Die Schiffe der Waidami. Klara Chilla

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Название Die Schiffe der Waidami
Автор произведения Klara Chilla
Жанр Языкознание
Серия Die Piraten der Waidami
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738017557



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er bald das Interesse. Dann endlich kamen Bilder aus der Zukunft. Eines zeigte Torek in der Kleidung der Seher, wie er neben ihm selbst stand und die anderen Seher sich vor ihnen verneigten. Ein Strudel von Bildern folgte, und Bairani erstarrte erschrocken. Es war einfach unbeschreiblich. Dieser Junge schaffte, was sonst keinem gelang. Visionen von anderen Sehern waren bisher keinem möglich gewesen, da sie viel zu viele andere Bilder mit sich brachten. Doch für Torek schien es kein Problem darzustellen. Stattdessen wurden diese Bilder von einem plötzlichen Machtgefühl begleitet, das Torek wie ein Fluss durchströmte, dessen Quelle gerade erst entdeckt worden war. Bairani musterte den Jungen genauer, und der merkwürdige Glanz, der in dessen Augen getreten war, bestätigte seine Vermutung, dass Torek nur zu gerne zu einem treuen Anhänger von ihm werden würde.

      Eine gewaltige Vision drängte Bairanis Gedanken beiseite und er widerstand nur mühsam dem Impuls, davor zurückzuweichen. Er sah sich unter dem großen Felsenbogen stehen, der in die Höhlen führte. Sein Blick war auf jemand oder etwas vor ihm gerichtet, als plötzlich Jess Morgan am Rande der Szene auftauchte. Er schleuderte etwas nach ihm und brach dann zusammen. Bairani wollte erst jubeln, als er sah, wie er sich selbst an den Hals griff und mit schmerzverzerrtem Gesicht zu Boden stürzte. Mit einer panischen Bewegung riss er überrascht die Hand von Toreks Stirn. Das Bild war fort, doch hatte es etwas zurückgelassen, mit dem der Oberste Seher für den Moment vollkommen überfordert war. Er ignorierte die zusammensinkende Gestalt Toreks. Sein Herz raste und Bairani schluckte schwer. Nachdenklich betrachtete er Torek, der sich mühsam aufrichtete. Sein Mund war völlig ausgetrocknet. Zitternd griff Bairani nach einem Becher, der in einer Nische in der Wand stand. Gierig trank er und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Konnte es möglich sein, dass … Nein, keine Vision war endgültig, es gab immer wieder Möglichkeiten, dass sich alles änderte.

      Torek war inzwischen wieder ganz auf die Beine gekommen und lehnte schweratmend an der Höhlenwand. Er hielt seine Augen geschlossen und war blass geworden.

      „Hol jetzt deine Sachen, Torek. – Und kein Wort zu irgendjemand über deine Visionen, hörst du?“ Bairani hielt den Jungen am Arm fest, als er an ihm vorbeigehen wollte und sah ihm beschwörend ins Gesicht. „Lass niemanden in deine Visionen blicken außer mir. Du hast eine so große Gabe, wie leicht würde jemand diese für sich nutzen wollen. Jeder wird auf dich eifersüchtig sein, wenn er erst erfährt, was du wirklich kannst.“ Er schüttelte bedauernd den Kopf. „Selbst ein Mann wie Tamaka gab dem Gefühl des Neides nach und tötete den armen Ronam und seine unschuldige Tochter. Sei also auf der Hut - selbst vor deinen Eltern.“

      Torek sah ihn verständnislos an und nickte verwirrt, bevor er die Höhle verließ. Der Oberste Seher sah ihm hinterher. Wenn der Junge lernte, mit diesen Visionen umzugehen, dann war er davon überzeugt, dass er sie auch ganz gezielt heraufbeschwören konnte. Er würde alle anderen Seher ersetzen können, zumindest die, die langsam begannen, lästig zu werden. Schon länger regte sich unterschwelliger Widerstand bei einigen Sehern, die nicht damit einverstanden waren, dass er immer mehr Schiffe bauen ließ und sie fortschickte, um andere Handelsfahrer zu überfallen. Ronam war der Schlimmste gewesen, der ihn noch vor der letzten Sichtungszeremonie unbedingt zur Rede hatte stellen müssen. Doch er war kein Problem mehr, dachte er mit grimmigem Lächeln.

      Bairani kam ein plötzlicher Gedanke, und er ging zu einer mit einem schweren roten Vorhang abgetrennten Nische auf der anderen Seite der Höhle. Entschieden schob er den Vorhang zur Seite und betrachtete die gigantische Truhe, die dahinter verborgen stand. Ihre Wände waren aus Stein gemeißelt und lediglich der Deckel bestand aus einem dunkel glänzenden Holz, in dessen Mitte das Abbild eines Vulkans mit großer Kunstfertigkeit geschnitzt worden war. Bairani fixierte misstrauisch die Truhe, die er niemals zuvor geöffnet hatte. Einen Moment stand er so völlig unbewegt da, bis er sich einen Ruck gab und mit beiden Händen den schweren Deckel öffnete. Die Truhe war seit ewigen Zeiten nicht mehr geöffnet worden, trotzdem war nicht das kleinste Geräusch zu hören, als sich der Deckel bewegte. Bairani atmete angestrengt und besah sich den Inhalt. Eine Vielzahl von Pergamentrollen kam zum Vorschein, doch sein Blick wurde von einer einzelnen Rolle wie magisch angezogen. Sie war vergilbt. Das Band, das sie zusammenhielt, war ausgeblichen und erinnerte nur noch schwach an die einstmals wohl intensive rote Farbe. Bairani leckte sich über die Lippen und griff voller Ehrfurcht in die Truhe, um das Pergament an sich zu nehmen.

      *

      Torek lief den Hang hinunter als könnte er fliegen. Die Erschöpfung war wie fortgeblasen. Sein Lauf wurde von dem unglaublichen Gefühl beflügelt, von Bairani zu seinem Schüler gemacht worden zu sein. Bairani wollte ihn unterrichten!

      Torek sprang, rannte und jubelte innerlich, denn er wagte nicht laut zu jubeln, aus Angst, gehört zu werden.

      Er sei etwas ganz Besonderes, hatte der Oberste Seher gesagt. Seine Mutter würde so stolz auf ihn sein.

      Der Junge stoppte unvermittelt seinen Lauf, als er die schlanke Gestalt von Recam erkannte, der ihm mit Longin und Furbin entgegenkam. Er schluckte nervös und vergaß seine Euphorie mit einem Schlag. Sie hatten ihn entdeckt und das bedeutete in der Regel nichts Gutes. Schon verzog sich das markante Gesicht des großen Jungen zu einem freudigen Lächeln, als er ihn sah. Er stieß mit den Ellbogen Furbin an, der ihn im gleichen Moment entdeckte, aber reaktionsschnell mit einer beiläufigen Bewegung den Arm seines Freundes aufhielt.

      Geh weiter! Lass dich bloß nicht einschüchtern. Es war sowieso zu spät, wenn sie ihn erst einmal gesehen hatten.

      Langsam ging Torek weiter. Hinter den Jungen konnte er schon das Dorf sehen, vielleicht kam er ja doch noch an ihnen vorbei. Longin drehte sich um, um ebenfalls zum Dorf zu blicken. Seine schulterlangen Haare flogen durch die Geschmeidigkeit seiner Bewegung um seinen Kopf wie schwarze Federn.

      Torek prüfte, ob sie weit genug weg waren, um kein Aufsehen zu erregen. Er nagte nervös an seiner Unterlippe, während er zögerlich weiterging.

      Als sie kurz darauf aufeinandertrafen, versperrten sie ihm wie erwartet den Weg und schauten ihn herablassend an.

      „So allein in den Höhlen gewesen, Kleiner? Darfst du das denn schon?“ Recam sah ihn hinterhältig an und richtete seinen beeindruckend breiten Oberkörper kerzengerade auf, um noch größer zu erscheinen.

      „Ein Seher darf gehen, wohin er will!“, antwortete er leise und zog den Kopf eingeschüchtert zwischen die Schultern, als Recam belustigt auflachte.

      „Ein Seher, habt ihr das gehört?“ Longin hielt sich den Bauch vor Lachen, und seine mädchenhaft feinen Gesichtszüge verzogen sich zu einer komischen Grimasse.

      Furbin stimmte in das Lachen seiner Freunde nicht mit ein, sondern hob in gespieltem Misstrauen eine Augenbraue.

      „Wenn du ein Seher bist, hast du bestimmt auch das Schlammbad gesehen, das du gleich nehmen wirst?“

      Toreks Herzschlag setzte für einen Augenblick aus, und er wich zurück, während das Lachen von Recam und Longin immer lauter wurde. Er wehrte sich nicht, als sie ihn an den Armen packten und unter lautem Johlen mit sich zerrten. Seine Wangen brannten vor Scham, aber es hatte einfach keinen Zweck. Sie waren ihm an Körpergröße und Kraft weit überlegen, auch wenn sie genauso alt wie er waren. Es amüsierte sie nur noch mehr, wenn er seine lächerlichen Versuche unternahm, ihnen zu entkommen.

      Sie schleppten ihn nicht lange durch den Dschungel, sondern blieben schon bald am Rande einer schlammigen Pfütze stehen, die die lang zurückliegenden Regenfälle bis jetzt überdauert hatte.

      „Möchte der Seher uns noch irgendetwas sagen?“ Recam schob sich vor ihn und grinste, als Torek den Kopf leicht hob, um ihm ins Gesicht sehen zu können.

      Ein Bild von eindringlicher Klarheit schob sich plötzlich in Toreks Kopf. Recam, wie er als Wächter der Seher gekleidet und um einige Jahre älter mit einer tödlichen Wunde im Bauch zusammenbrach.

      Diese Vision schleuderte das Hochgefühl, das ihn begleitet hatte, bis er den Jungen begegnet war, um ein Vielfaches intensiver zurück und vertrieb die Erniedrigung. Torek straffte seine Schultern und reckte trotzig sein Kinn. Er konnte sich das Grinsen nicht verkneifen, als er das Erstaunen in den Gesichtern der anderen sah.

      „Ja, ich möchte dir etwas sagen, Recam, denn ich habe deinen Tod gesehen. Vielleicht möchtest du wissen, wie du