Dark World I. Tillmann Wagenhofer

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Название Dark World I
Автор произведения Tillmann Wagenhofer
Жанр Языкознание
Серия Dark World
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783750225602



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Nein, verunreinigt durch die ketzerischen Lehren ihrer Männer, konnte es auch für die Weiber und die Brut der Schwarzen Flamme kein Erbarmen geben. Immer wieder er- und verklingende Schreie, die der günstig gehende Wind von den Zinnen herübertrug, zeigten deutlich, dass diese ausgegebene Losung sozusagen mit Inbrunst befolgt wurde.

      "Herr...verehrter High-Inquisitor!" Ein Meldereiter zügelte seinen Ecar neigte respektvoll das Haupt. Mit einer gebieterischen Geste erlaubte der Mann dem Boten, zu sprechen. "Herr, die Stoßtrupps sind bis ins Herz von Neu-Massada vorgedrungen…wir...haben IHN gefunden. Tief in den untersten Katakomben." "Er wurde, so hoffe ich, nicht angerührt...?" Die Stimme des Mannes, des High-Inquisitors, strahlte mit jeder Silbe Autorität, Macht, aber auch eiskalte Grausamkeit bar jeden Gewissens aus. Auch jemand, der diesen Mann nie zuvor gesehen hätte, dem wäre sofort klar gewesen, dass er Konzepte wie Gnade oder auch nur Nachsicht aus seinem Wesen lange schon verbannt haben musste. "Ja, Herr...gemäß Eures eindeutigen Befehls wurde ER nicht angerührt." Der High-Inquisitor stieg ohne Eile auf seinen Ecar und trieb diesen an, ohne Rücksicht, ob der Bote ihm folgen konnte. Die Leibwache, deren Gesichter ebensowenig wie die ihres Herrn unter den goldenen Kampfhelmen zu erkennen waren, folgten dem Kirchenmann ohne Schwierigkeiten - sie waren es gewohnt, dass ihr Herr sie meist nicht beachtete. Der Inquisitor durchquerte in sicherem Ritt die Belagerungswälle, hinter denen die Wurfmaschinen mit ihren Bedienmannschaften und die Arbalestenschützen standen, welche bei seinem Anblick weit mehr aus Furcht als aus Ehrfurcht rasch die Häupter neigten.

      Vorbei an den Gefallenen des letzten Sturmes auf die Breschen, deren aufgerissene Augen und Münder die Lebenden anzuklagen schienen. Heraushängendes Gedärm, Blut, Exkremente...verbranntes Fleisch. Die abstoßende Wirklichkeit von Krieg und Kampf, fern jeder Glorie, welche die Barden in ihrer Unkenntnis all dessen zum Besten gaben, bar jeden Heroentums, von dem die späteren, kirchlichen Aufzeichnungen dieses kurzen, aber überaus blutigen Krieges künden würden. Durch das mittlerweile von Kirchentruppen geöffnete Tor, vorbei an überraschten Soldaten, die erschöpft auf dem Steinboden saßen, teils blutbesudelt, mit frischen Scharten in ihren Waffen, deutlichen Kampfspuren an ihren Rüstungen, wo der eine oder andere nur wenige Zentimeter vom Tode entfernt gewesen sein mochte. Aus dem Inneren der Festung drang noch immer Geschrei, vereinzelt auch das scheppernd-klirrende Geräusch des Aufeinandertreffens von Waffen, jedoch brachen diese hörbar letzten Widerstandsnester ebenso schnell wieder ab, wie sie hörbar geworden waren. Die verzweifelten Schreie oder das Gewimmer von Frauen dauerte hingegen an, wenn manch ein Mädchen oder eine Frau ihr ganz eigenes Martyrium durchlitt, ehe man ihr Leiden mit kaltem Stahl beendete.

      Den High-Inquisitor interessierte und bekümmerte nichts von alledem. Nachdem er seinen mit einer ebenfalls vergoldeten Rüstung versehenen Ecar seiner Leibwache überlassen hatte, marschierte er durch Tore, Treppen hinunter, Stock für Stock, tiefer und tiefer in jene unterirdischen Räume und Hallen, welche jetzt, übersät mit Toten und bisweilen dem einen oder anderen Sterbenden, welcher - mit letztem Atem - verzweifelte, unnatürliche Laute von sich gab, ohne wirkliche Hoffnung, dass der Grimme Schnitter noch einmal an ihm oder ihr vorüberzöge, noch weit düsterer und im unsteten Fackelschein wie ein Vorort jener Hölle wirkte, an die die verderbten Alten geglaubt hatten.

      Der Weg führte vorbei an jenen Grundmauern, die einst von jenen Kreaturen der Dunkelheit errichtet worden waren, wegen denen die Läuterung der Welt in Form der reinigenden, heiligen Flamme über das Antlitz der Länder gefegt war, hinwegbrennend die Finsternis und Unreinheit, welche die von ihrem Glauben an Technik und Zauberei trunkenen "Alten" in ihrem Wahn über die Länder und Kontinente gebracht hatten. Der High-Inquisitor verlor keinen Gedanken daran, welchem Zweck dieses Bauwerk wohl einst früher gedient haben möge. Seine Aufmerksamkeit galt jenem gewaltigen Rund, in das er nun eintrat, welches gesäumt war von Kirchenkriegern. Kuppelförmig erhob sich das Gewölbe über den Köpfen der Anwesenden, beeindruckend im Weiß des Marmors, aus dem sowohl Boden als auch Wände erbaut, was im Schein einiger ebenfalls blütenweißer, mannshoher Säulen mit kleinen Öltrichtern darin, deren Inhalt entzündet worden war, einen unwirklichen Anblick bot. Beiläufig bemerkte der High-Inquisitor, dass sich kein Rauch sammelte - ein Abzugsystem musste diesen an die Oberfläche leiten. Doch sofort entschwand der Gedanke wieder, als der Kirchenmann des eigentlichen Zwecks seiner Anwesenheit in der Tiefe dieser Festung ansichtig wurde.

      Dieser "Zweck" bestand in jener einsamen Gestalt, welche genau mittig der unterirdischen Kuppel auf einer wohl drei mal drei Schritt messenden Erhöhung kniete, welche jedoch kaum bis zum Knie eines Mannes reichte. Bleich im Gesicht, was nicht an all dem Tod und Verderben seiner Gefolgsleute, sondern vielmehr gewöhnlicher Anblick dieser Person war, wie der High-Inquisitor wusste, dazu der kahlrasierte Schädel, das Gesicht eines Greises - und die schwarze Rüstung eines Ordensritters der Schwarzen Flamme mit ihrem roten Feuersymbol, das große Zweihänderschwert vor sich liegend. Augen von kaltem Blau, ohne Pupillen wahrhaft schrecklich anzusehen, lag doch kein Hass oder auch nur einfacher Zorn darin. Der Ordensmeister der Schwarzen Flamme verzog das Gesicht, einzig Müdigkeit und auch Trauer war erkennbar in dem kurzen Aufflammen von Emotionen. Der High-Inquisitor blieb in nur wenigen Schritten Entfernung vor dem Ketzerführer stehen und musterte ihn eisig, ohne Triumph, nur mit dem Versprechen des Todes auf seinem maschinenhaft-grausamen Gesicht. "Andrew de Ville...Großmeister des Ordens der Schwarzen Flamme, durch das Konzil und oberstes Willensorgan wurdet Ihr der Ketzerei für schuldig befunden. Die Vollstreckung an Euren Anhängern, welche sich nicht zurück in die Arme unserer gnädigen Kirche des Feuers begeben wollten, verblendet durch Euren gefährlichen, zerstörerischen Wahn…" Da lachte der Ordensmeister plötzlich. Laut hallte das Geräusch, voller Verachtung und ohne jeden Humor, von den Wänden wider. Der Kirchenmann verstummte schlagartig, für einen Moment aus dem Konzept gebracht, was wahrlich kaum jemandem bisher jemals gelungen war. Doch bevor er auffahren konnte, ergriff der Großmeister, nun wieder gänzlich ernst und auch mit einer gewissen Bitterkeit in der Stimme, das Wort. "High-Inquisitor, da mein Urteil, so wie jenes, welches an meinen Freunden und jenen, die mir ihr Vertrauen schenkten, bereits gesprochen und in Kürze vollzogen ist, könnt ihr Euch Eure hehren, aber innen hohlen und voller Verlogenheit stinkenden Reden sparen. Wir beide sind uns im Klaren darüber, weshalb ich noch atme, warum mich die zahllosen Schwerter und Äxte in diesem Rund noch nicht zu meinem Schöpfer geschickt haben. Der Grund ist Eure gespaltene Zunge, so wie die Eurer Kirche, welche laut und voller Hass den Tod von Ketzern wie mir verlangt, jedoch zugleich ihren Nutzen aus dem zu ziehen gedenkt, was man mir an Fähigkeiten nachsagt. Ist es nicht so? Oh, Ihr müsst nicht antworten, auch könnt Ihr euch billige, aufgesetzte Wut sparen. Die Wahrheit ist: Ihr habt ANGST, High-Inquisitor." Der Kirchenmann, eiskalt und ohne jede Menschlichkeit, schauderte wider Willen tief in seinem Inneren. Denn getroffen hatte das, was der Ordensmeister ihm auf den Kopf zusagte, wie ein Pfeil mitten ins Schwarze.

      Mit einem kurzen, spöttischen Nicken fuhr der ketzerische Ritter fort: "Angst...so wie sie Eure gesamte Kirche befiel, als sie das erste Mal von meinen Vorhersagen der Zukunft hörte. Furcht, die an Euch und Eurem korrupten Konzil nagt, was das schlechte Gewissen der Kirche wie Eiter aus einer bislang geschlossen gehaltenen, aber längst faulenden Wunde zutage treten lässt. Berechtigt ist dieses Zagen, das versichere ich Euch." Bleich - nicht gewiss, ob von aufkeimender Wut oder von dem kalten Griff der Angst - wagt der High-Inquisitor kaum noch, dem Blick des Ordensmeisters standzuhalten. Seiner Stimme, dem Tonfall, hört man es an, als er schließlich seine Sprache wiederfindet. "Ihr spracht von Visionen...solche von Geschehnissen, welche erst noch stattfinden. Nur ketzerische Zauberei, womöglich sogar jene der Alten, könnte Euch dazu befähigen. Schon deshalb verdient Ihr den Tod, so wie Eure unbelehrbaren Anhänger. Doch kann ich Euer Ende...schnell und ohne jene Agonie und Qual geschehen lassen, welche Ihr verdient hättet - sofern Ihr eine dieser Visionen...mir detailliert wiedergebt…" Der Großmeister unterbrach den Kirchenmann mit einem verächtlichen Laut. "Um Euren Arsch fürchtet ihr, so wie Eure verdorbene, verfaulte Kirche. Und zu Recht, wenigstens DAS will ich Euch, bevor ich diese Welt verlasse, noch voller Genugtuung ins Antlitz schleudern wie eine Handvoll Kot, die ihr verdient hättet: SIE wird geboren in diesem Jahr. Unscheinbar, ohne Eure Aufmerksamkeit zu erwecken. Nahe wird sie Euch sein, sehr sogar, Eurer...Kirche. Sie wird die Kräfte vereinen, die gegen Euch, gegen Eure und die Barbarei der Fürsten stehen - und wird Euch zerschmettern. Dann wird sie auch anderen Völkern jene Freiheit zurückgeben, die Verbrecher wie ihr ihnen einst nahmt." Ein schadenfrohes Lachen entrang sich dem