Название | Raban und Röiven Der Feuervogel |
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Автор произведения | Norbert Wibben |
Жанр | Языкознание |
Серия | Raban und Röiven |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783742754868 |
»Das wissen wir selbst«, murrt die Anführerin, wovon sich Kenneth aber nicht provozieren lässt.
»Ich habe Zeichen bemerkt, die auf eine baldige Rast der Bande hinweisen. Eines ihrer Pferde lahmt stark und auf einem anderen hält sich der Reiter nur noch mit Mühe im Sattel. Er scheint verletzt zu sein. Ob sie ein Feuer entzünden werden, wissen wir sicher schnell, da dessen Schein hier auf der Ebene weit leuchten wird. In dem Fall müssen wir uns außerhalb des Lichtscheins trennen, um sie einzukreisen. Sollten sie kein Feuer machen, was ich eher annehme, weil ihre Rast sicher nicht lange dauern soll, kommen wir ihnen viel näher, um sie einzuschließen. Sobald das geschehen ist, ziehen wir den Kreis enger, bis wir sie festnehmen können.«
»Ihr wisst, dass sie sich verzweifelt wehren werden, da ihnen die Todesstrafe gewiss ist. Sie haben nichts zu verlieren, also passt gut auf. Notfalls töten wir sie, bevor sie entkommen können!« Diese Unterweisung der Jäger durch Kendra war vollkommen unnötig, da die Gruppe nicht zum ersten Mal Verbrecher jagt. Ob sie damit auch den Sucher instruieren wollte, oder nur ihre scheinbar höhere Position unterstreichen will, ist unklar. Ihn stört das nicht. Was weiß sie schon von ihm oder welche Position er in seinem Volk innehat! Sie kennt und nutzt seine Fähigkeiten zur Jagd von Verbrechern, mehr interessiert sie offenbar nicht. Ein feines Lächeln huscht über seine Züge, was im Dunkeln aber nicht gesehen wird. Er entgegnet kurz:
»Dann los!«, und beugt sich nach vorne, um seine rechte Hand kurz auf die Nüstern seines Pferdes zu legen. Als er sich aufrichtet, schnalzt er kurz mit der Zunge, worauf das Tier im Schritt vorwärtsgeht. Alle Jäger machen es ihm nach und folgen leise.
Die Dunkelheit ändert sich auch nach etwas über einer Stunde nicht, also sind die Verfolgten entweder doch weitergeritten, oder sie haben kein Feuer entzündet. Nach einer Viertelstunde hebt Kenneth erneut die rechte Hand und hält einen Finger vor seine Lippen, als ihn die Jäger anschauen. Alle sitzen auf sein Zeichen ab und legen den Pferden erneut eine Hand auf die Nüstern. Dann binden sie alle Zügel zusammen, damit einer der Jäger sie halten kann. Er wird bei ihnen bleiben, während die anderen die Verfolgten einkreisen und überwältigen wollen. Zu Pferd wären auch im langsamen Schritt verräterische Geräusche zu hören gewesen, die beim Aufsetzen der Hufe entstehen. Leise und vorsichtig folgen die fünf Jäger dem Sucher und schleichen vorwärts. Ihre dunkle Kleidung ist ihnen dabei von Vorteil, so dass sie sich der Bande bis auf wenige Schritte nähern können. Sie wollen sie gerade kreisförmig umschließen, als die bisherige Stille plötzlich unterbrochen wird.
Eines der Pferde der Verbrecher hat die Verfolger gerochen und wiehert kurz, worauf sogleich Chaos ausbricht. Die Jäger stürmen augenblicklich vorwärts und schwärmen aus, um den Kreis zu bilden, damit ihnen keiner entkommen kann. Sie haben ihre Schwerter gezogen und brüllen:
»Ergebt euch! Ihr seid von königlichen Jägern umstellt. Widerstand ist zwecklos. Wer sich widersetzt, wird sofort sterben!« Lediglich Kenneth ist langsam und ohne Worte weitergegangen und bleibt jetzt beobachtend stehen.
Als Antwort auf das Gebrüll leuchtet ein kurzer, dafür umso hellerer, bläulicher Lichtschein auf, der fast wie ein Blitz wirkt und vor den ersten Jägern in den Boden fährt. Gefolgt wird er von einem dunklen Grollen, das dem Gebrüll eines angreifenden Löwen ähnelt. Tatsächlich bildet sich jetzt an der Stelle des Blitzaufschlags ein weißer Nebel, der die Form dieses Tieres annimmt.
»Bleibt dem Nebel fern!«, warnt Kenneth die Jäger. Seine rechte Hand berührt kurz die Innenseite seines linken Arms. Von den anderen unbemerkt schickt er einen rotgelben Blitz in den Nebel. Ein hohes Kreischen erschallt und der Nebel verändert sich. Ein großer, hell lodernder Vogel mit breiten Schwingen fährt mit vorgestreckten Krallen auf den Löwen herab. Das Grollen und Kreischen begleitet den Kampf der ungleichen Gestalten und dauert mehrere Minuten, bis sich die Nebelschwaden auflösen und beide Tiergestalten verschwunden sind.
»War das ein Feuervogel, der die Bestie vertrieben hat?«, rufen die Jäger, die noch zögern weiterzugehen, um den Kreis zu schließen. »Aber, wo sind er und die Bestie jetzt geblieben?« Sie blicken immer noch erschrocken dorthin, wo die beiden Gestalten miteinander gekämpft haben. Ob sie vielleicht noch einmal zurückkommen? Plötzlich beleuchtet eine große Lichtkugel den Platz, die Kenneth mit:
»Solus!«, heraufbeschworen hat.
Ein Packpferd und drei Reittiere, die mit den Zügeln aneinandergebunden sind, damit sie nicht weglaufen können, tragen geraubte Beutestücke. Sie wiehern laut und blicken mit vor Schreck geweiteten Augen um sich, um eine Fluchtmöglichkeit zu finden. Aufgeregt zerren sie an den Zügeln und behindern sich so gegenseitig, bis sie der Sucher mit einigen gemurmelten Worten beruhigt.
In der Mitte des jetzt geschlossenen Kreises stehen, sich Rücken an Rücken deckend, zwei Männer in der Kleidung hochgestellter Bürger. Einer von ihnen trägt einen notdürftigen Verband um seinen linken Oberschenkel, der durchtränkt von Blut ist. Trotz seiner offensichtlich schweren Verletzung steht er hoch aufgerichtet da, während die zusammengekniffenen Lippen seine Schmerzen verraten. Die beiden haben wie die Jäger Kurzschwerter an ihren Gürteln hängen, halten aber jetzt gespannte Bögen in Händen und die aufgelegten Pfeile auf ihre Verfolger gerichtet. Ihre wilden Blicke und verkniffenen Mienen drücken vollkommene Verzweiflung aus. Sie wissen, was auf sie zukommt und wollen sich offensichtlich bis zum letzten Atemzug verteidigen.
»Ergebt euch«, fordert mit gewohnter Autorität die Anführerin der Jäger, »dann werden wir euch nicht sofort töten!«
»Guter Witz«, antwortet der unverletzte Verbrecher, »aber so leicht bekommt ihr uns nicht!«
Bevor der erste Pfeil von der Sehne fliegen kann, murmelt der Sucher leise:
»Torpor!« und deutet auf die zwei Verbrecher. Anschließend fordert er die Jäger auf, die rechts und links von ihm stehen: »Ihr könnt ihnen jetzt die Waffen abnehmen und sie fesseln. Sie stehen unter meinem Bann und können sich nicht wehren. Ihr anderen bleibt aber wachsam. Ich weiß nicht, wo der dritte von ihnen geblieben ist.«
»Er muss aber hier sein«, entgegnet die Anführerin. »Vielleicht versteckt er sich zwischen den Pferden, die sich auffällig schnell beruhigt haben.« Mit diesen Worten tritt sie mit gezogenem Schwert zu den Tieren, um dann enttäuscht zu rufen: »Er ist nicht da. Kann er zwischen uns hindurchgeschlüpft und verschwunden sein? Aber dafür hatte er nicht genug Zeit. Nein. Das wäre nur mit Zauberei möglich gewesen. – In unserem Volk können aber nur wenige zaubern, und offenbar auch einige von eurem Volk«, endet sie mit einem erstaunten Blick in Kenneths Richtung.
»Ja, ich beherrsche etwas Magie«, entgegnet der Sucher bescheiden, »aber ich setze sie nur dann ein, wenn es nicht zu vermeiden und zum Schutz anderer sinnvoll ist.« Jetzt blickt er auf die immer noch unbeweglichen Gefangenen, denen inzwischen die Waffen abgenommen wurden. Mit
»Inhibeo« hebt er deren Lähmung auf, so dass ihnen jetzt die Hände auf den Rücken gebunden werden können. »Wir sollten den Ort genau untersuchen, aber ich stimme dir zu, Kendra, der dritte ist uns wohl durch Zauberei entkommen. Er hetzte auch diesen magischen Löwen auf uns. Die beiden, die sich mit Pfeilen verteidigen wollten, können es jedenfalls nicht gewesen sein.«
Die Kontrolle des Platzes benötigt nicht viel Zeit, dann ist es sicher: Sie haben nur zwei der drei Verbrecher gefangen, die sie jetzt in die Hauptstadt bringen werden. Der dritte konnte auf bisher ungeklärte Weise entkommen. Darüber ärgert sich Kenneth