Название | Der Bienenkönig |
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Автор произведения | Helene Hammerer |
Жанр | Языкознание |
Серия | Romane aus dem Bregenzerwald |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783748591764 |
Als die Zeiger der alten Küchenuhr auf zwölf standen, servierte Rosina Kilian sein Lieblingsessen, Semmelknödel mit Sauerkraut und Bratwürsten. Die Töpfe ließ sie auf dem Herd stehen, um das Essen für Valli warmzuhalten, die erst kurz vor ein Uhr von der Schule kommen würde. Nachdem sie ein wenig abgelegen wohnten, brauchte sie für den Weg ungefähr eine halbe Stunde, je nachdem, wie lange sie und ihre Freundin Bianca herumtrödelten.
„Hast du gesehen, Ambros und Annele sind in Marieles Haus dran“, sagte Rosina. „Annele hat alle Fenster geputzt und Ambros räumt die Tenne aus. „Vielleicht zieht doch jemand ein“, meinte Kilian. „Ich weiß nicht“, zweifelte Rosina, „das Häuschen ist sehr einfach und hat keinerlei Komfort. Mariele hat nie etwas daran gemacht und Ambros will auch nicht viel hineinstecken, nachdem er es nun geerbt hat. Wenn von seinen Kindern jemand dort wohnen wollte, könnten sie es selbst herrichten, hat er gesagt.“ „Vielleicht so grüne Spinner, die zurück zur Natur wollen, oder Feriengäste“, mutmaßte der alte Mann.
Nach dem Essen legte er sich aufs Küchensofa, um sein Mittagsschläfchen zu halten. Dabei konnte ihn auch Valli nicht stören, die wenig später mit der Botschaft, sie habe einen Riesenhunger, in die Küche stürmte. „Bei Marieles Haus steht ein roter Bus“, verkündete sie ihrer Mutter, als sie vor einem vollen Teller saß und sich hungrig über das Essen hermachte. „Mit vollem Mund spricht man nicht!“, ermahnte sie diese, worauf Valli das Gesicht verzog und schnell schluckte. „Meinst du, es ist eine Familie mit Kindern?“, fragte sie hoffnungsvoll. Nachbarskinder zum Spielen zu haben, war ihr zweitgrößter Wunsch, nachdem sie den nach einer kleinen Schwester schon fast aufgegeben hatte. „Ich weiß es nicht“, meinte ihre Mutter und behielt ihre Zweifel für sich, um dem Mädchen die Hoffnung nicht zu nehmen. Es würde früh genug sehen, wer die neuen Nachbarn waren.
Nach dem Essen wusch Rosina das Geschirr ab und Valli, die eigentlich abtrocknen sollte, verschwand im Badezimmer, weil sie angeblich dringend aufs Klo musste. Als ihre Mutter sie einige Zeit später rief, bekam sie keine Antwort und im Badezimmer war auch niemand. Rosina seufzte resigniert. Valli war bestimmt zu Marieles Haus gelaufen, um zu sehen, wer dort war. Dass sie zuerst ihre Hausaufgaben machen sollte, kümmerte sie nicht und damit ihre Mutter es ihr nicht verbieten konnte, fragte sie diese gar nicht erst, ob sie zu den neuen Nachbarn gehen durfte.
Valeria war immer ein hübsches Kind gewesen, mit den blauen Augen und dem dichten hellbraunen Haar ihrer Mutter, der kleinen Nase und dem fein geschwungenen herzförmigen Mund. Sie war zierlich gebaut, bewegte sich leichtfüßig und war fast immer fröhlich, jedenfalls bis vor einem halben Jahr. Mit ihrem zehnten Geburtstag schien sie einen Schalter umgelegt zu haben, sie wurde aufmüpfig und tat oft einfach, was sie wollte. Rosina wusste sich dann keinen Rat und hasste es, mit ihrer Tochter zu streiten. Kilian brummte nur, das werde sich schon alles geben und war ihr keine große Hilfe. Ihre Schwestern munkelten, dass sie das Kind zu sehr verwöhnt habe und ihre Freundin Regina, selbst eine Rebellin, fand es gut, dass Valli ihren Kopf durchsetzte.
Also ging Rosina wieder in den Garten, um die Beete herzurichten, damit sie in den nächsten Tagen das erste Gemüse sähen oder anpflanzen konnte. Es stimmte, vor dem alten Haus am Waldrand neben Ambros' Geländewagen stand ein roter Bus. Obwohl sie auch neugierig war, wer dort wohl einziehen würde, wollte sie auf keinen Fall hinaufgehen und schauen. Es war gut, wieder Nachbarn zu haben, dachte sie und machte sich an die Gartenarbeit. Sie liebte es, an schönen, sonnigen Tagen im Freien zu arbeiten und als Kilian seine Schafe noch hatte, den Tieren zuzuschauen, die friedlich auf der Weide grasten. Nach einem Schlaganfall vor drei Jahren musste Kilian die Schafe verkaufen, weil er der Arbeit nicht mehr gewachsen war und seither einen Stock brauchte, aber sie waren beide froh, dass er überhaupt noch gehen konnte. Jetzt hatten sie nur noch zwanzig Hühner, die in der Wiese herumscharrten und Würmer suchten.
Rosina harkte und rechte die feine Erde glatt. In Gedanken sah sie schon Erbsen und Bohnen wachsen, Karotten, Rote Rüben und Sellerie. Die Ringelblumen, die Malven und die Sonnenblumen wollte sie heuer vor dem Bienenhaus pflanzen, dann sah es dort schön aus und die Bienen hatten ihr Futter gleich vor dem Flugloch. Kilian kam aus dem Haus und meinte, er werde einmal nachsehen, was es bei Ambros Neues gebe. Langsam aber stetig ging er an seinem Stock zum Nachbarhaus. Er hatte keine Angst, neugierig zu wirken. Für ihn war es selbstverständlich, dass man sich für die Angelegenheiten der Nachbarn interessierte und sich auf einen kleinen Plausch mit ihnen traf.
Rosina tat der Rücken weh und so räumte sie ihr Gartenwerkzeug in die Tenne und ging ins Haus. Dort kochte sie sich eine Kanne Kräutertee und aß ein Stück Aniszwieback, einen leichten Biskuitkuchen, den Kilian gern am Nachmittag zu seinem Malzkaffee mochte. Den Tee nahm sie mit in ihr Arbeitszimmer, wo sie Kräuter abfüllte. Auf der Suche nach einer Verdienstmöglichkeit, hatte sie als Valli noch klein war begonnen, Kräuter für Tees, Kräutersalz und Suppenwürze zu sammeln und zu pflanzen, Marmelade und Sirup einzukochen, Kekse zu backen und im Winter die Schafwolle zu verarbeiten. Ihre Produkte verkaufte sie dann jeden zweiten Samstag auf dem Bauernmarkt. Inzwischen wusste sie, was ihre Kunden wollten. Seit dem vergangenen Jahr hielt sie auch drei Bienenvölker, denn Honig war ein begehrtes Produkt. Sobald sie mehr Erfahrung als Imkerin hatte, wollte sie das alte Bienenhaus mit zehn Völkern füllen und dann auch Kerzen und Propolistinktur herstellen und verkaufen.
Mit ihrer Freundin Regina wechselte sie sich immer am Marktstand ab und diese steuerte handbemalte Töpferware, originelle Kissen, Tischtücher und Läufer bei. Gina, wie sie genannt werden wollte, war Künstlerin und besaß im Haus ihrer Eltern in Rossbrunn eine Werkstatt und einen kleinen Laden. Dort kamen jedoch nicht genug Kunden vorbei, also verkaufte sie ihre Produkte zusätzlich auf dem Markt in Dornbirn. Ihr Sohn Antonio war nur einen Tag jünger als Valeria. Sein Vater lebte als Fischer in Sizilien. Für ihn war es undenkbar, nach Österreich zu ziehen und Regina hielt es in Sizilien nicht länger als ein paar Wochen aus. Die beiden jungen Mütter waren auf der Geburtenstation nebeneinander gelegen und freundeten sich sofort an, als sie bemerkten, dass sie beide in einer ähnlichen Situation waren. Valerias Vater, der Chefkoch im Hotel Bären, in dem Rosina gearbeitet hatte, wollte nämlich nichts von seinem Kind wissen und war inzwischen auch über alle Berge.
Rosina füllte Tee in spezielle Teesäckchen, auf die sie geschmackvolle, von Gina entworfene, Etiketten klebte. Da gab es Helios, den Sonnentee, Montana, den Bergkräutertee und Primavera, den Frühlingstee. Plötzlich fiel die Haustür zu und Valli rief: „Mama, wo bist du?“ Gleich darauf stürmte sie ins Arbeitszimmer. „Mama, er heißt Ludwig und er hat schwarze Locken und ist total nett“, sprudelte sie hervor. „Ambros gibt ihm Marieles Haus und er richtet es her und wohnt dann da. Und weißt du was er noch hat?“ Gespannt schaute das Kind seine Mutter an. Diese zuckte die Schultern. „Woher soll ich das wissen?“ „Dreimal darfst du raten“, rief Valeria aufgeregt. „Kinder?“, mutmaßte Rosina. „Nein!“ „Einen Hund?“ Valli schüttelte den Kopf. „Hm“, überlegte ihre Mutter. „Soll ich es dir sagen?“, zappelte das Mädchen herum und konnte nicht mehr warten. „Bienen, er hat Bienen“, platzte es heraus und grinste triumphierend. „Er hat Bienen?“, fragte Rosina verwundert. „Ja, sag ich doch“, bekräftigte ihre Tochter. „Ich hab ihm gesagt, dass du ihn einmal besuchen kommst“, schloss die Kleine selbstgefällig. „Man ladet sich nicht selbst ein“, tadelte ihre Mutter, „und außerdem bist du einfach verschwunden und hast deine Hausaufgaben noch nicht gemacht.“ „Ich hasse Hausaufgaben“, jammerte Valeria und trollte sich widerstrebend in die Küche.
Fünf Minuten später war sie zurück. „Mama, ich weiß nicht wie die Rechnungen gehen.“ „Dann hättest du in der Schule besser aufpassen müssen“, bemerkte diese. „Ich hab aufgepasst und in der Schule hab ich es gekonnt“, behauptete das Mädchen und wie auf Kommando traten Tränen in die blauen Augen. Rosina seufzte, ging aber sogleich mit ihrer Tochter in die Küche, um ihr zu helfen. Mit Engelsgeduld erklärte sie dem Kind alles noch einmal langsam und hoffte, dass Valli es sich bis zum nächsten Tag merken würde. Als sie endlich mit