Die Pferdelords 06 - Die Paladine der toten Stadt. Michael Schenk

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Название Die Pferdelords 06 - Die Paladine der toten Stadt
Автор произведения Michael Schenk
Жанр Языкознание
Серия Die Pferdelords
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783750222038



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benötigen, bis er den Vorposten des Hauses Elodarion erreichte

      und seine Botschaft überbringen konnte.

      Wie würden die Ältesten auf die Nachricht reagieren, dass eine volle

      Hundertschaft in Niyashaar verschwunden war? Würden sie den Vorposten

      endgültig aufgeben, ungeachtet der kostbaren Vorwarnzeit, die sie damit

      opferten? Oder würden sie, im Gegenteil, die Besatzung noch verstärken?

      Nendas Schritt stockte.

      Er hatte die Brücke nun im Blickfeld und erkannte sofort, dass sie

      beschädigt war. Zwei der stützenden Pfeiler waren zur Seite geknickt, und der

      Steg der Brücke war eingesackt. Nur die Balken auf der rechten Seite, die den

      Bohlen dort als Auflage gedient hatten, schienen unversehrt. Was auch immer

      dies bewirkt hatte, es war ärgerlich, wenn auch kein ernsthaftes Hindernis.

      Nendas konnte sich mühelos an den Trümmern entlangbewegen. Aber wenn

      ein größerer Trupp die Brücke benutzen wollte, mit all seinen Vorräten und

      seinem Gepäck, dann würde man Holz mitnehmen müssen, um den Schaden

      ausbessern zu können. Auch das mussten die Ältesten erfahren.

      Er erreichte die Brücke und nickte betrübt. Die linke, dem Abgrund

      zugewandte Seite war von herabstürzenden Felsen zerstört worden. An der

      rechten Seite standen die Stützen noch, aber die Auflagebalken waren

      ebenfalls beschädigt. Einer hatte sich aus seiner Verankerung gelöst, und

      Nendas war sich nicht sicher, ob das Holz dem Gewicht seines Leibes

      standhalten würde.

      Der Elf schob den Pfeil in den Köcher und schlang sich den Bogen über

      die Schulter. Er brauchte seine Hände nun, um sich Halt zu verschaffen.

      Vorsichtig packte er das Geländer, setzte einen Fuß tastend auf den Balken

      und belastete ihn vorsichtig. Das Holz hielt. Langsam und vorsichtig schob er

      sich weiter auf den Balken und balancierte dabei mit den Armen, um sein

      Gleichgewicht zu halten. Er setzte Fuß vor Fuß, um den Abgrund, der sich

      unter ihm öffnete, sicher zu überqueren. Ein Fehltritt nur, und er würde einige

      Längen in die Tiefe stürzen, direkt auf den steilen Hang, von dem aus er eine

      endlose Fahrt ins Tal anträte, die er gewiss nicht lebend überstehen würde. Es

      ging kaum Wind, der ihn behindert hätte, und Fuß um Fuß kam er voran.

      Gelegentlich knarrte das Holz drohend, und einmal senkte sich der Balken um

      eine volle Zehntellänge. Nur seine Reflexe bewahrten ihn vor dem Tod. Dann

      erreichte er den zweiten Balken, dessen Auflage noch intakt war, und er

      atmete erleichtert auf.

      Bis er das drohende Brummen neben sich hörte.

      Nendas hatte sich voll auf seine Füße und den Balken konzentriert und zu

      wenig auf die Umgebung geachtet. Der Anblick des großen Pelzbeißers am

      Ende der Brücke, nur wenige Schritte entfernt, überraschte ihn.

      Das riesige Tier war aufgerichtet weitaus größer als ein Elf. Mit dichtem

      braunen Pelz bedeckt, schien es sonst nur noch aus Muskeln, Tatzen und

      einem albtraumhaften Gebiss zu bestehen.

      Pelzbeißer und Elf sahen einander an, belauerten sich und warteten auf

      einen Hinweis darauf, was der andere wohl beabsichtigte. Nendas überlegte,

      ob er eine der elfischen Melodien anstimmen sollte, diese sanften,

      zweistimmigen Folgen von Pfiffen, wie sie nur die Kehlen von Elfen oder

      Zwergen erzeugen konnten. Schon oft hatten diese Klänge aggressive Tiere

      beruhigt, aber dieser Pelzbeißer war auf eine Mahlzeit aus.

      Dennoch begann er zu singen. Vielleicht beruhigte es den Pelzbeißer ja

      doch ein wenig oder lenkte ihn zumindest ab, bis er sich auf den

      entscheidenden Schuss vorbereitet hatte. Geschickt auf dem Balken

      balancierend, zog Nendas mit langsamen Bewegungen den Bogen von der

      Schulter, der sich einen Moment im langen Umhang des Elfen verfing, dann

      aber wieder freikam. Nendas nahm einen Pfeil und legte ihn an die Sehne. Es

      kam auf diesen einen entscheidenden Schuss an, das wusste der erfahrene

      Krieger.

      Das gewaltige Raubtier brüllte erneut, und seine feucht schimmernde Nase

      schnüffelte in Nendas Richtung. Eines seiner Augen fehlte offensichtlich, das

      andere wirkte dafür umso bösartiger. Der elfische Krieger überlegte, ob er auf

      das verbliebene Auge schießen sollte. Das hatte Vor- und Nachteile. Wenn

      der Pfeil nicht genau traf und das Gehirn des Pelzbeißers verfehlte, würde das

      Tier dadurch noch rasender werden. Wurde das Auge allerdings zerstört, wäre

      der Räuber vollständig geblendet. Es war zumindest einen Versuch wert.

      In einen gleitenden Bewegung hob Nendas den Bogen, spannte ihn und

      löste den Pfeil. Das Geschoss schnellte vor und bohrte sich in das geöffnete

      Auge des Pelzbeißers.

      So rasch der Schuss auch erfolgt war, das Ungetüm hatte sich unmerklich

      bewegt, und der Pfeil durchschlug Auge und Augenhöhle, ohne das Gehirn zu

      treffen. Stattdessen trat er seitlich wieder aus und zerfetzte dabei ein Ohr.

      Der Pelzbeißer brüllte schmerzerfüllt auf, stellte sich auf die Hinterbeine

      und schlug blind mit seinen Pranken in Nendas’ Richtung. Dabei verlor er den

      Halt und kippte vornüber. Nendas erkannte entsetzt, dass der schwere Körper

      auf den Balken prallen würde, auf dem er selber stand, und instinktiv

      versuchte er nach hinten auszuweichen, doch es war zu spät.

      Das Raubtier schlug wuchtig auf den Balken, der unter dem Gewicht des

      tobenden Tieres nachgab.

      Nendas hörte das krachende Splittern, mit dem das Holz brach. Er ruderte

      hilflos mit den Armen und spürte, wie der Boden unter ihm nachgab. Für

      wenige Augenblicke fühlte er, wie die Luft an ihm vorbeistrich, und er war

      überrascht, wie gleichgültig ihn das Sterben ließ. Den Aufprall spürte er

      kaum.

      Staub wallte auf, als die beiden Körper den steilen Hang hinab in die Tiefe

      stürzten und dann,