SeelenFee - Buch Vier. Axel Adamitzki

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Название SeelenFee - Buch Vier
Автор произведения Axel Adamitzki
Жанр Языкознание
Серия SeelenFee
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783753189437



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zu Frau?«, murmelte Elektra.

      Silvana nickte, obwohl sie jetzt noch viel weniger wusste, was das bedeutete.

      Einen sehr langen Moment standen sich die beiden Frauen dann gegenüber. Etwas passierte zwischen ihnen. Nicht sichtbar … aber vielleicht ja doch. Obwohl … Gefühle an sich sind nicht sichtbar. Ihre Folgen, ihre Wirkungen – ein angsterfülltes Lächeln, ein vorsichtiger Blick in die Seele des anderen und schließlich in die eigene – können nach und nach sichtbar werden.

      Und sie wurden es.

      42 – Nachdenklich, achtsam und …

      … verhalten setzte sich Elektra auf die große Couch im Wohnbereich der Suite. Mit ängstlich aufgerissenen Augen fixierte ihr Blick einen Punkt am Boden und verlor sich sogleich spürbar und tief in ihren Gedanken und Erinnerungen. Bald schon war sie bei sich. Silvanas Anwesenheit vernahm sie wohl kaum noch, doch fraglos fühlte sie die Nähe der anderen Frau.

      Und dann kam es zu einer Offenbarung, die es im wirklichen Leben nur sehr selten gibt – in Träumen und Gedanken schon viel öfter, doch wurden diese Bilder nur selten in Worte gefasst. Auch würde jeder normale Mensch eine solche Offenbarung schlichtweg für unglaubwürdig halten. Aber was war an Silvana schon normal. Und sind es nicht oft erst die sonderbar scheinenden Dinge, Worte oder Gedanken, die wirkliche Veränderungen verursachen?

      »Bella …«, begann Elektra kaum hörbar. »Ich lebe mit einer Frau zusammen. Obwohl … tue ich das überhaupt?

      Ist es nicht eher der Wunsch danach?« Fragen, die sie sich selbst stellte und die sie sich mit einem ahnungslosen Schulterzucken beantwortete.

      Silvana spürte deutlich, dass hier etwas von großer Bedeutung seinen Anfang nahm. Und sie wagte nicht, sich zu bewegen – zu empfindlich war der Moment.

      Und sie wartete. Stumm und reglos.

      Anfänglich sehr zaghaft fuhr Elektra schließlich fort: »Man kann das mit Bella nicht verstehen, wenn man nicht …« Sie brach ab und nickte schließlich ihren Gedanken zustimmend zu. »Ja, ich muss viel früher beginnen.« Und einen langen Moment kramte sie dann stumm ein weiteres Stück tiefer in ihren Erinnerungen, räusperte sich und begann zu erzählen. Von der Trennung von Raymond. Sie wusste damals nicht, warum sie die vollzogen hatte, vollziehen musste. »Alles stimmte zwischen uns, alles war unsagbar harmonisch. Und doch musste ich weg. Der Heiratsantrag … das war zu viel gewesen.

      Aber ich wusste damals schon, dass Raymond das nicht verdient hatte«, sagte sie in einem Ton, der auch heute noch den Schmerz deutlich werden ließ, den sie damals wohl genau so empfunden und den sie durch ihre panikartige Flucht zusätzlich auch über ihren beinahe Verlobten gebracht hatte.

      »Aber ich wusste damals noch nicht, was mir Frauen bedeuten. Wobei … In meinem Leben hat es bislang erst eine Frau gegeben. Doch die ist es und keine andere … meine Bella.« Ein verzagtes Lächeln umspielte ihr kurz den Mund, verschwand aber wieder hinter Erinnerungen, die voller Mühsal schienen.

      »Doch vorher … Nach der Trennung von Raymond tobte ich mich erst einmal aus«, fuhr sie entrückt fort, »weil ich glaubte, dass es das war, was mich von ihm fortgejagt hatte. Mein schlechtes Gewissen trieb mich jahrelang um die Welt, von Event zu Event, von Einladung zu Einladung, von Ball zu Ball.

      Und hier und da gab es auch immer wieder irgendeinen Kerl. Nie etwas Festes. Und immer war es einer dieser selbstverliebten Zyniker, die nur nehmen, rücksichtslos. Und … so schlimm es jetzt auch klingen mag, aber je rücksichtsloser sie waren, je weniger ich ihnen bedeutete, desto größer war der Kick, ja … der Kick. Gefühle waren nie im Spiel. Auch für mich nicht …« Elektra brach kurz ab und schien erneut ein paar Gedanken zu ordnen.

      Was für eine traurige Seele, dachte Silvana und hätte fast geheult. Rasch nutzte sie die Stille, huschte drei Schritte zu einem Sessel, der außerhalb von Elektras Blickfeld stand, und setzte sich. Sie wollte die Gedanken der anderen Frau nicht unterbrechen, auch wollte sie nicht, dass Elektra ihr in die tränenverhangenen Augen sah.

      Langsam, den Blick wieder starr nach innen gerichtet, fuhr Elektra dann fort: »All das änderte sich schlagartig, als ich von Raymonds Heirat erfuhr.

      Dass der Adel im Gutshaus versammelt war und ich nicht dabei war, konnte ich verschmerzen, verstand ich sogar, dass Ray aber eine Bürgerliche geheiratet hatte, traf mich mitten ins Herz.«

      Erschrocken wendete sie den Kopf und sah Silvana aufgeregt an. »Nein, bitte, Silvana, verstehen Sie mich nicht falsch, nicht die Tatsache, dass seine Frau … Ihre Freundin, eine Bürgerliche war, traf mich, viel mehr war es der Umstand, dass mir sofort klar war, dass er diese Frau abgöttisch lieben musste. Und dass damit seine Liebe zu mir … gänzlich erloschen war.

      Diese Gewissheit traf mich damals beinahe wie … wie ein Todesstoß. Ja, wie ein Todesstoß.

      Das mag übertrieben klingen, dennoch war es so: Ein Todesstoß … der auch tatsächlich etwas in mir beendete.«

      Abermals brach Elektra ab, schloss die Augen und öffnete sie Sekunden später wieder. Und noch immer ruhte ihr Blick in der Vergangenheit. »Raymond hatte eine Frau an seiner Seite, die seine Familie gänzlich ablehnte, das wusste ich. Niemand musste mir das sagen. Ich kenne seine Familie zur Genüge.

      Melissa Scholz. Er muss sie wirklich sehr geliebt haben«, sagte sie, wobei sie den Namen … Melissa Scholz … kaum vernehmbar auf der Zunge zergehen ließ.

      Abrupt drehte sie den Kopf und richtete ihren Blick erneut, klar und fragend, auf Silvana. »Sein Vater war bestimmt der Einzige, der nicht über ihn und auch nicht über beide herfiel, als Raymond seine Melissa in die Familie einführte, denke ich mal. Aber der … Hat Raymond Ihnen je von ihm erzählt?«

      Silvana schrak zusammen, sie hatte nicht mit einer Frage gerechnet, sie war mit ihren Gedanken gerade an einem ganz anderen Punkt. Sie hatte versucht, sich vorzustellen, welch Tortur all das für die Frau hier vor ihr wohl gewesen sein musste. Jahrelang vor sich selbst weglaufen, ein schlechtes Gewissen haben und dann auch noch die letzte Verbindung zu einem Leben, zu einer Liebe verlieren, die ihr offensichtlich einmal sehr kostbar gewesen war. Das muss schrecklich gewesen sein.

      »Nein«, sagte Silvan schließlich mit verwirrter Stimme, räusperte sich und fuhr fort: »Er hat noch nie von ihm, von seinem Vater erzählt. Auch Mel … Melissa hat mir nie etwas … doch, halt, einmal, am Telefon … von dem Unfall.«

      »Aber Sie haben ihn doch kennengelernt? Auf der Hochzeit?«

      Silvana zucke die Achseln. »Ich habe ihn gesehen. Aber kein Wort mit ihm gewechselt. Obwohl … wenn ich es recht bedenke … mehr als einmal hat er mich an den zwei Tagen, die ich dort war, beobachtend angesehen. Beinahe so, als wollte er nicht glauben, dass es mich gibt. Wer weiß, was Mel ihm von mir erzählt hat. Aber am Ende irre ich mich vielleicht auch.

      Es ist zu lange her. Doch weiß ich ziemlich sicher, wir haben kein Wort … Nein … bestimmt nicht.«

      »Das ist schade. Neben Raymond war er der einzig wirkliche Mensch in der Familie. Aber lassen Sie sich von ihm mehr erzählen. Es lohnt sich.«

      Elektra wendete sich ab und ihr Blick verlor sich wieder irgendwo weit entfernt.

      Und sie fuhr fort. Doch ihre Stimme hatte sich verändert, hörte sich jetzt gequält an. »Zwei, drei Monate nach der Hochzeit war ich zu einer Gala nach L. A. eingeladen worden. Gern hatte ich diese Einladung angenommen, zumal ich wusste, Henri-Severin, Raymonds Bruder, würde auch auf dieser Gala zu finden sein. Was auch stimmte.

      Ich hoffte, er würde meine Traurigkeit … Ja, es gab da tatsächlich eine tiefe Traurigkeit, die Raymonds Heirat in mir ausgelöst hatte.

      Jedenfalls hoffte ich, er würde nachempfinden können, was in mir vor sich ging, zumal er ja auch irgendwie anders gewesen war. In all seinen Lebensentscheidungen. Ich ersehnte am Ende sogar ein wenig familiäre Absolution. Ja, all das erhoffte ich tatsächlich.

      Doch es kam ganz anders.

      Eingangs