Flarrow, der Chief – Teil 3. Lothar Rüdiger

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Название Flarrow, der Chief – Teil 3
Автор произведения Lothar Rüdiger
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783847690146



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und kehrten mit dem letzten Boot an Bord zurück.

      Am nächsten Morgen stand der Kapitän vor Flarrows Koje und schimpfte über den Knoblauchgestank. Das sei ja kaum auszuhalten. Das „Garlic-Steak“ von Camps Bay ließ grüßen, aber Flarrow und den Ersten störte das wenig.

      Am kommenden Sonntag wollte der Alte auf den Tafelberg. Das Wetter war gut und so zogen sie zusammen mit dem Zweiten Offizier los. Mit der Seilbahn, der Cable Way, ging es nicht nur am bequemsten, sondern auch am schnellsten. Nach zehn Minuten Fahrzeit erreichten sie das über tausend Meter hohe Plateau. Tier- und Pflanzenwelt überraschten, vor allem eine Art Meerschweinchen (Dassies), die einem schon fast über die Füße liefen, aber auch scheue Bergziegen, Steinböcke und dreiste Paviane.

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      Kapitän der „HILDEGARD“ auf dem Tafelberg

      Sie brauchten einige Zeit, um die atemberaubende Aussicht auf Kapstadt und seine am Fuß der Berge liegenden Siedlungen zu erfassen. Das Hafengebiet mit den großen Duncan und Ben Schoeman Docks und der geschützten Reede, wo große Tanker ankerten, die Frischproviant aufnahmen oder Besatzungswechsel durchführten. Dagegen fiel das kleine, schon fast historisch zu nennende Victoria Basin kaum auf. Wenn man aber genau hinschaute, konnte man sogar die „HILDEGARD“ mit den Trawlern an den Bojen erahnen. Im Süden breitete sich die False Bay aus, die falsche Bucht. So genannt von enttäuschten, ersten Seefahrern, die nach ihrem Landfall erkennen mussten, dass dies nicht die Table Bay war und dass sie Kapstadt verfehlt hatten. Die Kap-Halbinsel, als westliche Eingrenzung der False Bay, erstreckt sich weit nach Süden, wo sich ungefähr fünfzig Kilometer entfernt das Cape of Good Hope befindet.

      Bartolomäus Diaz, der 1487/88 auch an der Table Bay vorbei bis zum Südkap gekommen war, entdeckte dieses Kap erst auf der Rückreise und nannte es „Kap der Stürme“. Der portugiesische König dagegen, der an Geld, Gold und Gewürze dachte, änderte später den Namen in Kap der Guten Hoffnung.

Grafik 63

      Vasco da Gama umsegelte zehn Jahre später auch das Südkap und konnte nun Kurs auf Indien oder die Gewürzinseln absetzen. Wenn auch mit Hilfe arabischer Lotsen, erreichte er schließlich Calicut, und die Gute Hoffnung seines Königs konnte sich nun erfüllen.

      Der Alte wies auf eine steinerne Tafel, auf der die Erstbesteigung des Tafelbergs durch einen Europäer verewigt worden war. Der portugiesische Seefahrer Antonio de Saldanha hatte das 1503 vollbracht.

      Weil es bis zum Kap zu weit für eine Tagestour war, kehrten sie in die Stadt zurück und nutzten den Nachmittag für einen Bummel durch das Zentrum von Kapstadt, wo sie vom Bahnhof aus über die Strand Street zum Castle of Good Hope gelangten. Dieses sternförmige Kastell mit fünf Bastionen, mit Kanonen bestückt, war 1666 erbaut worden. Dreitausend Matrosen hätten dafür nur ein Jahr benötigt. Allerdings blieb diesem Relikt aus der Zeit der Vereenigde Oostindische Compagnie (VOC), die als Residenz der Gouverneure am Kap diente, ein Angriff bis heute erspart.

      Beeindruckend auch der Botanische Park mit seltenen Bäumen und Rosensträuchern, Companys Garden genannt. Denkmäler erinnerten an den Diamantenkönig und Landeroberer Cecil John Rhodes und Sir George Grey, der einst Gouverneur am Kap war. Jan van Riebeek, dessen Denkmal sie schon am Hauptbahnhof gesehen hatten, gründete Kapstadt in dem er eine Versorgungsstation für die Schiffe der VOC eröffnete. Seine Gemüsebeete waren dann auch der Ursprung des Companys Garden.

      Das Kaufhaus GARLIC fiel von seiner Größe her auf, der Name allerdings, erinnerte eher an die grandiosen Steaks in Camps Bay.

      Müde vom ungewohnten Wandern, landeten sie am Abend wieder an Bord.

      Der letzte spanische Trawler legte ab und ging in See. „HILDEGARD“ verholte zum Bunkerpier, wo bis in die Entlüftungen hinein gebunkert wurde. Dakar sollte ja nicht mehr angelaufen werden. Nachdem auch die Frischwassertanks voll aufgefüllt waren und Frischproviant an Bord gestaut war, verließ auch „HILDEGARD“ Kapstadt.

      Alles lief recht gut, es gab nur wenige Störungen, was immer gut für die Stimmung an Bord ist. Die Ladekühlanlage lief einwandfrei, und bei Temperaturen um minus zweiundzwanzig Grad näherte man sich dem Äquator, gut gerüstet also für wärmeres Seewasser. Mit steigenden Lufttemperaturen versammelten sich die Leute abends wieder mehr an Deck. Es war eine Gruppe um den Koch, die anscheinend den Elektriker nicht vergessen konnte und in der der Assistent der Vier-Acht-Wache nun über die Schiffsleitung und insbesondere den Chief herzog, dem er es in Kapstadt mal so richtig gezeigt hatte. Dabei kam er immer unpünktlicher und oft nicht nüchtern auf Wache. Weil der Zweite das deckte und ihm sogar gestattete, auf Wache zu schlafen, bekam Flarrow das sehr spät mit. Dann aber bekam der Assistent mehrere Verwarnungen, und als er eines Morgens den Wachdienst verweigerte, die fristlose Kündigung. Da er nun als Passagier weiter fuhr, bekam er die Eigner-Kabine, und der Zutritt zum Wohnbereich der Besatzung wurde ihm untersagt. Das konnte nicht wirklich verhindert werden, zeigte aber, dass man sich nicht auf der Nase herumtanzen ließ. Seine Mahlzeiten hatte er im Salon einzunehmen, wovon er aber nur selten Gebrauch machte, und Alkohol durfte ihm nicht verkauft werden.

      Der Kapitän legte ihm schon einmal die Rechnung für die Passage bis Vigo vor und verlangte seine Unterschrift. Da er sich weigerte, machte ihm der Alte klar, dass er dann mit einer Klage der Reederei zu rechnen hätte. Seine Freunde wurden nachdenklich, als ihnen das bekannt wurde. Neben den Reisekosten für den Ersatzmann kämen dann eventuell auch noch die Gerichtskosten auf ihn zu. Das könnte ganz schön teuer werden.

      Der Kapitän nutzte die bestehende Situation, den Kantinenverkauf von Alkohol stark einzuschränken, womit eine mehr realistische Betrachtung der Situation, auch bei den fröhlichen Zechern, die Oberhand gewann. Der Versuch des Passagiers, die Sache ungeschehen zu machen, scheiterte aber an Flarrow, der das rundweg ablehnte.

      Sie hatten Kap Verde passiert, und mit dem einsetzenden Nord-Ost-Passat wurden die Nächte frischer, was die Ausgucks veranlasste, die Dufflecoats hervor zu holen.

      Flarrow stand am Fahrstand, als das Telefon klingelte. „Wir haben Feuer im Schiff.“ Und weil die Stimme des Ersten so entspannt klang, antwortete Flarrow: „Natürlich, im Kombüsenherd, weil der Koch morgen früh Brot backen wird.“ – „Nein, nein, es brennt wirklich, eine Matrosenkammer im Wohndeck Steuerbord. Wir müssen wahrscheinlich mit der Fahrt runter gehen und wegen der Windrichtung auch den Kurs ändern.“ – „O. k, wir treffen uns im Hauptdeck am Niedergang zum Wohndeck.“ So begann Flarrows erster Einsatz in Sachen „Feuerlösch“. Am Niedergang wurde einem Matrosen gerade der Rauchhelm KÖNIG aufgesetzt. Das war ein Monstrum aus einem anderen Jahrhundert, aber noch immer als Atemschutzgerät auf deutschen Schiffen zugelassen. Das war der eigentliche Skandal. Die Luftversorgung des Trägers erfolgte nämlich über eine Handpumpe, die durch einen Gummischlauch mit dem Rauchhelm verbunden war, aber die Bewegungsfreiheit stark einschränkte. Die gläserne Sichtscheibe des Helms beschlug meistens und machte seinen Träger blind. Der Rauchhelmträger musste beim Abstieg in das Wohndeck zwei Wendungen von je neunzig Grad vollziehen und geriet sofort außer Sicht. Es dauerte jedoch nicht lange, da tauchte er aus dem dunklen Wohndeck wieder auf, weil er in Atemnot gekommen war. „So eine Scheiße!“, brüllte der Erste, „das war der zweite Versuch!“

      Flarrow, der inzwischen über den Brandherd informiert worden war, machte sich seine eigenen Gedanken. Das Feuer brannte in einer Kammer, die direkt am Maschinenraumschott lag. Dahinter gab es einen fast leeren Brennstofftank, mit leichtem Dieselöl, das gegebenenfalls gasen würde! Er schnappte sich einen Feuerlöscher, ein nasses Taschentuch und empfahl dem Ersten einen C–Schlauch anzuschlagen, damit man notfalls mit Seewasser löschen konnte. „Die Feuerlöschpumpe läuft, ihr braucht nur das Ventil aufzudrehen.“ Damit stieg er in das Wohndeck hinunter. Beleuchtung gab es nicht mehr, da jemand den Gang aus Sicherheitsgründen stromlos gemacht hatte und Notstrombeleuchtung war auf „HILDEGARD“ ein Fremdwort. Er erreichte die Kammer, riss die Tür auf, sah den brennenden Kleiderschrank und entleerte den Feuerlöscher fachgerecht am Brandherd. Die Füllung war ausreichend. In der starken Rauchentwicklung tastete er sich, wegen tränender Augen fast blind, zurück. Atemluft wurde knapp,