Tödliche Rendite. Irene Dorfner

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Название Tödliche Rendite
Автор произведения Irene Dorfner
Жанр Языкознание
Серия Leo Schwartz
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742741424



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Hand. Zwischen Daumen und Zeigefinger müsste das Muttermal sein. Dann sah sie es. Hier auf diesem Bild war das Mal zu sehen; zwar unscharf, aber das reichte ihr. Sofort notierte sie diese Kleinigkeit.

      Dann meldete sich Katja.

      „Der Wagen gehört einer Autovermietung Harbeck in München.“

      „Kenne ich. Danke, Katja.“

      „Immer wieder gerne. Noch etwas?“

      „Im Moment nicht.“

      Anita fand die Rechnung im Anhang und überwies die dreihundert Euro sofort. Katja arbeitete prompt und verlangte das auch von der Bezahlung.

      Die Autovermietung Harbeck war zwanzig Minuten von Anitas Büro entfernt. Hier musste sie versuchen, an Informationen bezüglich des Mieters zu kommen, was nicht leicht werden würde. Sie musste geschickt vorgehen und hatte auch schon eine Idee, wie das funktionieren könnte. Sie steckte sich einen Kaugummi in den Mund und nahm ihn nach zehn Minuten wieder raus. Noch im Wagen drückte sie ihn auf das Armaturenbrett ihres neuen Wagens, was ihr eigentlich zuwider war. Kaum zehn Kilometer auf dem Tacho und schon wurde das Armaturenbrett missbraucht. Aber wo sollte sie den Kaugummi sonst hintun? Sie steckte den nur angetrockneten Kaugummi vorsichtig in ihre Jackentasche, als sie das gesuchte Fahrzeug auf dem Hof der Firma stehen sah. Sie hatte Glück, der Wagen war tatsächlich da!

      Bevor sie ausstieg, wischte sie mit dem Ärmel ihrer Jacke über die Stelle am Armaturenbrett, wo gerade noch der Kaugummi war. Perfekt, man sah nichts mehr.

      Das Büro der Autovermietung Harbeck war muffig und unordentlich. Es roch nach Zigarettenqualm, was Anita nicht mochte. Der behäbige Mann hinter dem zugemüllten Tisch strahlte sie an, als sie eintrat. Der Mann dürfte kein größeres Problem darstellen. Anita war sich sicher, dass sie ihre Informationen bekam. Sie setzte sich, schlug die langen Beine übereinander und verlangte, den gesuchten Wagen zu mieten.

      „Sie wollen den Benz? Der passt doch nicht zu einer solch hübschen Dame. Nehmen Sie den gelben Sportwagen, der danebensteht. DAS ist das richtige Fahrzeug für Sie, glauben Sie mir.“

      „Danke, aber ich möchte den Benz. Vorausgesetzt, es wurde darin nicht geraucht.“

      „Selbstverständlich nicht! In unseren Fahrzeugen herrscht absolutes Rauchverbot. Und nach der Rückgabe erfolgt eine gründliche Reinigung.“

      „Wenn ich mir den Wagen ansehen dürfte?“

      „Gerne.“ Der Mann, der sich ihr als Karlstedt vorstellte, nahm den Schlüssel aus der Schublade, stand auf und zog die Hose nach oben, da sie ihm fast über den Hintern gerutscht war. Auf dem Schoß leuchtete ein fetter Kaffeefleck. Er grinste verlegen und ging voraus. Karlstedt gab sich galant und öffnete ihr die Wagentür. Anita setzte sich hinters Steuer, wobei sie den Kaugummi aus der Tasche zog und auf dem Fahrersitz platzierte. Sie bewegte sich vor und zurück, auch nach links und rechts. Das dürfte reichen, der Kaugummi würde seine Dienste leisten.

      „Der Wagen ist perfekt, den brauche ich für zwei Wochen, eventuell auch länger. Ist das ein Problem?“

      „Natürlich nicht.“

      Anita stieg aus und schrie auf, als sie theatralisch bemerkte, dass ein Kaugummi an ihrem teuren Rock klebte. Es war offensichtlich, dass der auf dem Fahrersitz gelegen haben musste, denn dort waren deutliche Spuren zu sehen. Karlstedt war sprachlos. Ihm war die Situation dermaßen unangenehm, dass er zunächst keinen Ton herausbrachte.

      „In der Haut desjenigen, der den Wagen gereinigt hat, möchte ich nicht stecken“, sagte Anita und sah dabei Karlstedt vorwurfsvoll an. „Sehen Sie sich meinen Rock an!“

      „Das verstehe ich nicht. Um die Fahrzeugreinigung kümmert sich meine Frau, auf die kann ich mich immer zu einhundert Prozent verlassen. Außerdem kaut bei uns niemand Kaugummi, ich schwöre. Meine Frau mag das nicht und verbietet es jedem, der es wagt, einen Kaugummi zu kauen. Wie kommt dieses eklige Ding auf den Fahrersitz?“ Karlstedt verstand die Welt nicht mehr. „Ich kapier das nicht, ich kann mir das einfach nicht erklären.“

      „Welches Ferkel hat den Wagen zuletzt gefahren?“, maulte Anita Seidl, die sich ein Lachen kaum verkneifen konnte. Der Schaden hielt sich in Grenzen, denn sie wusste, wie sie den Kaugummi wieder beseitigen konnte.

      „Es kann eigentlich nicht sein, dass der Wagen ohne mein Wissen ausgeliehen wurde. Und wenn, dann muss das in den Unterlagen stehen.“ Karlstedt ging voraus und Anita folgte ihm. Jetzt würde sie Einblick in die Unterlagen bekommen und damit vermutlich auch irgendeinen Hinweis auf den Unbekannten.

      Karlstedt blätterte in der Mappe und tippte dann auf der Tastatur seines Computers.

      „Das verstehe ich nicht. Braunbach hat den Wagen am sechsundzwanzigsten Februar zurückgegeben. Seitdem wurde der Wagen nicht mehr bewegt. Wenn Braunbach tatsächlich derjenige gewesen war, der dafür verantwortlich ist, müsste der Kaugummi doch längst steinhart sein. Aber wer käme dafür sonst in Frage?“ Karlstedt rief seine Frau an, die die eigentliche Inhaberin der Autovermietung war, nachdem sie diese von ihrem Vater übernommen hatte. Sie bestätigte, dass sie selbst die Wagenreinigung abgenommen hatte und sich nicht erklären konnte, wie der Kaugummi auf den Fahrersitz gelangen konnte. Während des Telefonats hatte Anita keine Chance, einen Blick auf den Bildschirm oder in die Unterlagen zu werfen. Verdammt!

      „Vielleicht doch der letzte Mieter?“, drängelte Anita, wobei sie ein angewidertes Gesicht zog und umständlich auf ihrem Stuhl saß.

      Karlstedt wusste sich nicht anders zu helfen und kam der Bitte der hübschen Frau nach. Er rief die Daten des Mieters auf und wählte die Handynummer. Darauf hatte Anita gewartet. Sie stand auf und tat so, als würde sie an ihrem Rock herumzuppeln – aber in Wahrheit prägte sie sich die Handynummer ein, die sie deutlich auf dem großen Bildschirm lesen konnte. Karlstedt unterhielt sich mit Braunbach, also stimmte die Nummer. Sie nahm ihr Handy und speicherte die Nummer ein. Sie hatte, was sie wollte. Noch während des Telefongesprächs zwischen den Männern ging sie einfach. Sie stieg in ihren Wagen und fuhr davon.

      „Hallo Katja. Ich schicke dir eine Handynummer. Kannst du herausfinden, wo das Handy gerade eingeloggt ist?“

      „Kann ich versuchen, wird aber nicht billig. Ich melde mich wieder.“

      Anita hatte nur den Rock ausgezogen und sofort die Nachricht geschrieben, als sie wieder in ihrem Büro war. Nachdem sie die Kaugummireste mühelos entfernt hatte, zog sie sich einen anderen Rock an und genoss dann einen weiteren, starken Espresso. Das war der Letzte für heute, das nahm sie sich fest vor.

      „Die Nummer ist in Burghausen eingeloggt. In der Kaiserstraße zwölf. Noch etwas?“

      „Nein, danke. Gute Arbeit, Katja.“

      „Immer gerne.“

      Die Rechnung war angefügt. Darüber, dass es diesmal sechshundert Euro waren, wunderte sich Anita nicht. Im Internet gab sie Burghausen und die von Katja genannte, dortige Adresse ein. Hier war der Unbekannte? Sie war überrascht, denn Burghausen war nicht weit von Mühldorf entfernt, und dort lebte ihr Hans. Vielleicht fand sie die Zeit, auf einen Sprung bei ihm vorbeizuschauen? Bei der Gelegenheit könnte sie ihren neuen Wagen präsentieren, was ihm mit seinem mickrigen Beamtengehalt sicher die Sprache verschlagen würde. Hans war nicht neidisch, er gönnte jedem alles. Sie war da völlig anders. Aber jetzt ging es nicht um Hans und um ihr Privatleben, sondern um die Arbeit, die bei ihr immer an erster Stelle stand.

      Sie nahm ihre Tasche, die für Notfälle immer gepackt war. Darin befanden sich Kleidung und Waschutensilien, die einige Tage ausreichen dürften. Ob sie die Tasche brauchen würde, wusste sie jetzt noch nicht. Sie nahm Laptop, Tablet und die Handtasche. Dann konnte es losgehen. Sie war neugierig darauf, was sie in Burghausen erwarten würde. Sie könnte ihrem Auftraggeber mitteilen, dass sie den Mann gefunden hatte, der seine Mutter so schändlich ausgenommen hatte. Aber noch brauchte sie einen Beweis dafür.

      Die Fahrt war trotz der klirrenden Kälte für Anita sehr angenehm, denn die Heizung ihres neuen Wagens war hervorragend. Das war eines