überleben erfolgreich (in genau dieser Reihenfolge). Herbert Lülsdorf

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Название überleben erfolgreich (in genau dieser Reihenfolge)
Автор произведения Herbert Lülsdorf
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783753120614



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Berechnungen berücksichtigen müssten. Trotzdem ist es nicht so, dass wir hier keine Regeln ableiten und genaue Berechnungen durchführen könnten - im Gegenteil. Wir können die Wahrscheinlichkeiten für jeden möglichen Spielausgang präzise berechnen. Das Ergebnis können wir ohne die Berücksichtigung eines Fehlers zu 100 % mit der Realität in Übereinstimmung bringen. Bei 0 bis 36 ergeben sich 37 mögliche Ergebnisse mit der exakt gleichen Ereigniswahrscheinlichkeit von 1/37. Wir können erkennen, dass Roulette ein reines Glücksspiel ist, bei dem jedes Ergebnis gleich wahrscheinlich ist. Die Spielregeln wurden absichtlich so gewählt, dass das Ergebnis völlig zufällig ist und nicht beeinflusst werden kann.

      Wer Börsengeschäfte abfällig als Casino-Zockereien bezeichnet, übersieht, dass im Casino Chancen und Risiken völlig transparent und berechenbar sind. Bei Börsengeschäften ist das genaue Gegenteil der Fall.

      Realität/Sonderfall – Maschine

      Ein weiterer, wenn auch sehr langweiliger Sonderfall eines auf den Naturgesetzen basierenden mit rationaler Logik berechenbaren „Spiels“ ist die Maschine. Eine Maschine liefert auf Anforderung ein immer gleiches Ergebnis. Das Können und der Zufall spielen hierbei keine Rolle. Es fällt eindeutig in meinen Aufgabenbereich als Maschinenbauingenieur, die ultimative Billardmaschine zu bauen. Ich schaue hierzu in die mithilfe meiner Berechnungen erstellte Zeichnung. Ich bewaffne mich mit Akkuschrauber, SPAX-Schrauben und Holzleisten. Gekonnt schraube ich Holzleisten auf das Spielfeld und begrenze somit gezielt die Laufbahn der Kugeln. Der Winkel, mit dem ich die erste Kugel anstoße und der Fehler spielen keine Rolle mehr, weil ich die Leisten so angeschraubt habe, dass die Kugel nur noch in die Öffnung fallen kann. Alles andere ist ausgeschlossen, selbst der größte Grobmotoriker kann den Spielzug mit 100 %iger Wahrscheinlichkeit erfolgreich durchführen. In gleicher Weise, wie jemand einen Lichtschalter drückt und so das Licht anschaltet, kann man mit dieser Maschine höchst erfolgreich Billard spielen, wenn auch auf etwas einfältige Weise. Beim Bau einer Maschine legen wir Spielregeln fest und begrenzen Fehler in einer Weise, dass wir das Ergebnis mit 100% Genauigkeit vorhersagen können.

      Mit dieser Vorgehensweise konstruiert und baut man elektrische Zahnbürsten, Straßenbahnen, U-Boote, Raumstationen usw. Überall in Maschinen hat man physikalische Wirkungsketten so angeordnet, dass das Drücken eines Schalters, Bedienhebels oder via Alexa eine genau vorhersehbare Reaktion des Systems erzeugt.

      Menschen sind heute überall von Maschinen umgeben. Für den Menschen sind Maschinen sehr vorteilhaft, weil sie funktionieren. Sie liefern auf Anforderung das vorhergesagte, beabsichtigte, gewünschte Ergebnis ohne jede Unsicherheit. Dabei hat der Nutzer meist nicht die geringste Vorstellung von dem, was in der Maschine vor sich geht und von den Gesetzmäßigkeiten, die der Konstruktion zugrunde liegen. Durch die Omnipräsenz funktionierender Maschinen, die von Fachleuten konstruiert und geplant wurden, hat sich in unserer Gesellschaft ein großer Irrglaube von Dingen, die funktionieren, verbreitet.

      Dieser völlige Irrglaube besteht darin, dass Dinge funktionieren, weil Experten oder Wissenschaftler sie sich ausgedacht haben. Dass man nur genug wissen muss, um Dinge dazu zu bringen, dass sie funktionieren, ist ebenfalls nicht zutreffend, denn:

      Dinge funktionieren nicht, nur Maschinen funktionieren!

      (Maschinen sind sehr, sehr spezielle Dinge!)

      Alles andere erfüllt oder enttäuscht unsere Erwartungen!

      Das ist, wie wir im weiteren Verlauf des Buches sehen werden, ein riesiger Unterschied. Wir müssen die Dinge gut auseinanderhalten! Wenn das, womit wir uns beschäftigen, keine Maschine ist, könnte es völlig egal sein, was wir erwarten.

      Realität/Das Leben ist kein Spiel

      Spiele und Spielregeln werden von Menschen erfunden, um eine künstliche, exakt definierte Umgebung/Realität zu schaffen. In dieser künstlichen Umgebung kann der Einfluss des Zufalls ausgeschlossen sein oder er kann überwiegen. Der Einfluss der Spieler mit ihrem Können und Wissen kann entscheidend sein oder irrelevant. Das Ergebnis kann vorhersagbar oder völlig ungewiss sein. Die Spieler handeln im Spiel nur so, wie es die Spielzüge innerhalb der Spielregeln zulassen - nicht als frei entscheidende, unberechen-bare, emotionale Wesen. Das Spiel soll schließlich seinen Zweck erfüllen. Die Spielregeln sind einfach und für alle Spieler verständlich. Kein Spieler wird durch die Regeln benachteiligt.

      Ein Spiel ist also immer eine künstliche, vereinfachte, idealisierte Umgebung.

      Die Realität unseres täglichen Lebens wird zu jedem Zeitpunkt durch unser Können, unser Wissen, den Zufall, die Handlungen unserer Mitmenschen und alles, was sonst noch im Universum passiert, beeinflusst, ohne dass wir wissen können, wie groß die Einflüsse der vielen Faktoren gerade sein könnten. Viele Faktoren beeinflussen sich ständig gleichzeitig in diesem komplexen System. Was unser Leben beeinflusst, hat keinen Zweck, der einfach zu verstehen ist. Um es mit Herbert Grönemeyer zu sagen: „Das Leben ist nicht fair.“

      Wenn ich einen Eimer Wasser in den Tank Ihres Autos schütte, dann weiß ich sehr genau, was passiert, wenn Sie damit losfahren. Ich weiß das nur, weil Ihr Auto eine Maschine ist.

      Wenn Sie einem Profiboxer heftig vors Schienbein treten, dann kann das böse enden oder der Beginn einer wunderbaren Freundschaft sein. Es kann auch noch viele andere Folgen haben. Niemand kann das vorher wissen. Was im Kopf des Boxers vorgeht, ist komplex. Niemand kann seine Reaktion vorher-sagen.

      Technische Probleme sind meist kompliziert. Probleme, die den Menschen betreffen, sind komplex. Die meisten Menschen unterscheiden kompliziert und komplex nicht. Weil beides schwierig zu verstehen ist, denken sie, es sei das Gleiche. Es ist nicht schlau, das Komplexe wie etwas Kompliziertes zu behandeln.

      Wenn Sie dem Boxer nicht vor das Schienbein treten, sondern Billard mit ihm spielen, kann er nur innerhalb der sehr begrenzten Möglichkeiten handeln, die die Spielregeln zulassen. Er kann entweder einen guten oder einen schlechten Spielzug machen. Im Gegensatz zu der Realität des täglichen Lebens tritt der Mensch, mit all seinen völlig unvorhersehbaren Reaktionsmöglichkeiten, in einem Spiel überhaupt nicht in Erscheinung. In der Realität unseres täglichen Lebens existieren selbstverständlich auch Regeln. Abgesehen davon, ob wir uns an diese Regeln halten oder nicht, begrenzen sie unseren Handlungsspielraum nur an den äußeren Rändern, in der Regel dort, wo wir anderen Menschen Schaden zufügen. Das Spielfeld unseres täglichen Lebens und unser Handlungsspielraum sind nahezu unendlich groß und viele Menschen mit all ihren Handlungsmöglichkeiten nehmen Einfluss darauf. Je nachdem, was wir tun, haben unser Können, der Zufall, Planung und Berechnung sowie eine Vielzahl von „Mitspielern“ gleichzeitig und in unbekanntem Umfang und unbekannter Qualität Einfluss auf das Ergebnis, das wir erzielen können.

      Das Leben ist kein Spiel!

      Spiele und Spielregeln kommen der Natur des Menschen sehr entgegen. Spiele lehren uns etwas über den Einfluss von Können, Wissen, Zufall und nicht zuletzt über die Einhaltung von Regeln. Unser Geist ist grundsätzlich nicht in der Lage, Vorgänge in ihren komplexen Details zu erfassen. Unser Gehirn ist so entwickelt, dass alle Zusammenhänge nur so weit erfasst werden, wie es unser Überleben erfordert. Unser Geist wäre hilflos überfordert, wenn er nicht ständig einfache Antworten auf komplizierte Fragen generieren und akzeptieren würde. In unseren Köpfen existieren unzählige Schablonen einfacher Spiele und Wirkungsketten, die wir in unserer Vergangenheit glauben, „verstanden“ zu haben. Wenn wir planen, begegnen wir Problemen oft damit, der Situation unsere schablonenhaften Vorstellungen von den Zusammenhängen überzu-stülpen. Nach einem unvollständigen fehlerhaften Einblick in eine komplexe Realität glauben wir, die Spielregeln erkannt zu haben. Auf Basis dieser einfachen Spielregeln planen wir dann eine Maschine, die uns die gewünschten Ergebnisse liefern soll. Wenn das gewünschte Ergebnis eintritt, glauben wir dann, dass unsere Maschine funktioniert. Tatsächlich ist es in einer komplexen Realität vollkommen egal, welche Regeln wir erkannt haben wollen. Das Planen einer Maschine ist nur in Kenntnis der Gesetzmäßigkeiten bei komplizierten Problemen möglich und ansonsten ebenso wie „Funktion“ eine