Find Me. Melody Adams

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Название Find Me
Автор произведения Melody Adams
Жанр Языкознание
Серия Fear Me
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783750222403



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vergab oder nicht, doch dann hatte ich plötzlich Biancas Gesicht vor mir. Ihre großen dunklen Augen, die mich voller Emotionen anblickten, wie sie es so viele Male getan hatten. Wollte ich dies wirklich gegen einen Blick voll Hass oder Angst eintauschen? Die Wahrheit war, dass ich mochte, wie sie mich anblickte. Nein, ich wollte dies nicht verlieren. Mutter hatte recht. Ich musste meine Antworten auf eine zivilisierte Art und Weise bekommen. Deswegen würde ich auch nicht Tony sondern Alessandro mitnehmen. Ich holte tief Luft, ehe ich meiner Mutter antwortete: „Fein! Ich werde ihn nicht anrühren.“

      Mutter atmete sichtlich erleichtert auf. Sie erhob sich aus dem Sessel und trat an mich heran, ihre Hand auf meinen Arm legend.

      „Ich bin sehr müde. Ich werde mich ein wenig hinlegen. Bitte informiere mich umgehend, wenn du Neuigkeiten hast, ja? Ich bete, dass wir Bianca bald heil und unversehrt zurück haben werden. Gott weiß, was dieser Verrückte mit ihr anstellt. Ich mag gar nicht daran ...“

      „MUTTER!“, fiel ich ihr scharf ins Wort, abwehrend eine Hand hebend. „Ich will es nicht hören!“

      Meine Mutter nickte. Zu meinem Erstaunen sah ich eine Träne aus ihrem Auge quellen. Sie hatte nie zuvor in meiner Anwesenheit derart viel Gefühl gezeigt. Mutter war seit Dads Tod stets kühl und distanziert gewesen. Auch wenn ich wusste, dass es nur eine Maske gewesen war, hatte es mich die ersten Jahre als ich noch jünger war sehr geschmerzt. Ich hatte die liebevolle, warmherzige Mutter vermisst, die sie vor Dads Tod gewesen war. Es war, als wäre mit ihm auch seine Frau gestorben. Ich wusste, dass meine Eltern auch nach jahrelanger Ehe noch immer verrückt verliebt gewesen waren. Für Dad hatte Mutter die Welt bedeutet. Und umgekehrt. Jeder trauerte wohl auf seine Weise. Während meine Mutter eine Maske aufgesetzt hatte, hatte ich mich bis zum Extrem in die Freuden des Lebens geworfen. Drogen, Alkohol, Frauen, schnelle Autos – ich hatte alles bis zum Exzess konsumiert. Ich hatte keine Verantwortung gehabt und auch nicht gewollt. Mein älterer Bruder hätte die Geschäfte übernommen, sobald er einundzwanzig geworden wäre. Doch dann wurde Stefano ermordet. Eine Woche vor seinem einundzwanzigsten Geburtstag. Plötzlich war ich damit konfrontiert gewesen, irgendwann den Posten des Paten übernehmen zu müssen. Erneut hatte ich mit meinem Schmerz irgendwie umgehen müssen. Erst Dad, dann Stefano. Ich konnte mich nicht mehr in wilden Partys abreagieren, also wandte ich mich einem anderen Extrem zu: Gewalt. Auf diese Weise hatte ich mir auch meinen Namen gemacht.

      Ich drückte meine Mutter kurz an mich und küsste sie auf die Stirn.

      „Wir bekommen sie zurück, Mutter“, versprach ich, ehe ich sie los ließ. Ich betete im Stillen, dass ich mein Versprechen einhalten konnte.

       Bianca

      

       Stunden zuvor

      In dieser Zelle, oder was auch immer das sein mochte, aufzuwachen war die Hölle.

      „Heeeeey!“, brüllte ich. „Ist da jemand? Heeeeeeeeeeey!“

      Es dauerte eine scheinbar endlose Ewigkeit, bis mein Brüllen jemanden erreicht zu haben schien. Schritte näherten sich, dann ein schmaler Lichtschlitz. Das musste die Tür sein. Ein Schlüssel wurde ins Schloss gesteckt und herum gedreht, dann ging die Tür auf und ein Mann erschien im Türspalt. Das Licht hinter ihm blendete mich für einen Moment und ich konnte die Gestalt nicht genau erkenne. Ich blinzelte mehrfach, bis meine Sicht besser wurde. Ich stieß einen erschrockenen Schrei aus, als in ich ein nur allzu bekanntes Gesicht sah. Sein Mund verzog sich zu einem höhnischen Grinsen.

      „Hallo Prinzessin! Willkommen in deinem neuen Reich. Hast du geglaubt, du könntest mir ewig entkommen, hmm?“

      „Ron“, krächzte ich, und Furcht kroch in meine Glieder.

      Meine Gedanken begannen zu rasen. Was ging hier vor? Steckte etwa Ron hinter meiner Entführung? Was wollte er von mir? Wieso hatte er mich entführt und hielt mich nun hier gefangen? Wieso jetzt? Er hätte mich schon viel eher kidnappen können und viel einfacher. Mich ausgerechnet vom Grundstück des Paten zu entführen war eine riskante Sache gewesen. War es immer noch. Wenn Nicolo mich fand, dann würde er Ron sicher töten. Und er würde sich wahrscheinlich viel Zeit dafür lassen. Doch würde er für mich kommen? Suchte er mich bereits? Und wenn ja, konnte er mich finden? Ich hatte keine Ahnung, wo wir uns befanden. Ich wusste nicht einmal, wie lange die Autofahrt hierher gedauert hatte, da ich ja vollkommen weggetreten gewesen war. Ich könnte mich bereits in einem anderen Bundesstaat befinden. Panik stieg in mir auf.

      In meine Gedanken versunken hatte ich nicht bemerkt, wie Ron näher getreten war. Als er sich plötzlich zu mir herab beugte und mich fest am Arm packte, schrie ich erschrocken auf. Panisch ging mein Blick zu ihm. Einst hatte ich diesen Mann geliebt. Zumindest hatte ich das gedacht. Er war gut aussehend und konnte sehr charmant sein, wenn er wollte. Doch ich hatte auch eine andere, hässliche Seite an ihm kennengelernt. Dies hier war jedoch eine Hässlichkeit ganz neuer Dimension. Mich zu entführen und hier in dieses Loch zu stecken war purer Wahnsinn. Das irre Funkeln in seinen Augen trug auch nicht dazu bei, mich zu beruhigen. Ich war die Gefangene von Il Diabolo gewesen und doch hatte Nicolo mir nicht halb so viel Angst eingeflößt wie Ron.

      „Warum bin ich hier?“, fragte ich mit brüchiger Stimme. „Was willst du von mir?“

      Ron ließ mich los und zog sich einen Stuhl heran, der zusammen mit einem kleinen runden Tisch und der Matratze auf der ich saß, die gesamte Einrichtung der Zelle darstellte. Er setzte sich und sah mich an. Mein Herz klopfte wie wild. Meine Gedanken überschlugen sich. Ich musste hier raus. Ich musste fliehen. Doch solange ich in dieser fensterlosen Zelle gefangen war, hatte ich keine Chance auf Flucht. Ich musste ihn irgendwie dazu bringen, mich aus diesem scheiß Loch herauszubringen. Wenn er mich in einem normalen Raum gefangen halten würde, mit einem Fenster, dann wären meine Fluchtchancen viel größer.

      „Wir gehören zusammen. Du und ich.“

      Rons Stimme war ruhig, sprach die Worte so als wären sie ein unumstrittener Fakt. Es war amtlich. Der Junge war psychisch krank. Mein Impuls war, ihn anzuschreien, ihm zu sagen, dass wir nicht zusammen gehörten, doch dann würde er mich nie hier rauslassen. Er könnte sogar gewalttätig werden. Nein, ich musste die Sache ruhig und vorsichtig angehen.

      „Wir sind seit fast einem Jahr getrennt, Ron“, erwiderte ich ruhiger als ich mich fühlte. „Ich hab mich von dir getrennt und du kennst die Gründe.“

      „Ich wollte dir nicht wehtun“, erklärte er. „Du hast mir keine Chance gegeben, es wieder gut zu machen.“

      Ich musste gegen meinen Willen lachen.

      „Und dies hier?“ Ich deutete mit einer Handbewegung durch den kargen Raum. „Dies ist deine Wiedergutmachung?“

      „Wärst du freiwillig mit mir gekommen, wenn ich dich gefragt hätte?“

      „NEIN!“, erwiderte ich etwas zu heftig.

      Ich bereute meinen Ausbruch sofort, als ich sah, wie seine Miene sich verfinsterte und der Puls an seiner Schläfe zu pochen begann. Ich kannte die Anzeichen. Er würde jeden Moment wieder in den Jähzorn verfallen und mich wahrscheinlich schlagen. Doch dann verschwand das gefährliche Glitzern in seinen Augen und er nickte nur stumm.

      „Siehst du? Deswegen musste ich dich entführen. Du würdest mir sonst nie eine Chance geben dir zu beweisen, wie gut wir zwei zusammen sein können.“

      Ich stand kurz davor, einen hysterischen Lachanfall zu bekommen. War der Typ noch ganz dicht? Wie gut wir zwei zusammen sein konnten? Ich konnte mich noch viel zu gut daran erinnern, wie NICHT GUT wir zusammen waren. Ich hatte aber so das ungute Gefühl, dass es bei ihm nicht so gut ankommen würde, wenn ich lachte. Ich durfte ihn nicht reizen, denn ich hatte vor, dies hier zu überleben und irgendwie hier rauszukommen. Erneut fragte ich mich, ob Nicolo bereits nach mir suchte. Vielleicht glaubte er auch, ich wäre abgehauen. Schlagartig wurde mir flau im Magen als mir bewusst wurde, was dies bedeuten würde. Nicht nur, dass er dann vielleicht nicht nach mir suchen und mich hier nicht rausholen würde, er würde wahrscheinlich auch meinem Vater etwas antun. Verdammt! Ich musste hier so schnell wie möglich verschwinden.