Название | Die Pferdelords 08 - Das Volk der Lederschwingen |
---|---|
Автор произведения | Michael Schenk |
Жанр | Языкознание |
Серия | Die Pferdelords |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783750222465 |
Maß war wichtig, um einen festen Sitz zu garantieren, ohne den Hals zu stark
einzuschnüren. Anschudar zog die Steigbügel mit den schweren
Bügelschuhen nach unten und sah Mordeschdar für einen Augenblick an.
Dieser nickte. »Flieg mit ihr, Schwingenreiter. Nur so findet ihr endgültig
zueinander.«
Anschudar setzte den rechten Fuß in den Bügelschuh und zog sich in den
Sattel hoch. Unter dem ungewohnten Gewicht ihres Reiters richtete sich
Showaa instinktiv auf. Anschudar hatte Mühe, sich oben zu halten, als sich
die Schwinge zu voller Größe aufbaute. Er klopfte ihr beruhigend gegen den
Hals und spürte dabei ihre Erregung.
Behutsam setzte er mit der anderen Hand das Lenkholz an, ein
fingerstarker Stab, gute zwei Spannen lang und an den Enden nach unten
gekrümmt. Dort befanden sich die Lenkdorne aus reinem Gold. Stumpf
genug, um die Haut nicht zu verletzen, und spitz genug, der Schwinge die
gewünschte Richtung anzuzeigen. Später, wenn Anschudar und Showaa sich
aneinander gewöhnt hatten, würde das Lenkholz überflüssig sein. Eine leichte
Gewichtsverlagerung des Reiters im Sattel würde dann ausreichen.
»Flieg, Showaa«, sagte Anschudar leise. »Flieg, meine Schöne.«
Die Lederschwinge ging ein wenig in die Knie, stieß sich mit ihren
muskulösen Beinen ab und breitete zugleich ihre Flugschwingen aus.
Anschudar stieß einen Schrei reinsten Entzückens aus, als Showaa über den
Rand des Plateaus in die Tiefe glitt. Er spürte das Pumpen in ihren inneren
Kammern, als sie das Gewicht des Reiters ausglich, und genoss es, wie der
Wind an seinem Gesicht vorüberstrich. Der Boden kam rasend schnell näher,
aber der junge Schwingenreiter empfand keine Furcht und vertraute auf die
Fähigkeiten Showaas. Erneut stieß er einen jauchzenden Schrei aus, als sie
den Sturz dicht über dem Boden abfing und rasch wieder an Höhe gewann.
Das Plateau fiel hinter ihnen zurück, und Anschudar ließ Showaa ihren
Willen. Sie beide sollten diesen ersten gemeinsamen Flug genießen, denn er
würde sie zusammenführen. Der Wind stach wie mit eisigen Nadeln in sein
Gesicht. Es war schmerzhaft, und doch verzichtete Anschudar auch jetzt
darauf, das Klarsteinvisier vor seinen Helm zu klappen. Zu sehr genoss er das
Gefühl der Freiheit, wie es nur ein Schwingenreiter empfand. Hoch oben
zwischen den Wolken, losgelöst von der Mühsal, die mit dem Leben am
Boden verbunden war. Frei von der Enge des Horstes, der seinem Volk
Heimat und sichere Zuflucht vor den Kriegen der anderen Völker war.
Einst hatte auch Anschudars Volk den Boden der fruchtbaren Ebenen von
Rumak bewohnt. Doch dann waren die großen Kriege ausgebrochen, der
Menschenreiche untereinander und der Menschen und Elfen gegen die
Legionen des Schwarzen Lords. Wie mächtige Mühlsteine hatten sie
Anschudars Volk zwischen sich zerrieben, bis sich einige aus ihm der
Finsternis unterwarfen und die letzten freien Rumaker in die Schwarzen
Berge von Uma’Roll flüchteten. Immer höher hinauf, bis in die eisigen
Regionen, wohin ihnen kein Mensch und erst recht kein Ork folgen konnte,
denn die Bestien des Schwarzen Lords erstarrten in der Kälte. Die Handvoll
Überlebender wäre selbst dem Tod geweiht gewesen, wäre sie dort oben nicht
auf den Horst der Lederschwingen gestoßen. Obwohl sie äußerlich so wenig
gemeinsam hatten, fanden sie in einer nahezu symbiotischen Verbindung
zueinander.
Die Flugwesen waren Allesfresser. Sie verschmähten weder Pflanzen noch
Fleisch, begnügten sich aber auch mit Aas. Darin ähnelten sie durchaus den
Menschen, doch sie hatten eine Besonderheit, die sie von allen anderen
Lebewesen unterschied: Ihre Körper waren von großen Hohlräumen
durchzogen. Kammern, in denen Verdauungsgase gesammelt und aufgetrennt
wurden. Ein Teil davon diente dem zusätzlichen Auftrieb, ein anderer Teil als
Brennstoffvorrat. Über eine knöcherne Öffnung unterhalb des Auges konnte
das brennbare Gas ausgestoßen werden. Die schlitzförmigen Pupillen
zusammen mit den beiden Maultentakeln fokussierten den Ausstoß. Dadurch
konnte das Brenngas als diffuse Wolke oder scharf gebündelter Strahl
abgegeben werden. In längst vergangenen Zeiten, als die Lederschwingen
noch von kleinem Wuchs gewesen waren, hatte das Gas dazu gedient, einen
Angreifer durch seinen infernalischen Gestank abzuwehren oder ihn zu
ersticken. Dann hatten die Flugwesen im Zuge der Jahrtausendwenden
gelernt, über ihre Maultentakel winzige Blitze abzusondern, welche das Gas
entzünden konnten. Von da an wagte sich kaum mehr ein Fressfeind an die
Schwingen heran. Wieder viele Jahrtausendwenden später hatten die Wesen
entdeckt, dass die Wirkung des Brennstrahls noch gesteigert wurde, wenn sie
in ihren Maultentakeln Brocken von Gelbstein bereithielten. Ihm entströmten
Substanzen, welche die Wirkung des Brennstrahls auf verheerende Weise
steigerten.
Gelbstein war eigentlich eine flüssige Substanz, die sich in heißen
Tümpeln sammelte und bestialisch stank. An den Rändern der Tümpel oder
wenn diese austrockneten, kristallisierte die Flüssigkeit zu gelben Brocken. Es
fiel den Lederschwingen leicht, diese zu lösen und in ihre Tentakel
aufzunehmen. Aber dann wurden die Tümpel und die Vorkommen des
Gelbsteins seltener, und es wurde immer schwieriger, ihn zu finden. Meist
war er unter der Erde verborgen. Die Lederschwingen konnten ihn riechen,
doch gelang es ihnen kaum, ihn auszugraben. Bis die Menschen zu ihnen
stießen. Nun grub Anschudars Volk für die Flugwesen nach dem Gelbstein,
und die Lederschwingen schützten mit ihrem Brennstrahl den Horst und die
darin lebenden Menschen.
Der Horst selbst war eigentlich kaum gefährdet. Er lag zu weit oben in den
eisigen Gipfeln von Uma’Roll, unerreichbar für jedes Wesen, das nicht
fliegen