten, weil das Leben hastig, lebhaft, unvorhergesehen vorüberbraust, und weil das beständige Hinzukommen neuer Gefährten den geringsten Kleinigkeiten einer Festlichkeit den Charakter des Unvorhergesehenen verleiht.

      Sir Lionel amüsirte sich also in den Bädern der Pyrenäen, so weit es für einen guten Engländer schicklich ist, sich überhaupt zu amüsiren. Zudem war er ganz leidlich in den üppigen Wuchs und die erquickliche Mitgift der Miß Ellis verliebt, und seine Fahnenflucht angesichts eines Schauritts von so außerordentlicher Bedeutung (Fräulein Ellis hatte einen sehr schönen Navarreser Apfelschimmel aus Tarbes kommen lassen, den sie an der Spitze der Caravane glänzen lassen wollte) konnte seinen Heirathsprojecten verderblich werden. Sir Lionels Lage war gleichwol eine schwierige, denn er war ein Mann von feinstem Ehrgefühl. Daher suchte er seinen Freund Sir Henry auf, um ihn von dem Gewissensfall in Kenntniß zu setzen.

      Um aber den jovialen Henry zu ernster Aufmerksamkeit zu zwingen, begann er, mit ihm zu zanken.

      »Sie leichtsinniger Schwätzer!« schrie er ihn gleich beim Eintreten an. »Es verlohnte sich wol der Mühe, Ihrer Cousine mitzutheilen, daß ihre Briefe in meinen Händen wären! Nie haben Sie ein verfängliches Wort auf der Zunge behalten können! Sie sind gerade wie ein Gießbach, der eben soviel ausströmt, als er einnimmt, wie einer jener unverschloßnen Vasen, die die Statuen der Flußgötter und Najaden schmücken: der Guß, der sie durchströmt, nimmt sich nicht zum Ruhen Zeit« – – –

      »›Sehr gut, Lionel!« rief der junge Mann. »Ich sehe Sie gern in einem Anfall von Wuth: das macht Sie poetisch. In diesem Augenblick sind Sie selbst ein Gießbach, ein Fluß von Metaphern, ein Strom der Beredsamkeit, ein Meer von Allegorien‹« – –

      »Ha! es handelt sich jetzt wol um einen Scherz!« schrie Lionel wüthend. »Wir reiten nicht nach Luchon!«

      »›Wir reiten nicht nach Luchon – wer hat das gesagt?‹«

      »Wir reiten nicht dorthin, Sie und ich! Das sage ich Ihnen!«

      »›Sprechen Sie Ihrerseits soviel Sie wollen, ich für mein Theil bin Ihr sehr ergebener Diener.‹«

      »Ich gehe nicht dorthin und folglich auch Sie nicht. Sie haben einen Fehler begangen, Henry, den müssen Sie wieder gut machen. Sie haben mir eine abscheuliche Unannehmlichkeit auf den Hals geladen – nun fordert Ihr Gewissen, daß Sie mir sie tragen helfen. Sie diniren mit mir in Saint-Sauveur.«

      »›Der Teufel hole mich, wenn ich's thue!‹« rief Henry. »›Seit gestern Abend bin ich närrisch in die kleine Bordeauxerin verliebt, über die ich mich noch gestern Morgen lustig machte. Ich reite nach Luchon, da sie dahin reitet. Sie wird meinen Yorkshire besteigen, und Ihr großes Habichtsgesicht, Miß Margaret Ellis, wird vor Eifersucht bersten.‹«

      »Hören Sie, Henry,« sagte Lionel mit ernster Miene. »Sie sind mein Freund?«

      »›Ohne Frage! Das ist bekannt. Es ist unnütz, in diesem Augenblick der Freundschaft wegen in Rührung zu zerfließen. Mir ahnt, daß dieser feierliche Eingang mich veranlassen soll‹« – –

      »Hören Sie mich an, sage ich Ihnen, Henry. Sie sind mein Freund, Sie freuen sich über die glücklichen Ereignisse meines Lebens, und ich denke, Sie würden es sich nicht leichthin verzeihen, wenn Sie mir einen Nachtheil, ein wirkliches Unheil zugefügt hätten?«

      »›Nein, auf Ehre nicht! Aber warum handelt es sich denn?‹«

      »Nun, Sie machen möglichen Falls meine Heirath zu Wasser, Henry.«

      »›Gehen Sie doch! Nur weil ich meiner Cousine sagte, Sie wären im Besitz ihrer Briefe, und weil dieselbe sie von Ihnen zurückverlangt? Welchen Einfluß kann Lady Lavinia nach zehnjährigem, gegenseitigen Vergessen auf Ihr Leben ausüben? Sind Sie so dünkelhaft, daß Sie meinen, sie habe sich über Ihre Untreue nicht getröstet? Zum Teufel, Lionel, das ist zu gewissenhaft! Das Uebel ist nicht so groß! Glauben Sie nur, es ist nicht ohne Heilmittel gewesen‹« – –

      Henry zupfte bei diesen Worten nachlässig an seiner Cravatte und warf einen Blick in den Spiegel, zwei Bewegungen, die in der heiligen Sprache der Pantomime leicht zu deuten sind.

      Diese Lection über Bescheidenheit aus dem Munde eines Menschen, der noch eitler war, als er, erzürnte Sir Lionel.

      »Ich werde mir nie eine Bemerkung über Lady Lavinia erlauben,« sagte er, indem er seinen Unmuth zu unterdrücken strebte. »Das Gefühl verletzter Eitelkeit wird mich nie bewegen, den Ruf einer Frau zu beflecken, selbst wenn ich nie Liebe zu dieser Frau empfunden hätte.«

      »›Das ist durchaus bei mir der Fall,‹« entgegnete Sir Henry leichtsinnig. »›Ich habe sie nie geliebt und bin nie auf die eifersüchtig gewesen, welche sie besser zu behandeln wußte als mich. Ueberdies habe ich gegen die Tugend meiner glorreichen Cousine nichts einzuwenden – nie habe ich sie ernstlich zu erschüttern versucht‹« – –

      »Henry, Sie haben ihr diese Gnade widerfahren lassen? Da muß sie Ihnen wirklich dankbar sein!«

      »›Nun genug, Lionel! Wovon reden wir, was wollten Sie mir sagen? Gestern schienen Sie gegen die Erinnerung an Ihre erste Liebe sehr wenig pietätvoll zu sein: rückhaltslos lagen Sie vor der strahlenden