Und dann kam das Wasser. Dagmar Isabell Schmidbauer

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Название Und dann kam das Wasser
Автор произведения Dagmar Isabell Schmidbauer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783745015102



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      Von Dagmar Isabell Schmidbauer

      Und dann kam das Wasser

Kriminalroman

      Imprint

      Und dann kam das Wasser

       Dagmar Isabell Schmidbauer

      published by: epubli GmbH, Berlin

       www.epubli.de

      Copyright: © 2013 Dagmar Isabell Schmidbauer

       www.der-passau-krimi.de Konvertierung: Sabine Abels | www.e-book-erstellung.de

      Prolog

      Träge lag ihr Blick auf der Tür, die sich vor einer Ewigkeit hinter ihm geschlossen hatte.

      Wie lange mochte es her sein? Stunden? Tage?

      Iliana versuchte ihren Kopf zu drehen und sich im Raum umzusehen. Aber ihr Körper reagierte immer weniger auf das, was sie ihm befahl. Die Muskeln der Beine zuckten unkontrolliert, und ihr Herz schlug schnell, als könnte es damit noch irgendetwas erreichen. Als könnte es weglaufen vor dem, was ihm unmittelbar bevorstand.

      Zunächst hatte sie gedacht, er würde gleich wiederkommen. Dann hatte sie vermutet, dass ihm etwas dazwischengekommen war.

      Müde fiel ihr Kopf wieder auf die Brust zurück. Wie aus weiter Entfernung spürte sie die Wand in ihrem Rücken, ihre Arme waren längst taub.

      Kurz stöhnte die Andere neben ihr auf, dann war wieder alles ruhig. Livia hieß sie. Sie kannten sich noch nicht lange, aber das Gesicht war ihr gleich bekannt vorgekommen. Vielleicht hatte sie sie schon einmal irgendwo gesehen. Vorher. Bevor sie sich auf dieses Abenteuer eingelassen hatte.

      Jetzt stöhnte auch Iliana. Aber nur leise. Sie hatte nicht mehr genug Kraft, um laut zu klagen oder gar zu schreien. „Hilfe! Hilfe!“, hatten sie am Anfang gerufen. Aber es war umsonst gewesen und hatte nur Kraft gekostet, die ihnen jetzt fehlte. Kraft, die sie in den nächsten Stunden brauchen würden.

      Sie saßen auf dem nackten Fußboden. Doch inzwischen spürten sie auch das nicht mehr. Im Raum war es unerträglich heiß. Anfangs hatten sie geschwitzt, bis T-Shirts und Hosen klatschnass waren und unangenehm an ihrem Körper klebten. Der Hunger hatte an ihren Gedärmen gezerrt wie ein kläffender Hund an der Leine, und das Gefühl, pinkeln zu müssen, hatte sie fast umgebracht. Aber der Durst, der sich leise an sie heranschlich, hatte all diese Empfindungen zunichtegemacht. Er war das Schlimmste. Sie hatte förmlich gespürt, wie sie langsam austrocknete. Erst der Mund. Dann der Hals. Schließlich der ganze Körper. Ihr Magen fühlte sich wie ein harter Klumpen an, die Haut am ganzen Körper juckte. Spannte. Trocknete ein und riss auf. Sie gierte nach Wasser. Warum hatte er ihnen kein Wasser da gelassen?

      Und warum kam er nicht wieder?

      Ein Abenteuer hatte sie sich gewünscht, etwas, was ihr Leben lebenswerter machte. Und Geld. Wer träumte nicht davon, Geld zu haben? Und schöne Kleider. Ja, auch davon hatte sie geträumt.

      „Livia. Hörst du mich?“, wollte sie fragen, aber ihr Mund war zu trocken und ihr Körper zu schwach, um klar zu sprechen.

      Die Frau in der anderen Ecke stöhnte leise. Kein weiteres Geräusch verriet, dass sie am Leben war. Nur dieses schwache Keuchen.

      „Livia! Wir dürfen nicht aufgeben“, formten Ilianas spröde Lippen tonlos.

      Und dann hörte sie endlich das leise Klimpern der Handschellen, mit denen sie an den Heizungsrohren festgekettet waren.

      „Livia?“

      „Mama?“, stöhnte die andere, und im nächsten Moment hörte sie das Würgen und schließlich, wie die Flüssigkeit auf den Boden platschte.

      O mein Gott, sie weiß schon gar nicht mehr, wo sie ist.

      „Livia, ich bin‘s, Iliana“, versuchte sie richtigzustellen.

      Aber die andere schien nicht zu begreifen.

      „Mama. Du darfst nicht böse sein … Ich war das nicht“, lallte Livia mit brüchiger Stimme. Wie eine Betrunkene.

      Vom Durst betrunken. Welch Ironie.

      „Livia?“

      Und kurz bevor der Schwindel in ihrem Kopf einsetzte und auch sie selbst nicht mehr wusste, wo sie sich befand und wie sie in diese missliche Lage gekommen war, wurde ihr bewusst, dass sie ja schon lange nicht mehr schwitzte und nicht mehr pinkeln musste, und dass das, was Livia gerade durchmachte, auch ihr bevorstand.

      Da begriff sie, dass es bald vorbei war mit ihr. Dass sie kein Abenteuer mehr erleben würde. Dass man sie einfach vergessen hatte.

      Wochen später

      In der Regel ist der Mensch dankbar, wenn ihm genug Wasser zur Verfügung steht. Er liebt das Duschen am Morgen und das Rauschen eines wilden Bachlaufs in der Natur. Wenn aber der Boden nach tagelangem Starkregen den Segen von oben nicht mehr aufnehmen kann, wenn Bäche und Flüsse zu reißenden Strömen werden und schließlich über die Ufer treten, dann spricht man von sintflutartigen Regenfällen, von Klimawandel und Versäumnissen, und irgendwann sogar von einer Katastrophe. Dabei gehört Hochwasser, so schlimm es sich auswirken mag, zum natürlichen Wasserkreislauf und wird dem Menschen immer wieder die Grenzen seiner Macht aufzeigen.

      Auch in Passau bahnte sich Anfang Juni für die Bevölkerung eine Katastrophe an. Zunächst regnete es einfach häufiger und ein bisschen als sonst. Dann, als jeder schon darauf wartete, dass es endlich genug war und der Sommer Einzug halten würde, kam er, der ganz große Regen. Tagelang schüttete es wie aus Kübeln. Die kleinen Zuläufe von Inn und Donau brachten immer mehr Wasser und ließen die großen Flüsse so weit anschwellen, dass sie an ihrem Zusammenfluss, an der Ortsspitze von Passau, einfach nicht mehr genug Platz in ihrem Bett fanden. Innerhalb kürzester Zeit traten sie über die Ufer. Das Wasserwirtschaftsamt hatte längst vor der drohenden Gefahr gewarnt, und die, die in Ufernähe wohnten, hatten sich auf das, was sie hier regelmäßig heimsuchte, gut vorbereitet. Die Keller waren ausgeräumt, die Türen mit Sandsäcken und speziellen Hochwasserschutzabdeckungen gesichert. Ruhig harrten die Anwohner aus und hofften darauf, mit einem blauen Auge davonzukommen. Genau wie die Mitglieder des Passauer Krisenmanagements. Wie immer hatten sie die längst fertigen Pläne aus den Schubladen geholt und sich für das Unvermeidliche gerüstet. Nur um kurz darauf festzustellen, dass man sich auf solch epochale Katastrophen einfach nicht vorbereiten konnte.

      Doch zu dieser Zeit ahnte niemand, wie schrecklich die Ereignisse noch werden sollten, die die Stadt innerhalb weniger Tage heimsuchen würden.

      Als Franziska Steinbacher, Oberkommissarin bei der Mordkommission in Passau, vor dem Haus, in dem sie lebte, aus dem Auto und direkt in eine tiefe Regenpfütze stieg, schickte sie einen mürrischen Fluch zum Himmel hinauf, bis sie sich selbst in Erinnerung rief, dass ein nasser Turnschuh angesichts dessen, was unten in der Altstadt vor sich ging, nur eine Lappalie war.

      Nur wenige Augenblicke später huschte ihr ein Lächeln übers Gesicht, denn oben in der Wohnung wartete ihr Freund, der Bühnenkünstler Walter Froschhammer auf sie. Es war durchaus denkbar, dass er ihr bereits ein heißes Bad eingelassen, etwas Leckeres gekocht und eine gute Flasche Rotwein geöffnet hatte. Beim Gedanken an den gut gebauten Bühnenkünstler schwebte Franziska geradezu die Stufen hinauf, schloss die Wohnungstür auf und rief: „Walter, bist du da?“

      Ihr Herz klopfte bis zum Hals, doch außer dem aufgeregten Pochen in ihrem Innenohr vernahm sie nichts.

      „Walter?“, versuchte sie es erneut, aber auch dieses Mal bekam sie keine Antwort. Im Bad plätscherte kein Wasser in die Wanne, in der Küche brutzelte keine Köstlichkeit in der Pfanne, und in der ganzen Wohnung war es mucksmäuschenstill.