Im Schatten des Deiches. Fee-Christine Aks

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Название Im Schatten des Deiches
Автор произведения Fee-Christine Aks
Жанр Языкознание
Серия StrandtGuth
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738026375



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einer zärtlichen Geste eine kurze kastanienbraune Locke aus der Stirn, sodass ihr die taubenblaue Wollmütze langsam vom Kopf rutscht.

      Das warme Haselnussbraun ihrer Augen wird zu einem tiefen See aus Nuss-Schokolade, in dem er zu ertrinken droht. Ein feines Lächeln umspielt ihre zart rosenholzfarbigen Lippen, als er sich vorsichtig zu ihr hinunterbeugt. Einen Herzschlag später vergisst Moritz die Welt um sich herum. Es ist als ob er schweben würde, mit Lotta in seinen Armen und ihren Lippen auf den seinen. Sanft und vorsichtig tastet sich seine Zungenspitze von ihrem Mundwinkel die weichen Lippen entlang, findet plötzlich ihre suchende Zungenspitze und streichelt, lässt sich streicheln, jeden Millimeter ihres Mundes, während sich ein heißer wohliger Schauer nach dem nächsten über seinen Rücken stiehlt.

      Sein Atem geht schnell und heiß, als er ihren zierlichen Körper zurück gegen die kühle Wand des Treppenhauses drängt und mit den Händen unter der Daunenjacke ihren sportlich durchtrainierten Rücken erkundet.

      Nach scheinbar einer Ewigkeit, in der ihm seine Jeans mehr als einmal viel zu eng vorgekommen ist, schiebt sie ihn mit sanfter Gewalt ein Stück von sich weg und fixiert ihn mit ihren wunderschönen Augen, die nun mehr wie dunkles Mousse au chocolat sind. Ihre Lippen zittern leicht und ihr warmer Atem streift sanft sein Kinn, als sie leise fragt: „Geschieht das hier wirklich?“

      Erst jetzt registriert Moritz, dass sie immer noch im Treppenhaus stehen und er tatsächlich wieder Boden unter den Füßen hat. Seine Unterarme stecken noch immer unter ihrer Daunenjacke, seine Hände an ihrer schmalen Taille, die sich ihm eben noch so verlangend entgegen gebogen hat. Er spürt die Hitze, die durch den Stoff ihrer Chino-Hose von ihr ausstrahlt, und auch das Verlagen, das seinem in nichts nachsteht.

      „Ich glaube, ja“, antwortet er etwas verspätet. „Oder ich bin plötzlich eingeschlafen und wir beide träumen denselben Traum, aus dem ich heute morgen mit einem breiten Grinsen aufgewacht bin…“

      „Ach ja?“

      Ihr Augenaufschlag ist neckisch, ihre Stimme rutscht eine aufregende Nuance tiefer. Moritz muss sich sehr beherrschen, um ihr nicht sofort und hier auf der Stelle die Kleider vom Leib zu reißen und jeden Zentimeter von ihr mit seiner Zunge zu erforschen.

      „Hm, tja, was sagen wir Basti?“ fragt sie, als er nicht antwortet, und sieht ihn mit ihren großen Knopfaugen so bittend an, dass er nicht anders kann als sie erneut zu küssen, ganz sanft nur und als Versprechen auf mehr. Er kann kaum einen klaren Gedanken fassen, aber vollkommen gleich, was er sagt, sie wird ihm mit Sicherheit zustimmen. Er muss nur seinen Wunsch in Worte fassen…

      „Nun“, murmelt Moritz schließlich und blickt sie mit fragend hochgezogener Augenbraue forschend an, „dass du ein Ladekabel und einen Fachmann für Android-Handys brauchst, der dich natürlich umgehend nach Hause bringt.“

      Ihre Mundwinkel zucken amüsiert, dann nickt sie, reckt den Hals und haucht einen Kuss auf sein glatt rasiertes Kinn.

      *****

      Lautes Türenknallen schreckt Karl Jostermann auf. Er ist offenbar doch kurz eingenickt auf dem gemütlichen Fernsehsessel in seinem bereits weihnachtlich geschmückten Wohnzimmer. Als er die schrille Stimme seiner Enkeltochter im Flur vernimmt, weiß er sofort, dass etwas passiert sein muss.

      „Und ich sag’s dir nochmal“, hört er Mats in genervtem Tonfall schreien, „du musst den Kerl vergessen. Er hat eine Andere, diese Kleine mit den haselnussbraunen Knopfaugen und den kastanienfarbigen Locken.“

      „Nein, nein und nochmal nein!“ schreit Linda zurück. „Die doch nicht. Hast du nicht gesehen, wie sie seinen Freund Moritz angekuckt hat? Die ist niemals mit Sebastian zusammen. Er liebt mich, das weiß ich!“

      „Und was war mit dieser Schwedin im Sommer?“ schaltet sich Kai ein. Auch er klingt ziemlich genervt. Wahrscheinlich haben die Geschwister das ganze Gespräch schon mindestens einmal geführt, auf dem Nachhauseweg vom Einkaufen vielleicht. „Erinnerst du dich nicht? Das war dieses blonde Model, mit der er immer surfen gegangen ist, auch nach dem Unterricht.“

      „Ach was“, schnappt Linda wütend und stampft lautstark in die Küche.

      Karl hört, wie dort Stühle gerückt werden und Martins Stimme in strengem Tonfall seine Tochter zur Ordnung ruft. Wenig später kommt Karin herein. Sie verdreht die Augen, zuckt müde mit den Schultern, als sie Karl in seinem Lieblingssessel sitzen sieht, und murmelt:

      „Entschuldige, Papa. Sie ist einfach in einem schwierigen Alter. Und wie es aussieht, ist dieser Surflehrer leider jetzt über die Feiertage auch wieder hier auf der Insel. Wenn wir Pech haben, geht das ganze Theater nochmal von vorne los. Ich kann dem armen Jungen nicht verdenken, dass er im Sommer mit der Schwedin losgezogen ist. Die konnte sich wenigstens benehmen, im Gegensatz zu Linda. Ich hoffe inständig, dass sie sich bald wieder einkriegt und diese Phase vorbei ist. Ich werde noch wahnsinnig!“

      „Wenn ich das eben richtig verstanden habe“, sagt Karl müde, „dann hat der Surflehrer wieder ein anderes Mädchen, zur Abwechslung eins mit braunen Knopfaugen, was nicht unbedingt für ihn und seine Glaubwürdigkeit spricht.“

      „Ach, du meinst, weil er im Sommer gesagt hat, dass er nur auf blonde Frauen steht?“ fragt Karin nachdenklich. „Ganz ehrlich, ich an seiner Stelle hätte auch alles Mögliche gesagt, um Linda loszuwerden. Du glaubst gar nicht, Papa, wie ich mich für sie geschämt habe. Und Martin erst, zuhause hat er ihr gründlich den Kopf gewaschen; aber offenbar nicht gründlich genug.“

      Erneutes Türenschlagen ist zu hören. Karl und seine Tochter sehen sich verdutzt an und spitzen die Ohren. Doch es wird nicht mehr geschrien. Stattdessen kommen Kai und Mats herein und lassen sich mit erschöpften Mienen in die freien Sessel sinken, während Karin auf dem Sofa Platz nimmt.

      „Wenn sie doch nur endlich begreifen würde“, stöhnt Mats, „wie peinlich sie sich aufführt.“

      „Ja“, pflichtet Kai ihm bei, „man schämt sich ja geradezu, mit ihr verwandt zu sein. Es ist echt nicht zum Aushalten.“

      „Na“, grinst Mats, „vielleicht heilt es sie ja, wenn sie diesen Sebastian beim Knutschen mit dem kleinen Mädchen von vorhin erwischt. Richtig hübsch war sie übrigens, findest du nicht?“

      „Hm“, macht Kai versonnen, „mandelförmige Knopfaugen in Haselnussbraun, kurze kastanienbraune Locken, ein schmales ebenmäßiges Gesicht, seidig schimmernde Haut, verführerische Lippen… Wow, mir wird schon ganz heiß…“

      „Entzugserscheinungen“, neckt sein Bruder ihn. „Vielleicht hättest du doch nicht mit, wie hieß sie – Annabelle? – Schluss machen sollen…“

      „Angeber“, knurrt Kai und boxt nach seinem großen Bruder. „Als ob bei dir und der Schwesternschülerin so viel mehr laufen würde. Die steht bestimmt nur auf fertig ausgebildete Ärzte und macht sich nur über dich und deinen roten Kopf lustig…“

      „Jungs!“ stöhnt Karin mit einer gequälten Geste. „Nicht auch noch ihr. Gönnt uns doch bitte ein paar Minuten Ruhe.“

      „Die kannst du haben, Mama“, grinst Mats. „Linda wartet jetzt draußen solange auf diesen Surflehrer, bis der Typ sie wegen Belästigung bei der Polizei anzeigt oder vor ihrer Nase eine Andere flachlegt.“

      „Komm“, sagt Kai und knufft seinen Bruder in den Oberarm. „Lass uns eine Runde Assassins spielen.“

      „Gute Idee“, stimmt Mats zu und folgt seinem Bruder nach draußen und nach oben ins vordere Gästezimmer, wo sie ihre tragbaren Computer abgestellt haben. Wenig später sind verhaltene Kampfgeräusche zu vernehmen, die wohl von dem Computerspiel stammen.

      Karl seufzt leise und schließt entspannt die Augen. Er hört, wie Martin leise hereinkommt und sich mit der Zeitung in einen der Sessel sinken lässt. Für eine Weile ist nur das leise Rascheln von Zeitungspapier zu hören, dazu hin und wieder eine stärkere Windböe, die um den Hausgiebel bläst.

      Dann wird plötzlich Sturm geklingelt und gegen die Haustür