Название | Jochen Kleppers Roman "Der Vater" über den Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I - Teil 2 |
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Автор произведения | Jochen Klepper |
Жанр | Языкознание |
Серия | gelbe Buchreihe |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783753191485 |
Die Sonsfeld erschien ihr als eine steife Person mit einer schiefen Nase und einem schielenden Auge, die nicht bis drei zählen konnte. Die Königin brachte nicht die Geduld zu der Feststellung auf, dass das Fräulein von Sonsfeld die sanftesten braunen Augen besaß, deren Reiz durch einen leichten „Silberblick“ eher erhöht als gestört wurde. Die Königin wollte ebenso wenig die Anmut und Sicherheit in dem bescheidenen Auftreten des ländlichen Edelfräuleins anerkennen. Sie tat die Sonsfeld mit wenigen Worten ab. Es lohnte ihr nicht einmal, mit dem König über sie zu debattieren. Die Königin gedachte auch über eine Sonsfeld hinweg noch Möglichkeiten zu finden, ihre Älteste für England zu erziehen. Viel schwieriger war es, ihren Einfluss auf Friedrich zu behaupten. Sie befasste sich beharrlicher denn je mit ihm. Waren die Konzertpiecen geübt? Wusste er die klassischen Zitate, die sie ihm für die Unterhaltung mit dem Großvater auswählen ließ? Hatte er die neuen Moderomane gelesen, um gewandt darüber plaudern zu können? Waren die Schneider pünktlich mit der Lieferung von Friedrichs gestickten Röcken und Westen? Wie wirkten die drei großen Schleifen in der Taille? Waren endlich die grässlichen Stiefeletten verschwunden und trug er weiße Strümpfe und Schuhe? Hatte der Perückenmacher nun besseres Material beschafft? Kam der Tanzmeister jeden Nachmittag? Friedrichs Verbeugungen waren fürchterlich! Die Gouverneure des Kronprinzen ließen Ihrer Majestät würdig, höflich und fest zurückbestellen, was in ihrer Instruktion stand, auf die der König sie mit Ernst und Strenge aufs neue verwiesen hatte, seitdem Missdeutungen über ihre Auslegungsmöglichkeiten aufgetaucht waren: „Der Nachmittag soll für Fritzen sein.“
Die Königin durchschritt aufgeregt ihre Räume. Es rauschte um sie von knisternder Seide; die Schleppe fegte nur so. Mit all dem kleinen Silber- und Schildpattzeug und all den Chinoiserien auf ihren Spiegelkonsolen und achatenen Tischen hantierte sie derartig heftig und sinnlos, dass die Ramen ob all dieser Launenhaftigkeit ihrer Herrin diese schon wieder in anderen Umständen glaubte. Plötzlich rief es auch die Königin klagend und empört vor ihrer Kammerfrau aus: „Welch maßlose Rücksichtslosigkeit gegen meinen Zustand! Man entfremdet mir meine Kinder. Man lässt mich Kinder gebären, nur um mich den Schmerz erleben zu lassen, mich ihrer beraubt zu sehen!“
Die Ramen heftete ihre schwarzen Augen entsetzt auf die hohe Frau. Sie bewunderte die unnachahmliche Ausdrucksweise; aber sie beschloss dennoch, den erneuten, gewaltigen Ausbruch mütterlicher Liebe diesmal nicht durch Ewersmann dem König schildern zu lassen. Es hatte der Ramen zu denken gegeben, dass die Königin vor Anna Amaliens Geburt sich vor dem König ganz verbergen konnte; es hatte ihr Kopfzerbrechen gemacht, dass seit drei Jahren kein Prinzen- oder Prinzessinnensalut mehr abgefeuert worden war; es legte ihr allerlei Vermutungen nahe, dass der König neuerdings die Erziehung der beiden ältesten Kinder so sichtbar an sich riss. Die Ehe des Herrscherpaares schien nicht mehr glücklich zu sein. Und nun doch ein neues Kind?
Die Königin wollte auf der Stelle ihren Sohn bei sich sehen. Er erschien auch sofort; aber ihren Fragen wich er aus, und ihre Vorwürfe hörte er an, ohne sich zu verteidigen. Warum beschimpfte ihn Mama? Litt er nicht selbst am meisten darunter, dass man seinen Musikunterricht einschränkte und die geliebten französischen Romane wegschloss?
Die Königin sprach kalt und zornig auf ihn ein. Ob er denn seine Zukunft aufs Spiel zu setzen gedenke? Ob er den Ehrgeiz habe, ein preußischer Major zu werden oder ein König mit einer Gemahlin aus großem Geschlechte?
Der blasse Junge stand ganz erstaunt. Was sollte er denn mit einer Gemahlin? Warum wurde der Vater plötzlich so streng gegen ihn? Warum klagte die Mutter ihn an und behandelte ihn spöttisch und kühl? Er drückte sich mit vielen Verneigungen aus der Tür, rannte leise und eilig die Treppe zu den Appartements der Schwestern hinauf und klopfte vorsichtig an Wilhelmines Zimmer. Die Sonsfeld öffnete dem Prinzen sogleich.
Der Nachmittag war für Fritz. –
Er war bei der Schwester.
Die Sonsfeld ließ die Königskinder allein. Sie wusste es längst: sie hatten Heimlichkeiten miteinander zu besprechen, die mit Kindergeheimnissen keine Berührung mehr besaßen.
„Was ist mit den Eltern?“ fragten der Knabe und das Mädchen einander sofort. Und das Grübeln, das immer wieder von neuem in der Welt das Leben junger Menschenkinder so beschwert, begann auch auf ihrer Jugend zu lasten: Was ist mit den Eltern?
* * *
Es schien Europa anzugehen, was um den König und die Königin von Preußen war. Der Plan der englischen Heiraten begann die Aufmerksamkeit der Kabinette auf sich zu ziehen. Dass es geschah, war Grumbkow zuzuschreiben, um den die kühne Königin sich nicht mehr bemühen zu müssen glaubte. Seine Stärke war, Verknüpfungen und Folgerungen zu durchschauen; und seine Klugheit, solche Erkenntnis stets für sich selbst zu nützen. So zum Beispiel schrieb er, der die Hof- und Diplomatenkreise des kaiserlichen Wien vorzüglich kannte, jetzt an General Graf Seckendorff, er möchte sich doch noch möglichst diesen Herbst nach Berlin begeben und in aller Heimlichkeit und Selbstaufopferung den Gesandten Österreichs in Preußen angesichts gewisser bevorstehender Ereignisse ein wenig unterstützen.
General Graf Friedrich Heinrich von Seckendorff – 1673 – 1763
Er, Grumbkow, gewinne den Eindruck, als habe der kaiserliche Geschäftsträger in Berlin bei seiner starken Inanspruchnahme unmöglich mehr freien Blick und übrige Zeit, um sich auch noch mit einigen neu aufgetauchten Problemen zu befassen, für deren Lösung gerade nun sein lieber Graf als der Rechte erscheine.
Zunächst traf Seckendorff, lärmend und aufgeräumt, als Grumbkows Privatgast in Berlin ein. Der Gastgeber hielt ihm bereits am ersten Abend seines Aufenthaltes ein politisches Kolleg, das namentlich für die Königin von Preußen überaus lehrreich und anfangs sogar angenehm zu hören gewesen wäre. Der lauschende Seckendorff wurde ganz erheblich stiller. Grumbkow sprach stehend, das Weinglas in Händen, ohne zu trinken, auf ihn ein. Der General aus Wien, schweigend und nickend, gab ihm immer nur recht.
Seit dem Tode des gewaltigen Sonnenkönigs und nach Zar Peters frühem und enttäuschtem Ende, seit Karls XII. verzweifeltem Untergang – denn solcher Könige Tod bedeutet die Tragödie ihres Landes – waren nur noch zwei große Mächte in Europa: England, das Ludwig XIV. niedergeworfen und Frankreich in vasallenhafte Abhängigkeit gebracht hatte, und Österreich. Zwei große Dynastien teilten das Erbe der Macht: die Welfen und Habsburg. Beide Länder und Geschlechter aber brauchten zu jeder Behauptung und jeder künftigen Wendung ihrer Politik das Reich. Der Habsburger stand über dem Reich als der Kaiser, im Reiche als der Erzherzog von Österreich und Kurfürst von Böhmen. Der König von England gehörte dem Reiche an als der Kurfürst von Hannover. Im Reiche mussten die Zwecke Österreichs und Englands sich überschneiden, sichtbar werden, mussten die Spannungen sich verdichten, die Machtproben ausgetragen sein.
Mitten im zerfallenden Reiche, in der Mark Brandenburg, aber erstand ein neuer Schatz und eine neue Armee.
Der Gedankensprung Grumbkows hinüber zu dem welfischen Familiensinn der Königin von Preußen war gar nicht so kühn.
Für den kaiserlichen Geheimdiplomaten bedurfte es keiner Erklärungen mehr. Dass er in Preußen blieb, war selbstverständlich. Die Kaisertreue Herrn von Grumbkows pries er laut. Er wusste auch genau, dass etwas an ihr nur zu echt war. Grumbkow, einem armen Geschlecht