Der Wüstensklave. J. D. Möckli

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Название Der Wüstensklave
Автор произведения J. D. Möckli
Жанр Языкознание
Серия Der Wüstensklave
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783752915969



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ehe er aus dem Wohnzimmer eilt.

      Als er weg ist, geht Ren zum Kamin und legt noch einmal Holz nach. Nachdenklich blickt er in die Flammen, als er vom Sofa ein Geräusch hört. Langsam dreht er sich um und lächelt beruhigend, als er das verschreckte Gesicht von Nino sieht. »Guten Morgen, Junge. Keine Angst, ich tue dir nichts.« Bewusst ruhig spricht er die Worte aus und setzt sich auf den Sessel. »Ich heiße Ren. Und du bist Nino, richtig?« Geduldig wartet er darauf, dass das Häuflein Elend vor ihm sich entspannt und zögernd nickt. »Wie lange warst du gestern im Stall? Du warst eiskalt, als wir dich gefunden haben.«

      Unsicher beißt sich Nino auf die Lippen und verkriecht sich zitternd unter der Decke. »Ich weiß nicht. Meister Gosho hat mich nach Sonnenuntergang aus dem Haus gejagt, nachdem er mit einem neuen Sklaven wiedergekommen ist.« Er spricht so leise, dass er kaum zu verstehen ist. »Irgendwann habe ich den Weg hierher gefunden und mich in der Box versteckt. Ich habe gehört, dass Sie gut zu Sklaven sind.« Mit jedem Wort verkriecht sich Nino noch weiter unter der Decke.

      »Verstehe. Möchtest du denn hierbleiben, wenn du wieder gesund bist?«, fragt Ren mit möglichst sanfter Stimme. Als er sieht, wie sich die schwarzen Haare, die er als Einziges noch sehen kann, bewegen und er so ein Nicken erahnt, reibt er sich nachdenklich das Kinn. »Gut, das sollte möglich sein. Ich mache mich nach dem Frühstück auf den Weg zum Ledergerber und rede mit ihm. Da er dich ja offensichtlich loswerden wollte, sollte es ja kein Problem sein, dass er dich uns überlässt.«

      Ungläubig wagt es Nino, ein wenig unter der Decke hervorzukommen. »Ihr werft mich nicht raus?«

      »Du darfst bleiben. Wir werden zwar etwas zusammenrücken müssen, aber das geht schon.« Langsam beugt er sich vor und legt die Hand auf Ninos Stirn. »Du hast Fieber. Vermutlich hast du dir gestern in der Kälte was eingefangen. Ich mache dir noch einen Tee und eine Brotsuppe.« Natürlich hat er bemerkt, dass Nino zusammengezuckt ist, als er ihn berührt hat. Ohne sich etwas anmerken zu lassen, zieht Ren die Hand zurück und steht auf. »Ich bin gleich wieder da.« Unter den aufmerksamen Blicken Ninos verlässt er das Wohnzimmer und geht nach unten in die Küche, wo Kai schon den Tisch deckt.

      Dieser blickt sofort hoch und mustert Ren aufmerksam. »Guten Morgen, Großvater. Wie geht es unserem Gast?«

      »Er hat sich wohl etwas eingefangen, wenn das Fieber nicht vom Entzug kommt. Psychisch ist er wohl besser dran, als Jamon damals, aber er wird trotzdem Zeit brauchen, bis er sich erholt hat.«

      Ernst nickt Kai und beobachtet seinen Großvater, wie dieser einen großen Topf auf den Herd stellt und die Zutaten für eine Brotsuppe aus dem Vorratsraum holt. »Warum hast du ihn allein gelassen? Sollte nicht immer jemand bei ihm sein?«

      Tief seufzt Ren auf. »Eigentlich schon, aber ich hatte das Gefühl, dass er sich wohler fühlen würde, wenn ich ihn allein lasse.«

      Leicht runzelt Kai die Stirn. »Willst du heute wirklich zum Ledergerber gehen? Ich meine, es schneit wie verrückt und morgen ist doch auch noch Zeit dafür.«

      »Gosho hat Nino zwar aus dem Haus gejagt, aber wenn er nun zu den Behörden geht, dann kann er ihn als entlaufen melden und dann wird Nino zum Freiwild und kann froh sein, wenn sie ihn nicht direkt umbringen, sondern zu Gosho zurückbringen. Und auch das wäre über kurz oder lang sein Todesurteil«, beantwortet Jamon die Frage, als er die Küche betritt. »Im Prinzip geht es nun darum, dass wir schneller sind als Gosho – der kann erst morgen zu den Behörden gehen.«

      Kai starrt seinen Liebsten ungläubig an. »Aber warum sollte er das tun? Er hat Nino doch in die Kälte gejagt, damit dieser erfriert.«

      Bitter lacht Jamon auf. »Wenn Nino getötet oder tot aufgefunden wird, dann bekommt Gosho eine Entschädigung für den Verlust seines Sklaven.«

      Sprachlos lässt sich Kai auf den Stuhl sinken. »Das ist einfach unglaublich. Wie kann man nur so skrupellos sein?«, keucht er geschockt.

      »Du glaubst nicht, wie viele so sind, wenn ihre Sklaven nicht mehr an einen Händler verkäuflich sind, sie die aber loswerden wollen. Immerhin beträgt die Entschädigung fünf Silbermünzen.«

      Mit großen Augen sieht Kai seinen Liebsten an und schüttelt dann den Kopf. »Unglaublich. Aber gut, dann begleite Großvater bitte zu Gosho. Ich will ihn nicht allein losziehen lassen.«

      Leicht legt Jamon nun die Hand auf die Schulter seines Shariks. »Ich hatte nichts anderes vor, also mach dir keine Sorgen.«

      Leise schnaubt Ren. »Aber dann wirst du ab und zu nach Nino schauen müssen, bis wir wieder da sind.« Er nimmt den Teekrug vom Herd und füllt alle Tassen auf. »Jetzt wird aber erst einmal gefrühstückt.« Streng sieht er seine beiden Enkel an, die synchron nicken.

      »Ja, Großvater«, erwidern sie gleichzeitig.

      Nachdem sich alle hingesetzt haben, beginnen sie hungrig zu essen, und Jamon gönnt sich gleich zwei Tassen heißen Tee, um sich nach seiner Arbeit im Stall wieder ein wenig aufzuwärmen.

      »Wann willst du denn los?«, möchte Kai zwischen zwei Brötchen wissen, während er nach der Marmelade greift.

      »Sobald die Suppe fertig ist und ich Nino eine Schale davon hochgebracht habe. Ich schätze mal, direkt nachdem wir die Küche aufgeräumt haben.«

      »Du meinst, nachdem Kai und ich die Küche aufgeräumt haben«, korrigiert Jamon breit grinsend und als Ren ihn unschuldig ansieht, lacht er laut auf. »Versuch es gar nicht erst. Ich kenne dich inzwischen gut genug, um dich zu durchschauen.«

      »Erwischt. Ich will sichergehen, dass Nino etwas isst, aber auch nicht zu spät losgehen.«

      »Alles klar, Großvater«, lacht nun auch Kai, ehe er einen herzhaften Bissen von seinem Brötchen nimmt.

      Nach dem Frühstück kontrolliert Ren die Suppe und probiert sie zur Sicherheit, bevor er eine Schale füllt und diese mit einem frischen Krug Tee nach oben zu Nino bringt.

      Als er das Wohnzimmer betritt, springt Nino erschrocken vom Kamin weg, wo er gerade ein neues Holzscheit ins Feuer geworfen hat. »Tut … tut … mir leid. Ich … mir war kalt und ich … wollte …«, stottert er los, bricht aber ab, als Ren lächelnd den Kopf schüttelt.

      »Du musst dich nicht entschuldigen, mein Junge. Wenn dir kalt ist, dann fache das Feuer ruhig an«, erklärt er sanft und stellt den Teekrug sowie die Suppenschale auf den niedrigen Tisch. »Nun iss und trink erst mal etwas. Oder musst du erst ins Bad?«

      Sich die Lippen leckend, blickt Nino auf die Suppe. Er zögert. »Ich müsste mal aufs Klo«, gibt er kaum hörbar zu, woraufhin Ren sich lächelnd umwendet. »Dann komm mit. Ich zeige dir das Bad.«

      Langsam, damit Nino ihm gut folgen kann, geht Ren nach unten und öffnet für ihn die Badezimmertür. »Wenn du im Bad bist, dann drehe das Schild auf Rot. Dann stört dich niemand aus Versehen«, erklärt er und dreht das Schild um. »Ich gehe mal schauen, ob wir für dich noch eine Zahnbürste haben. Komm nachher einfach wieder hoch ins Wohnzimmer und fang ruhig auch schon an zu essen, wenn ich noch nicht da sein sollte. Verstanden?«

      Unsicher nickt Nino und geht ins Badezimmer. Dort sieht er sich mit großen Augen um und kann es nicht glauben, dass er das gleiche Bad wie die Mutsuos benutzen darf. Nervös und immer darauf gefasst, dass die Tür aufgerissen und er bestraft wird, setzt er sich auf die Toilette.

      Während Nino im Bad ist, geht Ren in den Vorratsraum und schaut nach, was er noch so da hat. Er findet tatsächlich eine Zahnbürste und eine kleine Schale mit Zahnpasta. Nur Kamm und Rasierzeug fehlen, aber das kann er ja beim nächsten Einkauf besorgen.

      Mit den Sachen geht er zurück zum Bad und wartet darauf, dass Nino rauskommt.

      Als dieser die Tür öffnet, zuckt er zusammen und duckt sich instinktiv, in Erwartung einer Bestrafung, weil er zu lange gebraucht hat. Doch dann tauchen in seinem Blickfeld die Zahnbürste und das Döschen mit Zahnpasta auf. Verwirrt hebt er den Blick, greift aber nicht nach den Sachen.

      »Wenn du die Sachen jetzt nicht nehmen willst, dann lege ich sie in das Spiegelschränkchen über dem Waschbecken«,