Verfluchtes Erbe. T.D. Amrein

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Название Verfluchtes Erbe
Автор произведения T.D. Amrein
Жанр Языкознание
Серия Krügers Fälle
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738008975



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verließ das Zimmer und die Wohnung ohne einen Blick zurück.

      Der Kaffee aus dem Automaten auf dem Gang schmeckte scheußlich. Er passte deshalb irgendwie zum Geruch, der durch die Flure des Heimes waberte.

      Nachdem er sich nach einiger Zeit etwas gefasst hatte, schlurfte er zurück. Mit deutlich sichtbarem Ekel in der Miene stellte er sich an das Bett. „Wie konntest du nur? So etwas tun?“, presste er hervor

      Aber sein Großvater lag jetzt ruhig da, mit offenen Augen, die an die Decke starrten. Er war inzwischen, wie man so sagt, sanft entschlafen.

      In Merz stieg ein unbändiger Hass auf. Keine Antwort. Einfach schnell gestorben. Er verspürte das Bedürfnis, ihn zu schütteln. Aber gleichzeitig graute ihm davor, ihn noch einmal anzufassen.

      ***

      Nachdem ein Arzt den Tod festgestellt hatte, Opa hatte jede lebensverlängernde Maßnahme abgelehnt, ging er ziellos spazieren. „Ich werde das Geld nicht anfassen“, sagte er zu sich. „So könnte ich nie mehr ruhig schlafen.“

      Aber was sollte er tun? Seinen Namen mit der Wahrheit beschmutzen? Wie sollte er seiner Frau erklären, warum sie nicht erbten?

      Völlig unmöglich. Sie hatten oft Pläne gemacht, wohin sie fahren würden und was sie alles kaufen wollten.

      Opa Merz war schließlich schon über neunzig, sie die einzigen lebenden Verwandten. Sein Vermögen hatte Opa gut angelegt. Etliche Häuser gekauft, Wertpapiere und Bargeld auf der Bank.

      Dabei fiel Erich ein, dass er sich jetzt um viele Dinge kümmern sollte. Er musste alle benachrichtigen. Formalitäten erledigen, die Beerdigung organisieren. Es würde auffallen, wenn er sich nicht sofort damit beschäftige. Eigentlich wollte er sich am liebsten irgendwo verstecken, wie es eher seiner Natur entsprach.

      Sich richtig besaufen wäre jetzt das Beste, dachte er.

      Warum konnte der das nicht mit ins Grab nehmen und mir ein schönes Leben lassen?

      Wieder und wieder, ging ihm das durch den Kopf. Musste man doch für alles einmal zahlen, wie Opa oft gesagt hatte? Gerade er, dem ein so leichter Tod geschenkt wurde? Und seine Schuld hatte er einfach an ihn weitergegeben.

      ***

      Seit dem Tod seines Großvaters waren zwei Wochen vergangen. Die wichtigsten Dinge waren erledigt. Erich Merz wollte sich zum ersten Mal wieder seiner Arbeit widmen. Er saß im Büro, aber ihm fiel nichts ein, zum Schreiben. Wieder schreckte ihn ein Anruf aus seiner Lethargie auf.

      „Ich bin doch gar nicht da“, brummte er vor sich hin.

      „Guten Morgen. Hier ist Schwester Ilona vom Altersheim unter den Linden. Aus der Wohnung ihres Herrn Großvaters sollten Sie noch ein paar persönliche Sachen abholen.“

      „Persönliche Sachen?“, fragte er erstaunt. „Wir haben eine Räumfirma beauftragt, um alles zu entsorgen.“

      „Ja, es handelt sich um Papiere und einige Fotos, die sie nicht mitgenommen haben. Es sind nur zwei Kartons. Können Sie bitte bald vorbeikommen?“

      „Ja gut, ich komme sofort“, antwortete er und machte sich gleich auf den Weg.

      In der kleinen aber gemütlichen Wohnung angekommen, fand er tatsächlich zwei kleine Kartons mit allerlei Papierkram. Nichts Wichtiges, ein paar Ansichtskarten, Briefe von Geschäftsfreunden, so Dinge, die man nicht wegwirft, wenn es genügend Platz gibt.

      Die Wohnung war vor der Räumung bereits amtlich durchsucht worden. Bei dieser Gelegenheit hatte ein Beamter alles Wesentliche sichergestellt.

      Einzig die paar Fotografien schaute Erich näher an. Alte Aufnahmen. Eine von seinem Vater, den er nie richtig gekannt hatte, als Kind. Opa hatte im Krieg bei einem Angriff seine ganze Familie, bis auf einen Sohn, Erichs Vater, verloren. Das war das Einzige, was er ihm über die Zeit erzählt hatte. Eigentlich war erzählt zu viel gesagt. Erich konnte sich aus einigen Stücken, die er nach und nach erfuhr, etwas zusammenreimen.

      Sein Vater war kurz nach dem Krieg, bei einem Arbeitsunfall in einer Gießerei ums Leben gekommen, als Erich zwei Jahre alt war.

      Seine Mutter hatte ihn allein großgezogen, bis auch sie an einer rätselhaften Krankheit zugrunde ging.

      Wenigstens wurde sie durch Opa immer unterstützt, so dass sie keine materiellen Sorgen hatten. Sie war auch ein Einzelkind gewesen, deshalb waren Erich keine Verwandten geblieben, bis auf seinen Großvater.

      Dieser war kurz vor dem Zusammenbruch zurück in die Schweiz geflohen. Die genauen Umstände hatte er mit ins Grab genommen. Opa war zwar reich gewesen, hatte aber immer sehr zurückgezogen und eher bescheiden gelebt. Keine Reisen unternommen. Genauso wie er sich auch niemals einen Urlaub gegönnt oder an gesellschaftlichen Anlässen teilgenommen hatte.

      Erich hatte stets vermutet, die vielen Verluste hätten ihn davon abgehalten, sich wieder mit jemandem näher einzulassen.

      Aber das war noch das alte Bild, das er von seinem Opa gehabt hatte. Jetzt war er ihm völlig fremd geworden.

      Unter allen Fotografien fand sich noch ein vergilbter Umschlag. Darin ein Foto von Männern in Uniformen der Deutschen Reichsbahn. Auf der Rückseite, handgeschrieben: Meine Kameraden Konrad und Willhelm zum Führergeburtstag 1941. Konrad? Diesen Namen hatte Großvater doch auf seinem Sterbebett erwähnt. Er sah sich das Bild genauer an. Vielleicht ergab sich ein Hinweis, wo die Aufnahme gemacht wurde. Und wirklich, auf einem Plakat im Hintergrund ließ sich Frankfurt/Main entziffern.

      Unter Umständen ließe sich doch noch etwas Genaueres erfahren, dachte er, wenn ich den Alten Fritz einmal nach Frankfurt schicke.

      „Der Alte Fritz“, war ein pensionierter Privatdetektiv, den er schon öfter für Recherchen losgeschickt hatte. Der freute sich immer, wenn er wieder einmal etwas zu tun bekam.

      Merz packte die Sachen zusammen, verabschiedete sich an der Rezeption des Heimes und fuhr zurück in die Redaktion. Unterwegs überlegte er sich, was er dem Alten Fritz sagen sollte. Er durfte ja nicht zu viel verraten über sein Dilemma. Trotzdem fand er, wenn ich das Geld dafür einsetze, seine Herkunft herauszufinden, konnte das nicht an sich, schlecht sein.

      In seinem Büro angekommen rief er sofort an. „Es gibt Arbeit, Fritz, hast du Zeit?“

      „Wie sollte ich keine Zeit haben? Du weißt ja, dass ich nur noch die Fliegen in meiner Wohnung zählen kann.“

      „Jetzt übertreibst du, wie immer. Können wir uns treffen, ich brauche dich zu einer Ermittlung in Frankfurt?“

      „Frankfurt, da war ich schon lange nicht mehr“, freute er sich. „Wann soll`s denn losgehen?“

      „Du kannst dir Zeit lassen. Den Rest erkläre ich dir, wenn wir uns treffen. Kommst du um vierzehn Uhr in den Bären?“

      „Ich komme“, antwortete Fritz.

      An seiner Stimme ließ sich deutlich hören, wie willkommen ihm die Abwechslung war.

      Merz packte eine Kopie der Aufnahme, ohne den Vermerk auf der Rückseite in ein Kuvert, legte zehntausend Mark dazu, die er schnell auf der Bank abgehoben hatte und fuhr dann zum Mittagessen.

      Immer noch nachdenklich, was er dem Detektiv erzählen konnte und was er besser für sich behielt.

      Fritz sollte ja nur herausfinden, wer dieser Konrad war, seinen Familiennamen und ob er noch lebte.

      Die Verbindung mit Großvater sollte sich darauf beschränken, dass sie einmal zusammen gearbeitet hatten. Andererseits, falls dieser Konrad tatsächlich noch lebte, würde er sicher Verdacht schöpfen, wenn jemand aus der Schweiz nach ihm suchte.

      Kurz vor der vereinbarten Zeit traf der Detektiv im Bären ein. Er wirkte für sein Alter noch rüstig und hatte sich einen gewissen Humor erhalten. „Hallo Erich, altes Haus“, begrüßte er Merz, und schüttelte ihm die Hand. Darauf etwas ernster, „tut mir leid um deinen Opa. Ich habe es in der Zeitung gelesen.“

      „Schon gut“, antwortete