Die Jägerin - In Alle Ewigkeit. Nadja Losbohm

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Название Die Jägerin - In Alle Ewigkeit
Автор произведения Nadja Losbohm
Жанр Языкознание
Серия Die Jägerin
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742769404



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Adamsapfel an seinem Hals auf und ab hüpfte, als er wegen meiner Worte schwer schluckte. Offenbar waren sie genau das, was er hatte hören müssen. Ich nickte zufrieden, wandte mich um und lief die Treppe hinauf zum Fahrstuhl. Nur wenige Sekunden vergingen und patschende Schritte folgten mir nach. Als Michael sich zu mir gesellte, verströmte er eine unangenehme Kälte, die mich dazu brachte, die Arme um mich zu schlingen, aber ich nahm auch den herrlichen Duft von Regen wahr, den er mit sich ins Haus trug. Ich wandte leicht meinen Kopf zu ihm und musterte ihn von oben bis unten. Missbilligend verzog ich den Mund. „Ich sehe es schon wieder lebhaft vor mir: du, krank im Bett, wegen der Dummheiten, die du machst!“

      „Es tut mir leid“, flüsterte er. Er hob seine Hand und strich mit seinem Zeigefinger über meine Wange. Die kühle Berührung ließ mich zusammenfahren. Ich drehte hastig meinen Kopf weg und trat einen Schritt beiseite, um mehr Abstand zu ihm zu bekommen. Ich hörte Michael schlucken. „Verzeihung“, murmelte er. Meine Reaktion verletzte ihn.

      „Ich habe mir Sorgen gemacht“, sagte ich und blickte hinauf zu der Anzeige, die mir verriet, in welcher Etage der Fahrstuhl sich befand.

      „Es tut mir leid, Ada. Es war nicht meine Absicht -“

      „Dann hör auf damit!“, zischte ich. Ich blickte ihn mit grimmiger Miene an, aber die Tränen in meinen Augen entschärften mein Auftreten. „Wenn dir etwas passiert wäre – bei dem Wetter sind die Straßen rutschig. Da verliert man leicht die Kontrolle. Du bist nicht mehr allein, Michael! Du hast eine Familie. Rosalie braucht dich. Sie liebt dich über alles. Ich will nicht, dass sie ohne dich aufwächst.“ Die Worte sprudelten nur so aus mir heraus. Ich konnte sie nicht aufhalten und sagte viel mehr, als ich beabsichtigte. Er musste nicht über alles Bescheid wissen, was in mir vorging. Nicht, wenn er selbst Geheimnisse vor mir hatte. Solch ein Wie du mir, so ich dir-Benehmen konnte ich nicht ausstehen. Immun war ich dagegen allerdings nicht. „Du hast mich verlassen, bist gestorben und wieder zurückgekommen. Du hast ein zweites Leben geschenkt bekommen und setzt es waghalsig aufs Spiel. Ich verstehe, dass du viel verpasst hast, aber benimm dich nicht wie jemand, der in seiner Midlifekrise steckt und alles nachholen will, was geht, egal um welchen Preis.“ Ich redete mich geradezu in einen Rausch, und irgendwann wusste ich nicht mehr, was aus mir sprach: die Sorge um ihn, mein Neid auf ihn, dass er alles tat, was er wollte und sein Leben genoss, oder immer noch die Wut, weil er sich von mir auf so überzeugende Weise verabschiedet hatte, obwohl er mit Gott bereits einen Pakt geschlossen hatte, dass er wieder zurückkommen würde. Mir war durchaus bewusst, hätte er gegen die Schweige-Regel verstoßen, würde er nun nicht vor mir stehen. Nichtsdestotrotz saß der Stachel tief. Die Emotionen, die ich damals durchlebt hatte, waren durch das Geschehene wieder an die Oberfläche getragen worden.

      „Ada.“ Sein Flüstern war so sanft wie eine Feder, die über meine Haut strich und mich erschauern ließ. „Ich weiß nicht, was ich sonst sagen soll außer, dass es mir leid tut. Du hast vollkommen Recht. Ich habe nicht nachgedacht, habe meinen Gefühlen nachgegeben, ohne darauf zu achten, was gut für Rosalie ist – und für dich.“ Seine Finger angelten sich eine rote Haarsträhne, die sich aus dem Knoten in meinem Nacken gelöst hatte. Er steckte sie mir hinter das Ohr und umschloss mit seiner Hand meine Wange. Als ich mich ihm entziehen wollte, umfasste er mein Gesicht mit beiden Händen. Ich kannte diesen Trick. Er hatte es schon oft getan. Und doch überraschte es mich. Michael trat auf mich zu. Ich legte meine Hände auf seine Brust und stemmte mich gegen ihn. Der nasse, kalte Stoff war widerlich. Ich wollte ihm nicht nahe sein. Meine Bemühungen blieben fruchtlos. Ich war stark, in vielerlei Hinsicht, aber Michael war stärker. Er drückte mich fest an sich und ich landete in einer Duftwolke riechend nach Regen, Freiheit, Abgasen und Mann. „Vergib mir, meine Königin. Ich habe dir wehgetan. Es tut mir leid.“ Ich erwiderte etwas darauf, doch gepresst gegen seinen Oberkörper kam nur ein unverständliches Genuschel aus meinem Mund. Michael lehnte sich ein Stück zurück, sah zu mir hinunter und wartete darauf, dass ich meine Worte wiederholte.

      „Du hast Recht: Du hast mir wehgetan“, sagte ich, was sein Gesicht dazu brachte, dass es sich vor Schmerz verzog.

      Michael lehnte seine Stirn an meine. Als er sprach, strich sein warmer Atem über mein Gesicht. „Ich liebe dich. Du darfst das niemals vergessen“, hauchte er. Leichter gesagt als getan. In mir tobte ein Sturm der unterschiedlichsten Gefühle: Wut, Traurigkeit, Zuneigung, Sorge, Enttäuschung. Ich wusste nicht, welchen Weg ich einschlagen sollte: den der Versöhnung oder den des Streits? „Und liebst du mich denn auch?“, fragte Michael. Anscheinend erwartete er auf seine zärtliche Liebeserklärung eine herzzerreißende Reaktion meinerseits. Mein Schweigen dauerte ihm wohl zu lange, also wagte er den Frontalangriff.

      „Im Moment nicht besonders“, konterte ich und stieß ihn von mir weg. Der Fahrstuhl klingelte, die Türen glitten gemächlich auf und ich trat in die hell erleuchtete Kabine ein. Ich drückte auf die Taste für unsere Etage und den Knopf, der das Schließen der Türen beschleunigte. Obwohl ich schnell handelte, war es zu langsam für Michael. Flink schlüpfte er in den Fahrstuhl und beraubte mich der Möglichkeit, ihm eines auszuwischen.

      „Du verletzt mich, Ada“, bemerkte er.

      Ich zuckte mit den Achseln. „Du hast es nicht anders verdient.“

      „In Ordnung. Sind wir dann jetzt quitt?“

      Im hellen Licht des Fahrstuhls stehend konnte ich seine Erscheinung besser betrachten als im Hausflur, der nur von einer statt zwei Lampen erleuchtet worden war. Bei seinem Anblick lief mir das Wasser im Munde zusammen. Es gehörte verboten, so sexy zu sein. Die ausgeblichene Jeans, deren Farbe durch den Regen viel dunkler wirkte, saß eng an Michaels langen Beinen und ließ wenig Raum für Fantasie, besonders in einer gewissen Region auf der Vorderseite. Auf der schwarzen Lederjacke lagen die Wassertropfen wie kleine Perlen. Er musste sie während seines Höllentrips auf dem Motorrad offen gelassen haben, da sein T-Shirt völlig durchnässt war. Es klebte auf seiner Haut, die dunkel durch den Stoff hindurchschien. Seine Muskeln und andere anatomische Besonderheiten zeichneten sich deutlich ab. Er hätte nicht mehr preisgeben können, wäre er nackt gewesen. Ich leckte mir unwillkürlich mit der Zunge über die Lippen und staunte nicht schlecht, als Michael die Jacke auszog, die Arme ausbreitete und sich um die eigene Achse drehte, sich mir präsentierend von allen Seiten. Als er mit dem Gesicht wieder zu mir stand, sah er meinen missbilligenden Blick und meine abwehrende Haltung.

      „Wenn du dich über mich lustig machen willst – das trägt nicht unbedingt zu meiner Besänftigung bei“, stellte ich klar.

      „Ich mache mich nicht über dich lustig, Liebste. Ich finde es großartig und mehr als schmeichelhaft, die Begierde meiner Frau so offenkundig in ihrem Gesicht stehen zu sehen.“

      „Pah!“, machte ich, reckte das Kinn in die Höhe und wandte den Kopf weg. Es nützte nur nichts, da auf dieser Seite des Fahrstuhls ein Spiegel hing, in dem ich Michael sah, wie er sich den unteren Saum seines T-Shirts schnappte, ihn ein Stück nach oben zog und damit sein Gesicht trocken tupfte, was sinnlos war, da der Stoff ebenso nass war. Aber Michael hatte gelernt zu spielen. Er wusste ganz genau, dass ich ein visueller Mensch war, ganz besonders wenn es um ihn ging, und dass er mich, indem er durch diese Aktion seine wohl definierten Bauch- und Brustmuskeln entblößte, wuschig machte. Ich schluckte den Speichel in meinem Mund hinunter. „Dieser Auftritt bringt auch nichts“, log ich und gab mich unempfänglich für sein Balzverhalten.

      „Mhh“, machte er. Sein Spiegelbild rieb sich das Kinn und suchte den Fahrstuhl mit den Augen ab, als würde an seinen Wänden die Lösung für das Problem geschrieben stehen. Schließlich trafen sich unsere Blicke in dem Spiegel und Michael fragte: „Und was ist hiermit?“ Schnell wie ein Blitz schoss er auf mich zu. Seine Hände packten mich grob an den Schultern. Er wirbelte mich zu sich herum und presste seine Lippen auf meine. Stürmisch, übermütig küsste er mich, sodass es mir die Luft zum Atmen nahm, während seine Hände meine über seinen Körper dirigierten. Als er sie dorthin geführt hatte, wo er am empfindlichsten war, löste er seinen Mund von mir, warf den Kopf zurück und stöhnte laut. Alles, was ich denken konnte, war: Er ist ein Bild von einem Mann! Ich drehte den Spieß um und stürzte mich nun auf ihn. Unser Atem wurde eins, unsere Herzen schlugen im selben rasanten Tempo. Es gab kein er und ich. Es gab nur wir. Nun ja, bis zu einem