Handbuch der vergleichenden Zivilisatorik. D.Dere

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Название Handbuch der vergleichenden Zivilisatorik
Автор произведения D.Dere
Жанр Изобразительное искусство, фотография
Серия
Издательство Изобразительное искусство, фотография
Год выпуска 0
isbn 9783742772558



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sinnvoll oder angemessen ist. Diesen Verrechnungseinheiten liegt das Maß der planetaren Wertschöpfung zugrunde, bei dem alle Ressourcen, incl. Arbeitsleistungen usw. berücksichtigt sind und über das die Gesamtheit aller Jarganer gleichermaßen als Besitzer diskriminierungsfrei verfügt. Insgesamt wird zwar langfristig eine Nivellierung dieser Arbeitskraft-Gutschriften angestrebt, andrer­seits ist es notwendig, gewisse Anreize zu schaffen, um relativ lange Studienzeiten und Qualifizierungen, die ja für die Beherr­schung von Hochtechnologie notwendig sind, für die Jugend attraktiv zu machen.

      Das planetare Wirtschaftsleben wird dabei durch große "Trusts" bzw. "Stiftungen" dominiert, dem jeweils eine Person als "Wirt­schaftsführer" vorsteht. Sie kann jederzeit, wenn sie gravierende Fehler macht oder man sonst wie das Vertrauen verliert, von der Gesamtbelegschaft durch Mehrheitsvotum, ihres Amtes enthoben werden. Die Aufgabe dieses Trust besteht nicht etwa darin, z.B. auf Kosten anderer, bzw. der vielen kleinen Leute (siehe Erde) möglichst hohe "Gewinne" zu machen, sondern einen ganzen Bereich, wie z.B. die Landwirtschaft, das Energie- oder Ver­kehrswesen u. ä., optimal zu organisieren, zu planen und alle Wechselwirkungen zu anderen Bereichen zum größten Nutzen für die Gesamtheit zu gestalten (der "kleine" Unterschied zu irdi­schen Trusts besteht darin, dass auf der Erde die Aktionäre ent­sprechend ihrer Besitzanteile die Bestimmer sind). Die allgemei­nen Wechselwirkungen umfassen den Naturschutz ebenso wie den kulturellen und sozialen Bereich und man unterscheidet dabei die primären und die sekundären Trusts. So ein jarganischer Trust, der ohne jeden Lobbyismus, Machtkalkül, elitäre Besitzan­sprüche bzw. juristisch verklausulierter Privatinteressen stets tat­sächlich primär am größten Nutzen für die Gesamtbevölkerung orientiert ist, hat Millionen Mitarbeiter und eine relativ hohe Selbstäandigkeit in all seinen Handlungen und Abläufen.

      Alle Leitungsfunktion, egal auf welcher Hierarchieebene, ist aber ein "Ehrenamt" und jeder Leitungskader hat also darüber hinaus seine konkreten elementaren "Arbeitspflichten"; also Arbeitsstun­den, wie alle anderen auch. Bei bestimmten Arbeiten, insbeson­dere bei denen, die nicht so "beliebt" sind, ist es notwendig, dass im Turnus gearbeitet wird, so dass sich dies auf alle Schultern des Bereiches möglichst gerecht verteilt. Das Pensum der monatli­chen "Pflichtarbeit" ist weit geringer als auf der Erde und liegt etwa bei umgerechnet 3 Stunden täglich. Gebaut wird grundsätz­lich alles so, dass es ggf. für Jahrtausende hält (auch das ist das Gegenteil von irdischen Verhältnissen, wo man aus Profitgründen an einer kurzen Haltbarkeitsdauer intressiert ist).

      Innerhalb der Gesellschaft gibt es auch eine Instanz, die im be­sonderen Maße für die Organisation und die kulturelle Entwick­lung der planetaren Gemeinschaft zuständig ist. Ihr kann jeder freiwillig beitreten und für alle Leitungskader ist die Mitgliedschaft in dieser Organisation obligatorisch. Die Vorläufer dieser alle Bereiche umfassenden Gruppierung spielten (auch durch ihren freiwilligen Verzicht auf den über dem Regionaldurchschnitt lie­genden Lohn) in der Geschichte der sozialen Umwälzungen der planetaren Gesellschaft durch die Organisiertheit ihres Wirkens in eine entscheidende Rolle. Innerhalb dieser Organisation trifft man sich auch zu Lehrveranstaltungen bzw. diskutiert innerhalb einer auch durch philosophische Grundsätze beschreibbaren geistigen Plattform über alle ggf. auftretenden Probleme. Auch durch die Praxis einer offenen, kritischen Diskussion dürfte sich so eine Organisation vom klassischen Apparat einer „Einheitspartei“ qualitativ unterscheiden.

      2. Kultur und Familie

      Obwohl es sogar zwei unabhängige Organisationen für Verbrau­cher- bzw. Produktinformation gibt, existiert keine Werbeindust­rie nach irdischem Muster, bei der man konkret der Meinung ist, dass sie (z.B. durch ihre Medienpräsenz ) längst das Maß des ge­sunden Menschenverstandes übersteigt und nur das Produkt von kranken Hirnen sein kann. So wird der jarganische Bürger durch diese beiden unabhängigen Institutionen des Verbraucherschutzes auch vor Manipulation und Täuschung, die ja stets das eigentliche Ziel des riesigen Werbeaufwands in den irdischen Massenmedien ist, umfassend geschützt. Gleichzeitig unterbindet man sinnloses Streben nach Maximalkonsum und grundsätzlich alles, was zu verantwortungslosem bzw. ungesunden Tun anregt.

      Neben der sozialen Gleichheit besteht auf Jarga natürlich eine parallele Gleichheit unterschiedlicher Ursprungsrassen. Es gab vor langer Zeit mal regional verschiedene Rassen, dann bildete sich über lange Zeiträume hinweg schließlich eine "Mischrasse" mit nur geringen Unterscheidungsmerkmalen, z.B. in der Haar­farbe, heraus. Eine ähnliche Entwicklung macht jede Zivilisation durch. Obwohl der wasserreiche Jarga-Planet weit größer als die Erde ist, entspricht seine Landmasse etwa unserem australischen Kontinent. Die jarganische Bevölkerungsdichte ist also wenigstens 100 mal größer als irdische Verhältnisse und deshalb ist eine sehr viel höhere Effizienz nötig. Innerhalb der oft dicht mit grünlichen oder grauen Wolken verhangenen Planetenatmosphäre toben mitunter gewaltige Stürme und so lebt man in komfortablen, überdachten Wohnringen. So ein Wohnring entspricht einer fast autarken Kleinstadt mit etwa 10000 Einwohnern; er hat eine Zy­linderform, dessen Durchmesser etwa 300 m und Höhe etwa 100 m beträgt.

      Weil der Gemeinschaftssinn groß ist, entschied man sich für ein Leben in Wohngemeinschaften, die aber selten mehr als 25 Personen, weniger als die Hälfte davon sind Kinder, zählen. Für die Kinder fühlen sich neben beiden Eltern auch alle anderen Mitglieder der Wohngemeinschaft verantwortlich. Die Mitglieder der Wohngemeinschaft verbringen auf die verschiedenste Weise ihre Freizeit zumeist gemeinsam und möchten zumeist auch ge­meinschaftlich, in komfortablen Reisezügen, in den Urlaub fah­ren. Das individuelle Auto, das in der irdischen Gegenwart zudem oft als Statussymbol gilt, hat hier also nur eine geringe Bedeutung und wird vor allem dann genutzt, wenn Gruppen außerhalb des Schienenstrangs bestimmte mittlere Strecken zurücklegen müssen. In Wohnungsfragen gibt es also genauso wenig Privilegien Ein­zelner, wie in Transportfragen; auch damit unterscheidet man sich wohl positiv von irdischen Verhältnissen.

      Die auf großen Feldern durch Automaten gewonnene Nahrung, zu der im Sortiment auch die in den Ozeanen planmäßig gefange­nen und schmerzfrei verarbeiteten Fische gehören, wird i.d.R. in der Wohngemeinschaft, nach fast religiös anmutenden Zeremo­nien gemeinsam zu sich genommen. Sie gilt gewissermaßen als heilig, ebenso wie die Grundsätze der gerechten Verteilung. Um den Einzelnen und besonders die Kinder auf das wichtige Ereig­nis einzustimmen, werden zuvor auch bestimmte, geeignete Texte verlesen (ein mental auf geeignete Weise eingestimmtes Kind verspürt so kaum die Neigung, am vorgegebenen Sortiment und der Menge zu mäkeln). Eine planetare Gemeinschaft, die der Ei­gentümer aller Produktionsanlagen ist, sorgt vor allem dafür, dass alle stets genug gesunde Nahrung haben und die angestrebte Be­völkerungszahl ist somit auch von der der Gesamtheit zur Verfü­gung stehenden Nahrungsmenge abhängig. Alles andere, insbe­sondere auch die Produktion von "Luxusgütern", ist dem unter­geordnet.

      Eine irdische Situation, bei der die einen hungern und die anderen Nahrung wegwerfen und letztlich vernichten, wäre also dort weder denkbar noch politisch durchsetzbar. Die Forde­rung nach ausreichender und qualitativ hoher Nahrung (die sogar einen Fleischanteil besitzt) für ausnahmslos alle ohne jegliche Rangunterschiede hat stets höchste Priorität und ist das Gegenteil einer irdischen Herrschaft der Machteliten. Das jarganische Staatswesen kümmert sich neben der gerechten Verteilung aller Güter auch darum, daß möglichst jeder Bewohner in seiner Stadt, Wohnanlage oder dessen Nähe seine zu ihm passende Arbeit bekommt und auch ausübt.

      Durch große mehrgliedrige automatische Magnetbahnsysteme für Personen und Güter sind diese Wohnanlagen und Städte so­wohl miteinander, als auch mit Erholungsgebieten und mit exter­nen Produktionsanlagen verbunden. Das sei effektiver, sicherer und weit umweltfreundlicher als der auf Erden dominierende Transport mit Privatautos und gelegentlichen Bussen; auch ge­genüber dem Flugverkehr, der zudem nur vom gut verdienenden Teil der Bevölkerung genutzt werden kann. So ein umfassendes Bahnsystem wird für Jahrtausende konzipiert und ist wartungs- und verschleißarm. Das Justiz- und Polizeiwesen ist in der jargani­schen Kultur praktisch weitgehend überflüssig geworden, denn die Wenigen, die evtl. das Bedürfnis bzw. die Neigung verspüren, kriminell oder gewalttätig zu werden, sind ein Fall für Sozialpädagogen bzw. für Psychologen/Neurologen. Wenn jemand dennoch, obwohl dafür keine nachvollziehbare Motivation erkennbar ist, deutlich über das Normalniveau hinaus Waren horten sollte, dann werden diese nach den Regeln der Gemeinschaft natürlich ersatzlos eingezogen. Da die dem Sozialwesen