Doran. Franziska Hartmann

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Название Doran
Автор произведения Franziska Hartmann
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754120552



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      Franziska Hartmann

      DORAN

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      Copyright © 2021 by Franziska Hartmann

      Herausgeber: Franziska Hartmann

      c/o AutorenServices.de

      Birkenallee 24

      36037 Fulda

      E-Mail: [email protected]

      www.talderfeuergeister.wordpress.com

      Covergestaltung, Illustration: Franziska Hartmann

      Fotos: pixabay.com | DarkmoonArt_de, OneGo

      Ich male einen Regenbogen in den Himmel,

      Lasse die Sonne strahlen über das Land.

      Und die Menschen, sie leuchten mit neuem Lächeln,

      Finden wieder, was sie einst verband,

      Bevor die Welt im Grau ertrank.

      Mit nur einem Flügelschlag bin ich fort von hier.

      In nur einem Atemzug fliegt mein Geist weit hinaus.

      Bevor ich in dieser kalten, dunklen Welt erfrier‘,

      Sucht meine Seele sich ein sicheres Zuhaus'.

      HALBBLUTFEUER

      „Ich will nicht sterben.“ Ich klammerte mich an meinen Bruder. Wir saßen in einer Ecke in dem kleinen hölzernen Wagen, der uns und noch ein Dutzend weiterer Kinder ins Unbekannte transportierte. Ich hörte von draußen das Hufgeklapper der Pferde, die den Wagen zogen. Dieser wurde bei jeder Unebenheit des Bodens durchgerüttelt. Dabei stieß ich mir ständig die Knochen an den Wänden und am Boden. Mir tat alles weh. Meine Schultern, meine Ellenbogen, die Wirbelsäule bis hinab zum Steißbein. Etwas neidisch schaute ich zu dem Wolfsmädchen, das neben mir zusammengerollt an der Wand lag. Sie war eine Gestaltwandlerin. Was hätte ich dafür getan, jetzt solch ein weiches Fell zu haben, auf dem ich liegen konnte. Das meinen ausgezehrten Körper vor den harten Wänden schützte.

      „Du wirst nicht sterben“, versuchte mein Bruder, mich zu beruhigen. Cuinn hielt mich in einem Arm, in dem anderen unsere Schwester Lilly. Sie war die Jüngste von uns und sie weinte. Das tat sie schon, seitdem wir in den Wagen gebracht worden waren. Ich konnte es ihr nicht verübeln, denn ich hätte am liebsten dasselbe getan, doch sogar dafür war ich zu angespannt. Ich hatte Angst. Furchtbare Angst. Es waren Geschichten erzählt worden. Geschichten darüber, dass sie Halbblute, wie wir sie waren, auf Scheiterhaufen verbrannten. Warum sie das taten, hatte ich noch nicht ganz verstanden. Ich wusste nur, dass meine Mutter ein Mensch war und mein Vater ein Feuergeist. Und dass Vater uns plötzlich hatte verlassen müssen. Und dann waren Stadtwachen in unser Haus eingefallen und hatten meine Geschwister und mich mitgenommen und eingesperrt. Seit dem waren bestimmt schon einige Monate vergangen. Aber sicher war ich mir nicht. In der dunklen Zelle, in die sie uns mit zig weiteren Halbbluten eingepfercht hatten, war mir jegliches Zeitgefühl abhanden gekommen.

      Cuinn löste sich von Lilly und mir. „Bleibt hier sitzen“, sagte er leise. Er krabbelte zur Wand, die rechts neben uns lag. Was hatte er vor? Ich beobachtete, wie er eine Hand auf das Holz legte. Blaues Licht schimmerte unter seiner Hand hervor. Als es verglommen war, zog Cuinn seine Hand zurück. Die Wand darunter schwelte ein wenig, war ansonsten jedoch unverändert. Ich hörte Cuinn leise fluchen, ehe er die Hand erneut auf das Holz legte. Mittlerweile schauten auch ein paar andere Halbblute neugierig zu Cuinn herüber. Seine Handfläche leuchtete wieder auf. Nach wenigen Sekunden begann das Holz zu schwelen. Als er dieses Mal seine Hand wieder von der Wand nahm, glühte das Holz dort, wo er es vorhin noch berührt hatte. Aufgeregt sprang Cuinn auf und stolperte beinahe, als der Wagen mal wieder kräftig holperte. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, als er sich zu Lilly und mir wandte. Ich hatte ihn lange nicht mehr lächeln sehen. Aber nun verstand ich, was ihm Anlass dazu gab: Das Glühen des Holzes breitete sich aus. Es fraß ein Loch in die Wand, das sich langsam ausdehnte. Aufgeregtes Gemurmel wanderte durch den Wagen. Cuinn nahm meine und Lillys Hand und riss uns auf die Füße. Als das Loch groß genug war, rief er: „Lauft!“

      Die anderen Halbblute ließen sich das nicht zweimal sagen. Es entstand ein wildes Getümmel. Jeder wollte als erstes hinaus. Ich sah, wie ein Mädchen, das noch den richtigen Moment abpasste, um aus dem fahrenden Pferdewagen zu springen, geschubst wurde. Sie schrie auf, als sie durch das Loch fiel. Ich zuckte zusammen, als ich das dumpfe Geräusch ihres Aufpralls hörte. Cuinn drängte uns zu dem Loch. „Wenn ihr draußen seid, rennt fort! Ich folge euch“, sagte Cuinn. Dann sprangen Lilly und ich nacheinander hinaus. Als ich mich umdrehte, hielt der Wagen an. Cuinn stieg aus dem Loch. „Lauft, hab ich gesagt!“, rief Cuinn Lilly und mir zu. Doch als ich einige Wachen wahrnahm, die begannen, unsere Mitgefangenen wieder festzunehmen, war ich wie gelähmt. Cuinn kam auf uns zugerannt. Er nahm mich und Lilly an die Hand. Und rannte weiter. Ich konnte kaum mit ihm Schritt halten. Ich wollte laufen. Schneller. Schneller. Doch ich konnte nicht. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Ich bekam kaum Luft. Meine Beine fühlten sich wackelig an. „Bruder, ich kann nicht mehr“, rief ich verzweifelt. Doch Cuinn blieb nicht stehen. Er lief weiter. „Bruder! Bitte!“ Da stolperte ich. Und während ich fiel, rutschte meine Hand aus der meines Bruders. „Cuinn!“, rief ich. Ich schlug auf dem harten Steinboden auf, ohne meinen Fall abfangen zu können. Ein gellender Schmerz durchzuckte meinen gesamten Körper. Ich stemmte die Arme auf den Boden und versuchte, mich aufzurichten. „Bruder!“, schrie ich, so laut ich konnte. Mir war schwindelig. Ich erkannte Cuinn nur noch schemenhaft in der Ferne. Ich sackte zurück auf den Boden. „Lilly“, murmelte ich. Jemand packte mich von hinten an meinem Hemd und riss mich unsanft hoch.

      „Ich habe noch einen!“, hörte ich eine dunkle Männerstimme rufen. „Das ist unser Adlerauge.“

      Unwillkürlich legte ich eine Hand über mein rechtes Auge, als er mich Adlerauge nannte. Dieses verdammte goldene Auge.

      Der Mann schleifte mich und einen weiteren Jungen, vermutlich etwas jünger als ich, über den gepflasterten Weg.

      „Ihr räudigen Bengel! Ihr habt doch nicht wirklich gedacht, dass ihr so leicht davonkommt?“

      Los, Doran, noch kannst du fliehen. Du musst etwas tun, um hier wegzukommen, hämmerte es in meinem Kopf. Gleichzeitig erfüllten mich unzählige Szenarien, wie ich entkommen könnte. Ich konnte versuchen, mich loszureißen. Ich konnte ihm kräftig auf den Fuß treten. Ich konnte ihm in seine dreckige, fleischige Hand beißen, die mich seitlich am Kragen gepackt hielt. Letzteres erschien mir der geringste Kraftaufwand zu sein.

      Der Wachmann schrie auf, als ich ihm, so fest ich konnte, die Zähne in die Hand rammte. Er ließ von mir ab und ich rannte erneut los, obwohl mir immer noch von meinem vorherigen Sturz schummrig war. Ich hätte mir vorher denken können, dass mein Fluchtversuch zum Scheitern verurteilt war. Doch meine Hoffnung schwand erst vollkommen, als meine Beine mich nicht recht voranbringen wollten. Schneller, als ich mich befreit hatte, landete ich in den Armen eines anderen Wächters, der gerade drei Halbblute an einem Rad des angesengten Pferdewagens festgebunden hatte. Er riss mich herum, drückte mich auf den Boden neben die anderen Halbblute und fesselte meine Hände ebenfalls mit einem dicken Seil an den Wagen.

      Der Mann beugte sich zu mir herunter, sodass ich seinen Atem auf meinem Gesicht spüren konnte. „Ein kleiner Rebell also. Du denkst wohl, du seist mutig. Aber du bist nicht mehr als eine schmutzige Ratte.“

      Ich spuckte ihm ins Gesicht. Der Blick seiner dunkelbraunen Augen verfinsterte sich. Er wischte sich mit der Rechten die Spucke aus dem Gesicht und benutzte dieselbe Hand daraufhin, um mir eine solch kräftige Schelle zu verpassen, dass mir kurz schwarz vor Augen wurde. Meine linke Wange brannte, dass es mir Tränen in die Augen trieb. Erst als er ging, um weitere Halbblute zu verfolgen, wagte ich, zu den anderen Halbbluten zu schielen. Ich bereute es sofort. Mein rechtes Auge spielte verrückt. Das musste meine Angst sein. Meine Anspannung. Alle Menschen um mich herum umgaben bunte Farben. Ich befand mich in einem grellen, nicht enden wollenden Farbenmeer, das in meinem Auge brannte und mir ein penetrantes Stechen in den Kopf trieb. Doch noch schlimmer als die beißenden Farben war