Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. Zehnter Band: enthaltend Kapitel 19 und 20.. Томас Бабингтон Маколей

Читать онлайн.
Название Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. Zehnter Band: enthaltend Kapitel 19 und 20.
Автор произведения Томас Бабингтон Маколей
Жанр История
Серия
Издательство История
Год выпуска 0
isbn



Скачать книгу

der Revolution hatte der Reichthum der Nation rasch zugenommen. Tausende von geschäftsthätigen Leuten fanden jede Weihnachten, daß, nachdem die Ausgaben des Jahreshaushalts von dem Jahreseinkommen bestritten waren, ein Ueberschuß blieb, und wie sie diesen Ueberschuß anlegen sollten, war eine ziemlich schwer zu beantwortende Frage. In unsrer Zeit ist es die Sache einiger Minuten, einen solchen Ueberschuß zu etwas mehr als drei Procent gegen die beste Sicherheit, die die Welt je gekannt hat, unterzubringen. Im 17. Jahrhundert aber war ein Advokat, ein Arzt oder ein vom Geschäft zurückgetretener Kaufmann, der sich einige Tausende erspart hatte und sie sicher und nutzbar anlegen wollte, oft in großer Verlegenheit. Drei Generationen früher kaufte Jemand, der sich im Geschäft Vermögen erworben hatte, in der Regel Grundeigenthum oder lieh seine Ersparnisse auf Hypothek aus. Aber die Anzahl der Acker Landes im Königreiche war die nämliche geblieben und der Werth des Bodens war zwar beträchtlich gestiegen, aber doch keineswegs in so rascher Progression als die Masse des auf Verwendung harrenden Kapitals zugenommen hatte. Viele wünschten auch ihr Geld so anzulegen, daß sie jeden Augenblick darüber verfügen konnten, und sie sahen sich nach einer Gattung Eigenthum um, das sich leichter cediren ließ als ein Haus oder ein Stück Feld. Ein Kapitalist konnte zwar auf Bodmerei oder auf persönliche Sicherheit ausleihen, aber wenn er dies that, lief er stets große Gefahr, Zinsen und Kapital zu verlieren. Es gab ein paar Actiengesellschaften, unter denen die Ostindische Compagnie die erste Stelle einnahm; aber die Nachfrage nach den Papieren dieser Compagnie war bei weitem größer als das Angebot. Das Verlangen nach einer neuen Ostindischen Compagnie ging in der That hauptsächlich von Leuten aus, denen es schwer geworden war, ihre Ersparnisse gegen gute Sicherheit zinsbar anzulegen. Diese Schwierigkeit war so groß, daß die Gewohnheit, baares Geld aufzusammeln, allgemein war. Es wird uns erzählt, daß der Vater des Dichters Pope, der sich zur Zeit der Revolution von seinem Geschäft in der City zurückzog, auf seinen Landsitz eine Geldkasse mitnahm, welche nahe an zwanzigtausend Pfund enthielt, und daß er von Zeit zu Zeit herausnahm, was er zur Bestreitung seiner häuslichen Bedürfnisse brauchte, und es ist sehr wahrscheinlich, daß dies kein vereinzelter Fall war. Gegenwärtig ist die Quantität des von Privatpersonen aufgesammelten gemünzten Geldes so unbedeutend, daß es, wenn es in den Verkehr käme, keine merkliche Vermehrung der Geldcirculation hervorrufen würde. Zu Anfang der Regierung Wilhelm’s III. aber waren alle renommirten Schriftsteller über den Geldumlauf der Meinung, daß eine sehr beträchtliche Masse Gold und Silber in geheimen Schubkästen und hinter Wandgetäfel verborgen sei.

      Die natürliche Folge dieses Standes der Dinge war, daß eine Menge Projectenmacher, geistreiche und alberne, rechtschaffene und betrügerische, sich damit beschäftigten, neue Pläne zur Anlegung des überflüssigen Kapitals zu ersinnen. Es war im Jahre 1688, daß man das Wort Stockjobber zum ersten Male in London hörte. In dem kurzen Zeitraume von vier Jahren entstanden eine Masse Compagnien, deren jede den Actienzeichnern zuversichtlich die Hoffnung auf enormen Gewinn eröffnete: die Versicherungscompagnie, die Papiercompagnie, die Darmsaitencompagnie, die Perlenfischereicompagnie, die Glasflaschencompagnie, die Alauncompagnie, die Kohlenblendecompagnie, die Degenklingencompagnie. Es gab eine Tapetencompagnie, welche bald hübsche Wandbekleidungen für die Besuchszimmer der mittleren Stände und für die Schlafzimmer der höheren liefern wollte. Es gab eine Kupfercompagnie, welche die Minen England’s auszubeuten gedachte und die Hoffnung aussprach, daß sich dieselben nicht minder werthvoll erweisen würden als die von Potosi. Es gab eine Tauchercompagnie, die sich anheischig machte, werthvolle Gegenstände von untergegangenen Schiffen zu Tage zu fördern, und welche verkündigte, daß sie einen Vorrath wunderbarer Maschinen angeschafft habe, welche vollständigen Rüstungen glichen. Vorn am Helme befand sich ein großes Glasauge, gleich dem eines Cyclopen, und von der Helmspitze ging eine Röhre aus, durch welche die Luft eingelassen wurde. Der ganze Prozeß wurde auf der Themse öffentlich gezeigt. Elegante Herren und Damen wurden zu dem Schauspiele eingeladen, gastlich bewirthet und durch den Anblick erfreut, wie die Taucher in ihrer Rüstung in den Fluß hinabstiegen und mit altem Eisen und Schiffsgeräth wieder heraufkamen. Es gab eine Grönlandsfischereicompagnie, welche unfehlbar die holländischen Wallfischjäger und Heringsbüsen aus den nordischen Meeren verdrängen mußte. Es gab eine Gerbereicompagnie, welche Leder zu liefern versprach, das vorzüglicher sein sollte als das beste türkische und russische. Es gab eine Gesellschaft, die es auf sich nahm, jungen Gentlemen unter billigen Bedingungen eine liberale Ausbildung angedeihen zu lassen und die sich den hochtrabenden Namen Royal Academies Company beilegte. In einer pomphaften Ankündigung wurde bekannt gemacht, daß die Directoren der „Königlichen Academiencompagnie” die besten Lehrer in jedem Zweige des Wissens engagirt hätten und auf dem Punkte ständen zwanzigtausend Loose zu zwanzig Schilling auszugeben. Es sollte eine Lotterie sein mit zweitausend Gewinnen und die glücklichen Treffer der Gewinne sollten auf Kosten der Gesellschaft Latein, Griechisch, Hebräisch, Französisch, Spanisch, die Kegelschnittlehre, Trigonometrie, Heraldik, Lackirkunst, Befestigungskunst, Buchhaltung und die Kunst, auf der Theorba zu spielen, erlernen. Einige von diesen Gesellschaften mietheten große Gebäude und druckten ihre Ankündigungen in goldenen Lettern. Andere bescheidenere begnügten sich mit Tinte und versammelten sich in Kaffeehäusern in der Nähe der Börse. Bei Jonathan und Garraway wimmelte es beständig von Mäklern, Käufern und Verkäufern, von sich versammelnden Directoren und Actionären. Bald kamen die Zeitkäufe in die Mode. Es wurden ausgedehnte Combinationen aufgestellt und monströse Fabeln in Umlauf gebracht, um den Preis der Actien hinaufzutreiben oder herunterzudrücken. Unser Vaterland war zum ersten Male Zeuge der Erscheinungen, mit denen eine lange Erfahrung uns vertraut gemacht hat. Eine Manie, deren Symptome im Wesentlichen dieselben waren, wie die der Manie von 1720, der Manie von 1825 und der Manie von 1845, ergriff das Publikum. Eine Sucht, schnell reich zu werden, eine Geringschätzung des kleinen aber sicheren Gewinns, welche der gebührende Lohn der Betriebsamkeit, der Ausdauer und der Sparsamkeit sind, verbreiteten sich durch die ganze Gesellschaft. Der Geist der betrügerischen Würfelspieler von Whitefriars bemächtigte sich der ernsten Senatoren der City, der Gildenvorsteher, der Deputies und Aldermen. Es war viel leichter und viel einträglicher, einen lügenhaften Prospectus auszugeben, der ein neues Actienunternehmen ankündigte, unwissende Leute zu überreden, daß die Dividenden nicht unter zwanzig Procent betragen könnten und fünftausend Pfund dieses imaginären Gewinns für zehntausend Stück solide Guineen hinzugeben, als ein Schiff mit einer gutgewählten Ladung für Virginien oder die Levante zu befrachten. Jeden Tag trat eine neue Blase ans Licht, stieg lustig empor, schimmerte glänzend, zerplatzte und war vergessen.85

      Die neue Form, welche die Gewinnsucht angenommen hatte, lieferte den humoristischen Dichtern und Satyrikern einen vortrefflichen Stoff, und dieser Stoff war ihnen um so willkommener, weil einige der gewissenlosesten und glücklichsten von dieser neuen Gattung von Spielern Männer in schwarzen Röcken und mit schlichten Haaren waren, Männer, welche die Spielkarten Bücher des Teufels nannten, Männer, die es für eine Sünde und Schande hielten, einige Pence am Triktrakbret zu gewinnen oder zu verlieren. In Shadwell’s letztem Drama wurde die Heuchelei und Schurkerei dieser Spekulanten zum ersten Male dem öffentlichen Spotte preisgegeben. Er starb im November 1692 kurz vor der ersten Aufführung seiner „Stockjobbers,” und der Epilog wurde von einem Schauspieler in Trauerkleidern gesprochen. Die beste Scene ist die, in welcher vier oder fünf starre Nonconformisten in vollständigem puritanischen Costüm, nachdem sie die Prospecte der Mausefallencompagnie und der Flohtödtungscompagnie discutirt haben, die Frage besprechen, ob die Gottseligen gesetzmäßigerweise Actien einer Compagnie zur Herbeischaffung chinesischer Seiltänzer haben dürften. „Angesehene Leute haben Actien,” sagt ein ernster Mann mit kurzgeschorenen Haaren und mit Bäffchen; „aber ich bin wahrhaftig in Zweifel, ob es erlaubt ist oder nicht.” Diese Zweifel werden durch einen trotzigen alten Rundkopfobersten gehoben, der bei Marston Moor gefochten hat und der seinen schwächeren Bruder daran erinnert, daß die Heiligen für ihre Person den Seiltanz nicht anzusehen brauchten und daß aller Wahrscheinlichkeit nach überhaupt gar kein Seiltanz zu sehen sein werde. „Die Sache scheint Anklang zu finden,” sagt er, „die Actien werden sich gut verkaufen lassen, und dann kann es uns gleichgültig sein, ob die Tänzer kommen oder nicht.” Es ist wichtig, zu bemerken, daß diese Scene dargestellt und applaudirt wurde, bevor noch ein Farthing von der Nationalschuld contrahirt war. So schlecht waren die zahlreichen Schriftsteller unterrichtet, die zu einer späteren Zeit der Nationalschuld das Entstehen des Börsenspiels und aller damit verbundenen Unmoralitäten zuschrieben.



<p>85</p>

Diese Darstellung des Ursprungs des Actienschwindels in der City von London habe ich hauptsächlich nach einer höchst interessanten periodischen Schrift, betitelt: „Collection for the Improvement of Husbandry and Trade, by J. Houghton, F. R. S.” entworfen. Sie ist thatsächlich eine wöchentliche Geschichte der Handelsspekulationen jener Zeit. Ich habe mehrere Jahrgänge durchgesehen. In Nr. 33, vom 17. März 1692/93, sagt Houghton: „Das Kaufen und Verkaufen von Actien ist einer der großen jetzt florirenden Handelszweige. Ich finde aber, daß sehr Viele nichts davon verstehen.” Unterm 13. und 22. Juni 1694 schildert er den ganzen Prozeß des Börsenspiels. Unterm 13. Juli des nämlichen Jahres spricht er zuerst von Zeitkäufen. Wer über die im Texte genannten Compagnien Näheres wissen will, der lese Houghton’s Sammlung und eine 1695 erschienene Flugschrift, betitelt: Angliae Tutamen.