GLOVICO. Ekkehard Wolf

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Название GLOVICO
Автор произведения Ekkehard Wolf
Жанр Языкознание
Серия Europakrimi "Schattenmann"
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738033540



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die zunehmende Zahl von illegalen Einwandern, die über die grüne Grenze nach Deutschland geschleust wurden. Im Rahmen einer bilateralen Expertenkommission sollten erneut die Möglichkeiten für einen verbesserten gegenseitigen Informationsaustausch abgeklärt werden. Beide Frauen waren von ihren damaligen jeweiligen Dienststellen für die Teilnahme an den insgesamt fünf Treffen abgeordnet worden, die wechselweise auf deutschem und polnischem Boden stattfanden. Seither hatten sich beide nicht nur dienstlich mehrfach getroffen.

      Auf Fragen der Datensicherheit war die Polin zunächst von der Deutschen aufmerksam gemacht worden, als diese mit Fragen des Schutzes vor Spyware zu tun hatte.

      „Mir ist da ein seltsames Tool aufgefallen“, hatte die zu dieser Zeit dunkelblonde Frau mit gewichtiger Miene erklärt und hinzugefügt: „Unter dem Deckmäntelchen eines Gewinnspiels versuchen die Autoren an die vertraulichen Daten der Teilnehmer heran zu kommen.“

      Schnell hatte die Polin herausgefunden, dass ein Großteil der auf den entsprechenden Suchbegriff reagierenden Links auf eine intensive polnische Beteiligung an diesem Vorhaben hindeutete.

      „Ein polnischsprachiges Tool,“ hatte sich die Deutsche gemeinsam mit der Polin gewundert, „das ist ja wohl eher ungewöhnlich.“ Beide hatten sich darauf verständigt, das Phänomen „im Auge zu behalten“. Das Thema hatte zwischen ihnen danach aber trotzdem keine besondere Rolle mehr gespielt. Auch nach der mit der Versetzung nach Moskau verbundenen Verwandlung Ruths in Tatjana hatten es beide Frauen verstanden, miteinander in Kontakt zu bleiben. Das geschah seither in der Regel über solch kurzfristig eingerichtete e-Mail Adressen. Für die Übermittlung der Zugangsdaten hatten sich beide ein richtig „konspiratives System“ einfallen lassen, wie Agnieszka schmunzelnd festgestellt hatte.

      „Speziell das Thema Trojaner hat aber auch dabei bisher eigentlich keine wirklich herausragende Rolle gespielt,“ machte sich die Frau in Gedanken zum wiederholten Male klar, während ihr Begleiter den schweren Wagen durch die Fjordlandschaft lenkte. Umso beunruhigender war, dass dieses Thema jetzt offenkundig für irgendwelche Leute so wichtig war, dass deshalb keine Kosten und Mühen gescheut wurden, um sie bis nach Norwegen zu verfolgen.

      „In was für ein Wespennetz hast du da bloß gestoßen,“ wiederholte Ruth Waldner nachdenklich und wählte erneut die Nummer ihrer amerikanischen Freundin. Doch deren Handy war noch immer abgeschaltet.

      Unterdessen

      Unterdessen hatte die fest an ihren Kletterbaum geklammerte Amerikanerin nicht allzu lange Zeit, um sich zu entscheiden, wie es weitergehen sollte. Ihr war klar, dass ihr Versteckspiel jetzt reichlich albern wirken musste. Sie fand es zugleich peinlich dabei ertappt zu werden, dass sie sich aus Angst auf einen Baum geflüchtet hatte. Die beiden Männer unter ihr machten indes keinerlei Anstalten, sich von der Stelle zu bewegen. Anstatt die Tasche aufzunehmen und ins Licht zu tragen, beschränkten sich die Männer darauf, die Frau herbei zu rufen.

      Die Situation entbehrte nicht einer gewissen Komik. Wenige Zentimeter über den drei Polen klammerte sich die Gesuchte krampfhaft im Geäst der Tanne fest und wagte kaum zu atmen. Die Frau unter ihr wiederholte mit einem Anflug von Panik in der Stimme direkt unter ihr ihre Ansage in gebrochenem Englisch.

      „Viola, wenn Sie hier irgendwo sind, bitte kommen Sie zu mir. Ich habe eine Nachricht von Rosi für Sie. Sie müssen sich nicht fürchten. Wir sind Freunde.“ Die Frau auf dem Baum darüber konnte sich nicht mehr länger halten. Ohne den geringsten Laut von sich zu geben, rutschte sie ab, versuchte nachzufassen, griff nochmals nach, griff daneben und schwebte danach ganz, ganz langsam von ihrem Versteck herab, direkt vor die Füße der überraschten Bodybildertypen. Sie fiel der Länge nach hin, spürte plötzlich einen stechenden Schmerz im Kopf und verlor das Bewusstsein.

      Als sie wieder zu sich kam, blickte Viola Ekström in die Augen genau der Frau, deren unerwartete Anwesenheit sie zuvor – „wie lange war das eigentlich her?“ -in Panik versetzt hatte. Ihr reflexartiger Versuch, sich aufzubäumen, wurde von der bekannten Unbekannten mit sanfter Gewalt blockiert.

      „Beruhigen Sie sich,“ versuchte die fremde Stimme in der bereits vertrauten Tonlage auf die Liegende einzuwirken. „Ich bin Agnieszka,“ gab ihr die Polin zu verstehen und wies zugleich dem am Steuer sitzenden Goliath an: „Fahr los!“

      Nach einem Moment der Orientierungslosigkeit realisierte die Angesprochene, dass sie sich in dem von ihr selbst gemieteten VW-Bus befand. Sie lag auf der umgeklappten Rücksitzbank mit den Füßen im Gepäckraum. Vor ihr am Kopfende saß die Polin. Der Wagen war in Bewegung. Einer der beiden Bullen saß am Steuer. Der Zweite fehlte.

      „Sie sollen sich nicht beunruhigen.“ Es dauerte einen Moment, bis der Sinn der Worte bis zu ihrem Bewusstsein vorgedrungen war, aber zugleich registrierte die Bedienstete der NSA, dass sie offenkundig am Leben war. Allein diese Wahrnehmung ließ ihre Lebensgeister wieder erwachen.

      „Wer sind Sie?“ waren die ersten Worte, zu denen sie sich überwinden konnte.

      „Ich bin Agnieszka,“ wiederholte die Frau neben ihr. „Wir waren verabredet. Ich bin die Überraschung, von der Ihnen Rosi hoffentlich erzählt hat. Rosi hat angerufen. Sie hat versucht Sie per Handy zu erreichen. Sie sind nicht an den Apparat gegangen. Wir haben uns Sorgen gemacht.“

      Viola begann den Sinn der Worte schrittweise zu erfassen. Sie fing von hinten an.

      „Rosi hat angerufen?“ wiederholte sie die letzte Bemerkung und war unmittelbar darauf erneut in der Situation, von der Polin mit sanfter Gewalt daran gehindert werden zu müssen, sich ruckartig auf zu richten.

      „Sie werden sich weh tun.“ Immerhin war Viola Ekström bereits so weit wieder hergestellt, dass sie realisierte, dass die Frau neben ihr einen fast mütterlichen Ton anschlug. In der Sekunde danach hatte sie sich wieder voll im Griff.

      „Ok, lassen Sie mich aufstehen und erklären sie mir, was hier abgeht,“ raunzte sie die auf der Rücksitzbank des Transporters vor ihr Sitzende mit noch nicht gänzlich wiederhergestellter Stimme an. „Aber passen Sie auf, dass Sie sich nicht den Kopf stoßen beim Aufrichten,“ entgegnete die Polin.

      Sodann erzählte sie der Amerikanerin davon, was sie mit Ruth am Telephon vereinbart hatte.

      „Wir müssen unbedingt über die Grenze nach Schweden,“ erklärte Agnieszka Malik abschließend, „sonst sind wir geliefert.“

      „Ich verstehe nicht, wieso Schweden, wieso Grenze? Schweden gehören doch zur EU,“ begehrte die Frau von der NSA auf.

      „Es gibt trotzdem praktisch keine Grenzkontrollen nach da mehr, die Grenze schon,“ belehrte sie Agnieszka, „und auf der anderen Seite sitzen unsere Leute. Erst danach sind wir in Sicherheit.“ Anschließend erfuhr Viola Ekström ein weiteres Mal von dem „Trojaner“. Danach hatte sie das dringende Bedürfnis nach einer Toilette. Der VW-Bus musste zudem nachgetankt werden.

      „Ich denke, es wird besser sein, wir setzen die Fahrt getrennt fort,“ hatte die Polin beim Halt entschieden. „Ich fahre mit Tomas voraus. Sie kommen in etwa einer Viertelstunde nach. Kristof wird zur Sicherheit mit Ihnen fahren. Wir treffen uns das nächste mal in Haugastöl,“ hatte Agnieszka der Amerikanerin klar gemacht, aber dazu sollte es nicht mehr kommen.

      Gleich, nachdem der Audi mit den beiden Polen abgefahren war, hatte sich Viola Ekström auf der Toilette frisch gemacht, anschließend noch schnell einen kleinen Imbiss eingenommen und ein kurzes Telephongespräch von der Telephonzelle aus geführt. Dann war sie mit ihrem polnischen Bodyguard am Steuer im VW-Bus ebenfalls wieder auf die Sieben eingebogen und nach Osten gefahren. Erst eine Viertelstunde später hatten sie den PKW wieder vor sich. Bereits aus der Ferne war das Auto nicht zu übersehen; denn er brannte lichterloh.

      Ich bin mir nicht sicher

      „Ich bin mir nicht sicher, ob das vernünftig ist, wenn wir so weit voraus fahren,“ hatte der Fahrer des dunkelblauen Audi A6 gerade zu bedenken gegeben, ohne von seiner Vorgesetzten eine