Der Parasit, oder, die Kunst sein Glück zu machen. Friedrich von Schiller

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Название Der Parasit, oder, die Kunst sein Glück zu machen
Автор произведения Friedrich von Schiller
Жанр Драматургия
Серия
Издательство Драматургия
Год выпуска 0
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müssen wissen, Herr Selicour, daß ich bei dem Putz präsidiere.

      Selicour. So kommt die schöne Kunst noch der schönen Natur zu Hilfe – wer könnte da widerstehen?

      Mad. Belmont. Er ist scharmant! Scharmant ist er! Nicht den Mund öffnet er, ohne etwas Geistreiches und Galantes zu sagen. (Geht mit Charlotten.)

      Siebenter Auftritt.

      Selicour. Michel.

      Michel (im Hereintreten). Endlich ist sie fort! – Nun kann ich mein

      Wort anbringen! – Hab' ich die Ehre, mit Herrn Selicour —

      Selicour (grob und verdrießlich). Das ist mein Name!

      Michel. Vergönnen Sie, mein Herr! —

      Selicour. Muß ich auch hier belästigt werden? Was will man von mir?

      Michel. Mein Herr! —

      Selicour. Gewiß eine Bettelei – ein Anliegen. – Ich kann nicht dienen. —

      Michel. Erlauben Sie, mein Herr!

      Selicour. Nichts! Hier ist der Ort nicht – In meinem Cabinet mag man einmal wieder anfragen!

      Michel. Einen so übeln Empfang glaubte ich nicht —

      Selicour. Was beliebt?

      Michel. Ich komme ja gar nicht, um etwas zu bitten – ich komme, dem

      Herrn Selicour meine gehorsame Danksagung abzustatten.

      Selicour. Danksagung? Wofür?

      Michel. Daß Sie meinem Neffen die Stelle verschafft haben.

      Selicour. Was? Wie?

      Michel. Ich bin erst seit gestern hier im Hause, weil mich mein Herr auf dem Lande zurückließ. Als ich Ihnen schrieb, hatte ich nicht die Ehre, Sie von Person zu kennen.

      Selicour. Was Sie sagen, mein Werthester! Sie wären im Dienst des

      Ministers?

      Michel. Sein Kammerdiener, Ihnen zu dienen!

      Selicour. Mein Gott, welcher Irrthum! Monsieur Michel, Kammerdiener,

      Leibdiener, Vertrauter des Herrn Ministers! – Bitte tausendmal um

      Verzeihung, Monsieur Michel! – Wahrhaftig, ich schäme mich – ich bin untröstlich, daß ich Sie so barsch angelassen. Auf Ehre, Monsieur

      Michel! – Ich hielt Sie für einen Commis.

      Michel. Und wenn ich es auch wäre!

      Selicour. Man wird von so vielen Zudringlichen belagert! Man kann es nicht allen Leuten am Rock ansehen. —

      Michel. Aber gegen alle kann man höflich sein, dächt' ich!

      Selicour. Freilich! Freilich! Es war eine unglückliche Zerstreuung! —

      Michel. Eine sehr unangenehme für mich, Herr Selicour!

      Selicour. Es thut mir leid, sehr leid – ich kann mir's in Ewigkeit nicht vergeben —

      Michel. Lassen wir's gut sein!

      Selicour. Nun! Nun! – ich habe Ihnen meinen Eifer bewiesen – der liebe, liebe Neffe, der wäre denn nun versorgt!

      Michel. Eben komm' ich von ihm her; er ist nicht auf den Kopf gefallen, der Bursch!

      Selicour. Der junge Mann wird seinen Weg machen. Zählen Sie auf mich.

      Michel. Schreibt er nicht seine saubre Hand?

      Selicour. Er schreibt gar nicht übel!

      Michel. Und die Orthographie —

      Selicour. Ja! Das ist das Wesen!

      Michel. Hören Sie, Herr Selicour! Von meinem Briefe an Sie lassen Sie sich gegen den gnädigen Herrn nichts merken. Er hat uns, da er zur Stadt reiste, streng anbefohlen, um nichts zu sollicitieren. – Er ist so etwas wunderlich, der Herr!

      Selicour. Ist er das? So! So! – Sie kennen ihn wohl sehr gut, den

      Herrn Minister?

      Michel. Da er auf einem vertrauten Fuß mit seiner Dienerschaft umgeht, so weiß ich ihn auswendig, – und kann Ihnen, wenn Sie wollen, völlige Auskunft über ihn geben.

      Selicour. Ich glaub's! Ich glaub's! Aber ich bin eben nicht neugierig, ganz und gar nicht! Sehen Sie, Monsieur Michel! Mein Grundsatz ist: Handle recht, scheue Niemand.

      Michel. Schön gesagt!

      Selicour. Nun also weiter! Fahren Sie nur fort, Monsieur Michel! —

      Der gute Herr ist also ein wenig eigen, sagen Sie?

      Michel. Er ist wunderlich, aber gut. Sein Herz ist lauter, wie Gold.

      Selicour. Er ist reich, er ist ein Wittwer, ein angenehmer Mann und noch in seinen besten Jahren. – Gestehen Sie's nur – er haßt die Weiber nicht, der liebe, würdige Mann.

      Michel. Er hat ein gefühlvolles Herz.

      Selicour (lächelt fein). He! He! So einige kleine Liebschaften, nicht wahr?

      Michel. Mag wohl sein; aber er ist über diesen Punkt —

      Selicour. Verstehe, verstehe, Monsieur Michel! Sie sind bescheiden und wissen zu schweigen. – Ich frage in der besten Absicht von der Welt; denn ich bin gewiß, man kann nichts erfahren, als was ihm Ehre bringt.

      Michel. Ja! Hören Sie! In einer von den Vorstädten sucht er ein

      Quartier.

      Selicour. Ein Quartier, und für wen?

      Michel. Das will ich schon noch herausbringen. – Aber lassen Sie sich ja nichts verlauten, hören Sie?

      Selicour. Bewahre Gott!

      Michel. Galant war er in der Jugend. —

      Selicour. Und da glauben Sie, daß er jetzt noch sein Liebchen —

      Michel. Das eben nicht! Aber —

      Selicour. Sei's, was es will! Als ein treuer Diener des würdigen Herrn müssen Sie einen christlichen Mantel auf seine Schwachheit werfen. Und warum könnte es nicht eine heimliche Wohlthat sein? Warum das nicht, Herr Michel? – Ich hasse die schlechten Auslegungen – In den Tod hasse ich, was einer übeln Nachrede gleicht. – Man muß immer das Beste von seinen Wohlthätern denken. – Nun! Nun! Nun, wir sehen uns wieder, Monsieur Michel! – Sie haben mir doch meinen trockenen Empfang verziehen? Haben Sie? – Auf Ehre! Ich bin noch ganz schamroth darüber! (Gibt ihm die Hand.)

      Michel (weigert sich). O nicht doch, nicht doch, Herr Selicour! Ich kenne meinen Platz und weiß mich zu bescheiden.

      Selicour. Ohne Umstände! Zählen Sie mich unter Ihre Freunde! – Ich bitte mir das aus, Monsieur Michel!

      Michel. Das werd' ich mich nimmer unterstehen – ich bin nur ein

      Bedienter.

      Selicour. Mein Freund! Mein Freund! Kein Unterschied zwischen uns.

      Ich bitte mir's recht aus, Monsieur Michel!

      (Indem sich Beide becomplimentieren. Fällt der Vorhang.)

      Zweiter Aufzug.

      Erster Auftritt.

      Narbonne und Selicour sitzen.

      Narbonne. Sind wir endlich allein?

      Selicour (unbehaglich). – Ja.

      Narbonne. Es liegt mir sehr viel an dieser Unterredung. – Ich habe schon eine sehr gute Meinung von Ihnen, Herr Selicour, und bin gewiß, sie wird sich um ein Großes vermehren, ehe wir auseinander gehen. Zur Sache also, und die falsche Bescheidenheit bei Seite. Sie sollen in der Diplomatik und im Staatsrecht sehr bewandert sein, sagt man?

      Selicour. Ich habe viel darin gearbeitet, und vielleicht nicht ganz ohne Frucht. Aber für sehr kundig möchte ich mich denn darum doch nicht —

      Narbonne. Gut! Gut! Fürs erste also lassen Sie hören – Welches halten Sie für die ersten Erfordernisse zu einem guten Gesandten?

      Selicour