Das Vermächtnis aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen

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Название Das Vermächtnis aus der Vergangenheit
Автор произведения Sabine von der Wellen
Жанр Языкознание
Серия Das Vermächtnis aus der Vergangenheit
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738026344



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Film an“, winke ich verunsichert ab.

      Er kommt ins Zimmer und ich starre ihn erschrocken an.

      „Gut, dann schaue ich mit“, sagt er, als wäre es das normalste der Welt.

      Das ist doch wohl ein Scherz!

      Er steuert direkt das Bett an und ich kann es nicht fassen. Ich will mit ihm auf gar keinen Fall fernsehen und schon gar nicht, wenn wir zusammen dabei auf Ellens Bett liegen müssen. Die bringt mich um … oder ihn, wenn sie das sieht.

      „Okay, ich komme ja!“, zische ich und springe regelrecht von der Matratze.

      Erik schmunzelt und nickt süffisant. War das seine Absicht?

      Er wartet in Seelenruhe ab, bis ich meine Schuhe übergestreift habe und an ihm vorbei durch die Tür schlüpfe.

      Ich muss mir dabei eingestehen, dass ich schon etwas neugierig bin, wer da was für Plätzchen backt.

      Tatsächlich riecht es nach Keksen, als wir die Treppe hinunter in den unteren Wohnbereich gehen und die Küche ansteuern. Es herrscht schon am Eingang reges Treiben, laute Musik und Gelächter. Als wir in den Raum treten, sehen alle auf.

      „Das ist Carolin!“, stellt Erik mich vor, was aber scheinbar niemanden wirklich interessiert. Er schien das auch nur anstandshalber gesagt zu haben.

      Seine Hand in meinem Rücken drängt mich zu einer großen Esstheke weiter und er schiebt mir einen Hocker zurecht.

      Ich setze mich verunsichert und er sagt freundlich: „Ich hole dir etwas zu trinken. Möchtest du etwas Bestimmtes?“

      „Weiß nicht. Vielleicht ein Bier?“, frage ich verunsichert.

      Diese fremden, jungen Leute, die mich mit Desinteresse strafen oder mich sogar herablassend mustern, geben mir das Gefühl, nicht dazuzugehören.

      Erik nickt und verlässt die Küche, was mich etwas irritiert. Ein Mädel steht vor dem offenen Kühlschrank und nimmt ein Bier heraus. An der Tür ist ein integrierter Flaschenöffner, an dem sie gekonnt die Flasche öffnet und damit zu der Gruppe an der Tür Stehender geht, durch die Erik gerade verschwunden ist.

      Mich völlig fehl am Platz fühlend, will ich lieber wieder in Ellens Zimmer gehen, als ein Typ mit einem langen Pferdeschwanz mir einen Teller vor die Nase stellt.

      „Die sind sau gut!“, rühmt er die runden Kekse, die nicht besonders appetitlich aussehen. „Willste?“

      Ich bin über seine fast schon netten Worte irritiert, die er an mich richtet.

      Natürlich nehme ich einen seiner Kekse, wenn er sie mir schon so nett anbietet. Und er schmeckt - wenn man mal von dem seltsamen Nebengeschmack etwas absieht. Aber ich habe Hunger und esse auch noch einen zweiten. Auch der Langhaarige bedient sich und auch andere, die an mir vorbeikommen, greifen beherzt zu.

      Erik taucht wieder auf und lacht, als er mich an einem Keks knabbern sieht. „Braves Mädchen.“ Seine Augen blitzen dabei auf und ich sehe, dass sie heute brauner sind als gestern. Auch sein Blick wirkt klarer. Aber ich weiß nicht, was er meint. Wohl, weil ich hier noch brav sitze.

      Er stellt mir eine Cola hin. „Alkohol gibt es für dich erst mal besser nicht“, sagt er und um seine Mundwinkel spielt ein verschmitztes Lächeln.

      Ich verstehe nicht, was der Ausspruch soll. Aber vielleicht hat Ellen ihm verboten, mir Alkohol zu geben, wenn sie nicht da ist.

      Er nimmt sich auch einen Keks und schiebt mir noch mal den Teller hin.

      Ich nehme auch noch einen und er grinst mich an. Das ist schon alles komisch.

      Als ich fertig gegessen habe, zieht er mich vom Hocker.

      Beunruhigt sehe ich mich um, weil ich nicht weiß, was er vorhat.

      Er beugt sich zu mir vor und raunt: „Komm, wir gehen nach oben.“

      Ich starre ihn verunsichert an. Was hat er nur mit mir. Er soll sich doch um seine Freunde kümmern und nicht um mich. Außerdem will ich nicht mit ihm irgendwohin gehen.

      Er dreht sich mit mürrischem Blick zu mir um, als ich ihm nicht folge, als könne er es nicht fassen. Seine Hand schnellt vor und greift nach meinem Handgelenk, bevor ich es verhindern kann. Sowieso bin ich heute irgendwie nicht besonders auf Zack. Meine Reaktion lässt wirklich zu wünschen übrig und mein Kopf füllt sich mit einem zähflüssigen Nebel. Wahrscheinlich liegt das an der abgestandenen Luft.

      Er zieht mich erbarmungslos hinter sich her … hoch in sein Wohnzimmer.

      Ich will protestieren, weiß aber, dass ich hier und ohne Ellen keine Chance gegen ihn habe. Er füllt groß und stark den kompletten Raum vor mir. Zumindest kommt es mir so vor und mein Herz beginnt ängstlich gegen meine Brust zu hämmern.

      Nur, weil überall junge Leute herumstehen und trinken, rauchen oder sich unterhalten, versuche ich mich zu beruhigen, weil mir eigentlich nichts passieren kann. Trotzdem ist mir klar, dass ich die nächste Gelegenheit nutzen muss, um mich wieder in Ellens Zimmer abzusetzen.

      „Komm, ich möchte tanzen“, höre ich Erik sagen.

      „Oh ne! Nicht tanzen!“, erwidere ich erschrocken, was aber offensichtlich von der lauten Musik verschluckt wird, weil Erik nicht darauf reagiert. Er zieht mich einfach in seine Arme.

      Erik ist ein guter Tänzer, was ich schon am letzten Samstag auf unerfreuliche Weise feststellen musste. Trotz seiner bulligen Gestalt war er sehr vorsichtig mit mir umgegangen, als wäre ich aus Porzellan und hatte mich kaum berührt. Da war sogar Tim, der körperlich fast nur die Hälfte von Erik ist, wesentlich ruppiger mit mir umgegangen.

      Aber ich hatte Schwierigkeiten, die Nähe eines männlichen Wesens zu ertragen – und habe es noch. Zu sehr hatte ich in den letzten zwei Wochen unter ihnen gelitten. Und Marcel fehlt mir schrecklich. Das wird mir in diesem Augenblick auf beängstigende Weise klar und dieses Gefühl gewinnt erschreckend an Intensität.

      Erik zieht mich etwas mehr an sich, sich wohl daran erinnernd, wie ich beim letzten Mal vor ihm geflohen war. Da hatte er nicht damit gerechnet, dass ich mich aus seinem Griff winden werde. Diesmal scheint er schlauer zu sein – oder ehrgeiziger.

      Ich sehe immer wieder zur Tür, ob Ellen nicht bald aufkreuzt, um mich zu retten. Dabei geht es nicht nur um ihren Bruder, der mich im Arm hält, sondern auch um die aufkeimenden Gedanken an Marcel, die meinen Kopf matern. Ob er heute bei der Scheunenfete ist und dort seinen Spaß hat? Zumindest lässt mich der Gedanke daran und an das, was auf der letzten Scheunenfete passiert war, erschauern.

      Mittlerweile bereue ich, dass ich ihm das mit Tim gesagt habe. Ich hatte meine letzte Chance auf ein bisschen Glück damit zerstört.

      Ich schlucke und spüre die Traurigkeit darüber in mir hochkriechen.

      „Alles klar?“, fragt Erik und sieht mir in die Augen, sich etwas zu mir herunterbeugend.

      „Ja sicher!“, seufze ich und verdränge den Gedanken an Marcel. Sogar Tim fehlt mir in diesem Moment. Ich möchte nicht hier sein und in den Armen dieses blondgelockten Bären liegen … und ich will nicht mehr tanzen. Mich haben meine Erinnerungen plötzlich so fest im Griff, dass ich heulen könnte.

      „Können wir bitte aufhören?“, frage ich und klinge jämmerlich.

      „Wenn du mich so lieb bittest.“ Erik sieht grinsend über mich hinweg. In dem Moment erhasche ich einen Blick auf Daniel, der an der Tür steht und zu uns herüberstarrt.

      Ich sehe mich nach Ellen um.

      Erik nickt Daniel zu und der nickt zurück. Daniels Blick wirkt mürrisch und mir fällt wieder ein, dass er mich eigentlich nicht mag.

      Wo Ellen wohl ist? Ich sehe sie nirgends.

      Erik lässt mich los und ich eile an Daniel vorbei rüber in ihre Wohnung. Ich sehe das als meine Chance an, mich aus Eriks Fürsorge zu stehlen, die ich sowieso nicht verstehen kann.

      Ellen ist nicht in ihrem Zimmer und auch