Название | Eine neue Göttin für Myan |
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Автор произведения | Sigrid Jamnig |
Жанр | Языкознание |
Серия | Myan |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783753187990 |
Weiters gab es noch sechs Laubbäume in unterschiedlicher Größe. Welche Art Baum konnte Ally nicht sagen, sie hatte für so etwas einfach kein Auge. Um den größten Baum waren Bänke im Kreis aufgestellt. Der Baum befand sich in der Mitte eines runden sandigen Bereichs ohne Pflastersteine. Die restlichen Bänke standen neben den umzäunten Blumenbeeten auf der anderen Seite der Kirche. Im hinteren Teil der Kirche gab es viele Gebäudeteile mit steilen rötlichen Dächern. Um die Kuppel herum befanden sind noch viele kleinere Türmchen.
Ally umrundete die Kirche und betrat das Gebäude durch den Haupteingang. Es blätterte bereits Holz vom Rahmen ab. An der Tür hingen Plakate, welche auf die Zeiten für die Messen hinwiesen. Im Inneren war ein kleiner Bereich mit einer Glaswand von der restlichen Kirche abgetrennt. Rechts und links führten Türen in die Kirche. Ally betrat die Kirche durch die linke Schleuse, wo ein Tisch mit diversen Prospekten stand, welche die Kirche und humanitäre Aktionen betrafen.
Ganz vorne befanden sich zwei Reihen mit einfachen miteinander verbundenen Holzbänken. Der Hauptaltar war ein einfacher Tisch mit weißem Tuch und mehreren Kerzen in hohen Kerzenständern.
Neben dem Hauptaltar hatten sich bereits die anderen Mitglieder des Kirchenchors versammelt. Der Chor bestand aus zehn Personen und wurde von Teresa Konrad geleitet. Die ältere Frau war mit Herz und Seele bei der Sache. Nach Allys Meinung nahm sie den Chor manchmal auch etwas zu ernst.
Teresa kam auf sie zu. Ihre kurzen dunklen Haare waren von silbernen Strähnen durchzogen.
„Alyssa!“, sagte sie fröhlich, als Ally sich langsam näherte. „Ich möchte dir jemanden vorstellen!“
Erst jetzt fiel ihr auf, dass jemand neues unter den Mitgliedern zu sein schien. Zuerst dachte Ally, dass es sich um einen Neuzugang zum Chor handeln würde, aber dann bemerkte sie den charakteristischen weißen Krageneinsatz am schwarzen Hemd, das der Mann trug. Es musste also der neue Priester sein. Vor Wochen wurde bereits angekündigt, dass ein neuer Priester in diese Gemeinde kommen würde. Der Mann war viel jünger als sein Vorgänger. Er wäre frisch vom Priesterseminar, so hieß es.
„Das ist Christopher Baily!“, sagte Teresa. Herr Baily hat kurze dunkelbraune Haare und ebensolche Augen. Er war attraktiv. ‚Eine Verschwendung an die Kirche’, würde ihre Schwester Sira sagen. Er lächelte, als er sich zu Ally drehte. Instinktiv lächelte sie zurück.
„Hallo, ich heiße Alyssa Sullivan“, stellte sie sich vor. Sie streckte ihre Hand hin. Als er diese ergriff, um sie zu schütteln, trafen sich ihre Augen. Es kribbelte in ihrer Hand. Ally wurde warm, während sie in seine sanften Augen blickte.
„Freut mich, Sie kennenzulernen!“, erwiderte Herr Baily. Dann hatte er ihre Hand auch schon wieder losgelassen. Als nächstes drängte sich bei Ally das Gefühl auf, unbedingt nach Hause gehen zu wollen. Das Gefühl bekam sie immer, wenn sie jemand neues kennenlernte. Vor allem Männer. Ally spürte, etwas sagen zu müssen, wusste aber beim besten Willen nicht, was.
„Singen Sie schon lange beim Chor?“, fragte Herr Baily. Ally hätte diese Frage beinahe nicht mitbekommen.
„Seit ich vor vier Jahren nach Wien gezogen bin!“ Sie hatte das Gefühl, als würde ihre Stimme zittern. „Ich komme ursprünglich aus Kärnten!“ Sie versuchte, diese Gefühle abzuschütteln, aber es schien nicht zu funktionieren.
„Ich war auch schon mal in Kärnten. Woher kommen Sie genau?“
„Völkermarkt, das ist in der Nähe von Klagenfurt!“
Bevor noch jemand etwas sagen konnte, trat Teresa wieder zu ihnen. „Wir sollten mit der Probe anfangen, Alyssa.“ Ally wandte sich zu ihr um. „Ja“, sagte sie schlicht und ging zu den anderen hinüber, um auch sie zu begrüßen. Herr Baily verabschiedete sich von ihnen und entfernte sich, um sich weiter in der Kirche umzusehen. Wahrscheinlich war er erst vor kurzem angekommen.
Teresa kam zu ihnen. „Wir fangen mit ‚Großer Gott, wir loben dich’ an!“
Ally konnte die Gefühle nicht so recht einordnen, aber sie fühlte sich eindeutig zu diesem neuen Priester hingezogen. Diese Gefühle zu haben, war so etwas von falsch, und sie hatte keine Ahnung, wo das hinführen würde.
Kapitel 4
Die Probe dauerte zwei Stunden. Ally hatte Christopher danach nicht wiedergesehen. Die Gefühle, die sie in seiner Gegenwart verspürte, sollte sie nicht haben.
Die junge Frau war nun auf dem Weg nach Hause. Manche Mitglieder des Chors gingen nach der Probe noch etwas trinken. Ally hatte sich dem noch nie angeschlossen. Sie hätte viel zu viel Angst vor einer längeren Unterhaltung, weil sie nach wenigen Minuten schon nicht mehr wissen würde, was sie sagen sollte.
Es war dunkel, und die spärlichen Straßenlaternen spendeten nur wenig Licht. Aus einigen Fenstern der umliegenden Wohnungen fiel Licht auf die Straße. Alle Parkplätze an den Seiten waren belegt. Ally war mit ihren Gedanken bei Christopher. Sie achtete nicht auf ihre Umgebung. Es waren sonst keine Menschen in dieser Gasse. Doch in diesem Moment tauchten hinter ihr drei Männer auf.
Aber davon bekam Ally nichts mit. Sie ging einfach weiter die Straße entlang. Einer der Männer hob die rechte Hand. Es schien, als ob er etwas werfen würde, aber seine Hand war leer. Kurz darauf löste sich jedoch eine leuchtend rote Kugel aus seiner Hand. Der brennende Ball flog auf Ally zu.
Im nächsten Moment wurde Ally umgeworfen. Sie krachte gegen die Hausmauer und rutschte auf den Boden. Instinktiv hatte sie die Hände gehoben. Auf der Handfläche und dem Handgelenk hatte sie Schürfwunden. „Hey!“, war das erste, das ihr in den Sinn kam. Direkt gefolgt von: „Aua!“
Die brennende Kugel traf stattdessen eines der parkenden Autos. Mit einem lauten Knall flog das Fahrzeug in die Luft. Teile des Autos wurden weggeschleudert. Ally riss ihre Hände vor das Gesicht – aber keines der Teile erreichte sie. Stattdessen prallten sie an einer unsichtbaren Wand ab. Immer wenn ein Teil die Wand berührte, leuchtete diese kurz hellrosa auf. Durch die Explosion waren auch die benachbarten Autos beschädigt worden. Fensterscheiben waren zu Bruch gegangen. Aber dennoch rührte sich nichts. Nirgendwo liefen panische Menschen auf die Straße. Kein Fenster wurde geöffnet, und weder die Polizei noch die Feuerwehr war im Anmarsch.
Die Hitze des brennenden Autos schlug ihr entgegen.
Ally stand mühsam auf und drehte sich um. Hinter ihr stand eine Frau. Sie war weiß gekleidet. Ally vermutete, dass es sich um einen Engel oder eine Göttin handeln musste. Die Frau hatte blonde Locken. Ihr Gesicht konnte sie nicht sehen.
Erst jetzt entdeckte Ally die Männer. Einer von ihnen war noch sehr jung, trug Jeans, Turnschuhe und ein T-Shirt einer Musikgruppe, von der Ally noch nie etwas gehört hatte. Seine langen Haare waren zu einem Pferdeschwanz gebunden. Ein weiterer hatte kurze und ebenso schwarze Haare. Auch er trug Jeans, dazu aber ein schwarzes Hemd. Der letzte von ihnen, mit kurzen schwarzen Locken, welche bis zu den Ohren reichten, trug einen dunklen Anzug, aber ohne Krawatte. Durch die gleichen markanten Gesichtszüge war zu erkennen, dass sie miteinander verwandt sein mussten. Ihre Augen lagen im Schatten, und so konnte man sie nicht sehen.
Einen Augenblick war es still. Es war nur das Knistern des brennenden Autos zu hören. Die drei Männer starrten den Engel an.
„Lucy!“, knurrte der Mann im Anzug.
„Jaaa?“, meinte die Frau. Lucy. Sie zog das Wort in die Länge. „Ian, Alex und Florian McNail!“, sprach sie die Männer nacheinander streng, geradezu autoritär, an. Wieder machte sie eine kleine Pause. Als sie das nächste Mal sprach, passte dies überhaupt nicht mehr zu dem strengen Tonfall, den sie eben verwendet hatte. Nun klang ihre Stimme eher verwundert und locker.
„Was macht ihr denn hier?“ Lucy trat einen Schritt auf sie zu. „Habt ihr gerade tatsächlich Alyssa einfach angegriffen?“