Halbzeitland. Gordon Müllenbach

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Название Halbzeitland
Автор произведения Gordon Müllenbach
Жанр Языкознание
Серия Kurzgeschichten
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742786708



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und die Nachkühlphase endet,

       Was mich so verunsichert?

      Öjwind weiß nicht mehr, was er eigentlich wirklich tarieren will,

       Ehrfurcht!?

      fragt er sich und zieht den Stecker von dem Kühlschrank aus der Dose, welcher in der Wohnung, bis soeben, Tag und Nacht, in zirkularem An- und Ausspringen zu hören gewesen ist,

       Der wird jetzt doch endlich aus sein!

      Aber, das allein kann Öjwind nicht so schubhaft durch die Nächte transformiert haben, auch keine Wasserader oder sonstigen elektro-energetischen Erdkalorien,

       Emo-Nonsens!

      ruft Öjwind aus und wirft sich auf das Lager in dem Raum neben der Küche,

       Der Morgen beginnt.

      Durch das Fenster scheint die aszendierende Sonne auf tigerhaft schattierte, handgroße Blätter einer Gummibaumpflanze auf einer Marmorsäule,

       Die Sonne scheint,

      dann,

       die Sonne scheint auf zu gehen,

      und,

       macht nichts!

      erinnert Öjwind, und einen Augenblick lang fällt ihm nichts Besonderes zu dem Schauspiel der Härte und brennenden Unliebe einer stellaren Ränke ein, die ihm das Kaleidoskop von Tag und Nacht durchlöchert und, Öjwind anstoßend, Zepter zugleich ist - er hält aufmal inne,

       Die Regenbogen-Clownin?! - wo eigentlich ein Notausgang am Horizont! - wichtig wird den Weg richtig zu wählen, wenn ein wenig Inspiration aufglimmen soll! - und am besten, bevor die Schatten zu Schranken vergangenen Lebens werden, gehen wir ohne Ziel durch das heimatliche Städtchen, ich bin mir sicher, auf solchen Spaziergängen erwartet uns die in Gänze, heile Welt, die zu Grab schwingt, und wenn schon!

      Öjwind beschließt,

       Nirgends zu wohnen, in einem Land ohne Wege! - jetzt wird es abends!

      und er zieht einen graphitgrauen Strich neben der Topfpflanze auf den Säulenmarmor.

       Neulich,

      sagt Öjwind sich. Der Strich zu einem Neulich, einem N davon, einem erneuerlichen Anfang von einigem N,

      /

      Öjwind zieht sich an, kämmt die Haare und geht aus dem Zimmer, rennt aus der nachts schon, unbewusst geöffneten Eingangstür in den Hausflur der achten Etage.

      Öjwind geht los, die Beachtung sonderweltlicher Innerstimmen aufgebend,

       Innere Stimmen? - die gehören sowieso nicht zu mir!

      sagt Öjwind zu sich.

      Das Gefühl der Befreiung durchströmt Öjwind ganz oben, als er sich aufmacht, die Tür hinter sich schließt und das Sonnenlicht bemerkt, welches durch die Dachluken auf dem Hausflurboden leuchtet,

       Solange ich gehe, bin ich!

      In die Parterres angelangt, bekommt Öjwind Kopfschmerzen, darob vorn hinauszugehen, vorbei an einem Zeichen, einer Tür und durch einen kleinen Treppenflur, in welchem die Zeitungen mit den Wohnungs- und Stellenangeboten auf dem Boden liegen und der stets direkt auf den Entschluss zuläuft,

       Nach dem Eingang links oder rechts - oder durch die Hintertür in das Freie?

      In dem Flur vor einer Zeile Postkästen versunken, steht Öjwind und balettiert langsam im Sonnenlicht um seine Achse, empfängt zeitlupenhafte Projektile aus Mündungen, welche er nicht sieht und, Öjwind gesteht sich ein, welche ihn auch nicht durchsieben werden.

      Auf dem Hinterhof spielen Kinder auf einer Hälfte des kleinen, mit einem braunen Holzlattenzaun von den Parkplätzen abgetrennten Feldes Fußball. Die andere Hälfte ist von einem rotweißen Bauband gesperrt, auf welcher der Versuch einer Rasenpflanzung ihren Werdegang vollzieht.

      „Na, alles klar?“, ruft der Junge aus dem fünften ihm zu und gibt Öjwind die Hand,

       Mir geht das prima, und selber?

      Die Unbefangenheit wirkt erleichternd auf Öjwind, welcher anspruchslos nur der Ältere ist, was ihm der natürlichen Art von Respekt nahezukommen scheint, als der Junge merkt, dass nichts Weiteres sich entwickelt, wenn er nicht Initiative ergreift.

      „Tschö, wir sehen uns!“, sagt der.

      Öjwind genießt den Moment des Älter-Seins, den er ohne Dank hinnimmt, und geht durch die schmale Ein- und Ausfahrt in Richtung Straße weiter, schreitet an dem Hauseingang und dem anliegend aufgebrochenen Zigarettenautomaten vorbei,

       Was ist das nochmal gewesen?

      Als er weit von den Fenstern der Parterres entfernt ist, quert Öjwind die breite vielspurige Straße und blickt noch kurz zu den Fenstern,

       Gehe ich jetzt überhaupt einen wichtigen Weg?!

      Öjwind geht auf die große Eisenbahnüberführung zu, erblickt an einer Ampel noch auf Grün-Phase wartende Menschen und schreitet, in einiger Entfernung, an den Stehenden vorbei. Eine Frau auf einem Fahrrad rollt die leichte Neigung der abbiegenden Straße herab und fährt, zwar blickerwidernd, aber nicht zu einem Gruß motiviert, an ihm vorüber. Öjwind beschließt nach den grußlos gebliebenen Treffen,

       Keinen Menschen mehr anlächeln oder ansprechen! - so denkt ein Bargehn!

      Öjwind kommt in die Straße, in welcher die Redaktion liegt,

       Die habe ich noch gar nicht aufgesucht!

      Er betritt den hölzernen Vorraum der Zeitung, an welchen ein Kaffeehaus angekoppelt ist, und geht an dessen offener Eingangstür vorbei, in den entlegenen Teil des Gebäudes und in einen großen Raum,

       Hm? - hinten in der Ecke steht der Bürotisch mit dem Gigabyte Mehr auf der Platte, - Volontariat habe ich heute also nicht.

      Direkt gegenüber den Schreibtischen ist eine Fensterreihe, welche den Steingarten dahinter freigibt, in dem Frauen aus der Küche verschiedenes Gemüse putzen, um dieses kochfertig zu machen, aber ausgerechnet heute bekommt Öjwind keinen Teller Mittag ab,

       Die aktuelle Versammlung ist verpasst, in der alles Weitere besprochen worden ist!

      Und so, unvermutet zu spät gekommen, besetzen andere Straßenverkäufer Öjwinds eigentlichen Arbeitsplatz.

       Hier ist ein Kommen und Gehen! - und alle sind dabei an den nächsten Themen zu schmieden,

      ertappt er sich.

      Die zeitnahe Ausgabe ist längst mit den Händlern unterwegs, und Öjwind beschließt, sich einen Weg in den Steingarten zu bahnen,

       Eigentlich will ich in dem Trubel rechtzeitig aufgetaucht sein.

      Öjwind betrachtet den Schieferplattenweg, welcher an der Balkontür neben der Fensterreihe zum Garten beginnt,

       Die liegen ganz gerade verlegt und frisch dazu!

      In der Mitte des Steingartens steht ein Eingang zu einem bunkerähnlichen und sehr flach gemauerten Bau, in welchem sich eine Treppe steil und schneckenförmig als Eleison in den Keller windet,

       Eine Warze Beton und mitten im Steingarten, auf der ein paar Töpfe mit Pflanzen stehen!

      Öjwind kann aus dem Stand auf den breiten Dachsockel, auf welchem die Schüsseln mit Geschältem abgestellt sind, hinaufspringen und hört aus einer geöffneten Hintertür ein angeregtes Kochen. In dem Küchenraum wird zwischen chromglänzenden Möbeln das Zubereitete hin- und