Zwanzig Monate in Kriegsgefangenschaft. Bernhard Domschcke

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Название Zwanzig Monate in Kriegsgefangenschaft
Автор произведения Bernhard Domschcke
Жанр Документальная литература
Серия Zeitzeugen des Sezessionskrieges
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783738086881



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unsere Augen hinüber nach den Bergen Marylands, wo sich unsere Armee befinden mochte, aber der unbarmherzige Ruf zum Wiederabmarsch weckte uns aus unseren Träumen. Eskortiert von den Überlebenden aus Picketts Division, welche uns wehmütig erzählten, dass noch keine Schlacht so viele Opfer ihrerseits gefordert habe, gingen wir zunächst nach Martinsburg und, nachdem wir daselbst in einem Obstgarten übernachtet hatten, wo manche mit kleinen, grünen und unreifen Äpfeln ihren Hunger stillten, am anderen Morgen bis in die Nähe von Winchester, wo uns an einem schattigen Platze in der Nähe einer herrlichen Quelle, die unter dem riesigen Stamme einer mächtigen, Jahrhunderte alten Ulme in unversiegbaren Strömen hervorfloss, ein Tag Rast gestattet und eine gewisse Menge Mehl und Fleisch verabreicht wurde, zu deren dürftiger Zubereitung sofort jene sehr primitiven Anstalten getroffen wurden, die bereits erwähnt worden sind. Am 12. Juli, einem Sonntage, passierten wir Winchester, eine erträglich respektabel aussehende Stadt mit vielen altmodischen, jedoch auch manchen neuen und elegant aussehenden Häusern, auf deren Balkonen die aristokratischen Damen und alten Herren sich befanden, um eine schadenfrohe Begutachtung über uns zu halten. Sie hatten keine Bemerkungen zu machen, aber in ihren Mienen war deutlich das Wohlgefallen zu lesen, welches sie bei dem Anblick so vieler gefangener "Yankees" empfanden. Jenseits der Stadt sahen wir die Befestigungen, aus welchen vor kurzem der General Milroy verjagt worden war und manche Schlachtengeschichten wurden von Offizieren erzählt, welche an den früheren, bei Winchester stattgefundenen blutigen Konflikten teilgenommen hatten.

      In den nächsten Tagen erreichten wir das Shenandoah-Tal und jetzt begann ein Marsch, der uns über alle Maßen ermüdete. Es trat heftiges Regenwetter ein, welches beinahe eine Woche anhielt und die Wege verschlechterte und die Bäche zu Strömen anschwellen ließ. Wir wurden von Kavallerie eskortiert, welche zu Imbodens Kommando gehörte, mussten täglich 25 bis 30 Kilometer zurücklegen und wurden jede Nacht, wenn wir uns müde und durchnässt auf den feuchten Boden gelegt hatten, von einem neuen Regenguss überrascht, der die kleinen Feuer, welche wir mit umherliegenden Holzstücken und Reisig zu unterhalten suchten, auslöschte. Wir waren indes meistens zu müde, als dass wir uns viel um den Regen gekümmert hätten und schliefen, um am anderen Morgen, bis auf die Haut durchnässt und frierend, den Marsch weiter fortzusetzen. Die Rationen waren so klein und unzureichend wie zuvor, jedoch gelang es uns, hier und da etwas kaufen zu können. Man berechnete unsere Unionsbanknoten, die "Greenbacks", zu drei Dollars konföderierten Geldes und forderte enorme Preise für die sauren Brombeerkuchen, welche ein Grundnahrungsmittel im Shenandoah-Tale zu sein schienen. In Harrisonburg traf ich einen Deutschen, einen dem Spekulantengewerbe nachgehenden Israeliten, der, wie er sagte, sehr gute Geschäfte machte und sich für das konföderierte Geld, in dessen Wert er vorsichtigerweise kein großes Vertrauen setzte, Häuser und Farmen kaufte, die er billig haben konnte. Der Mann erzählte viel, in einer Art von Pennsylvania-Deutsch und pflegte ununterbrochen die Redensart einzuschieben: "Und ich will Sie auch sagen die reason why." Er verkaufte uns essigsauren Brombeerkuchen und ein Brot zu einem sehr hohen Preise und erwiderte auf eine kleine vorwurfsvolle Bemerkung: "Ich will Sie auch sagen die reason why; alles ist very high, especially die flour, and müssen Sie sein froh, dass Sie noch haben etwas, sure!" Wir waren auch froh, nur nicht an die ungeheuren Preise gewöhnt, welche man im Süden für jeden Artikel des Lebensunterhaltes forderte. Wir haben später treffliche Studien in dieser Richtung gemacht, fanden es aber damals überraschend, dass man drei Dollars für etwas bezahlen sollte, was im Norden vielleicht zehn Cents kostete und wofür selbst ein "grundehrlicher Marketender" kaum den dritten Teil berechnet haben würde.

      Von Winchester kamen wir zunächst nach Newton, wo der kommandierende Rebellen-Captain den Weg verfehlte und wir durch einen Fluss zu waten hatten, weil die Brücke überschwemmt war; dann nach Middletown, Strasburg, Woodstock, Edinburgh, Mount Jackson, New Market und Harrisonburg. Alle diese Städtchen und Dörfer waren zwar hübsch gelegen, aber, Harrisonburg vielleicht ausgenommen, verödet und hatten, wie die meisten Ortschaften im Süden, ein altmodisches oder verwittertes Aussehen. Das Shenandoah-Tal an und für sich war schön und die Felder zwischen den beiden Gebirgszügen waren fruchtbar, aber es fehlte hier, wie überall im Süden, der rechte Fortschrittstrieb. Unter den Händen freier nordstaatlicher Farmer wäre dieses Tal ein Paradies und eine Quelle noch bedeutenderen Wohlstandes geworden, als es zuvor gewesen war. Die Spuren des Krieges waren in den genannten Plätzen deutlich wahrzunehmen; viele Häuser standen leer und gingen dem Verfalle entgegen; man sah manches Aushängeschild, aber der Kaufladen oder die Werkstätte waren geschlossen. Von der männlichen Bevölkerung erblickte man nur Greise, Knaben und verkrüppelte junge Männer; die Frauen und Mädchen waren meist ärmlich und in der Regel schwarz gekleidet. In einigen Ortschaften fanden wir Baracken, in welchen zum Teil Regimenter ihr flüchtiges Domizil aufgeschlagen hatten oder Verwundete untergebracht worden waren. In Harrisonburg war ein großes Akademie-Gebäude zu einem Hospital eingerichtet worden.

      Von Harrisonburg ging der Weg durch eine fruchtbare Gegend über Mount Crawford und Mount Sidney nach Staunton, der letzten Station unserer mühevollen und etwa 300 Kilometer langen Tour. Die Eisenbahnwagen standen bereits vor dem Stationshause und nach wenigen Minuten war der Zug zur Abfahrt bereit. Vorher mussten wir indes noch eine Unwürdigkeit erdulden. Ein Lieutenant kam nämlich in die Wagen und verlangte auf Befehl des Kavallerie-Generals und Wegelagerers Imboden, dass wir etwaige Decken, Wachstücher, Mäntel und dergleichen, das Einzige, was Einzelne von uns wenigstens einigermaßen vor dem Unwetter schützte, abgeben sollten. Da Gewalt vor Recht geht, mussten wir uns fügen. Manche schnitten indes ihre Decken entzwei und warfen die Stücke hinaus oder auf den Fußboden. Der Rebellen-Lieutenant sprach sein Bedauern aus, uns dieser kleinen Habseligkeiten berauben zu müssen, bemerkte aber zugleich, dass der General ihm den Befehl in der ausdrücklichsten Weise gegeben habe.

      Am Abend des 18. Juli, also beinahe drei Wochen nach dem Tage unserer Gefangennahme, kamen wir in Richmond an. Die Eisenbahn ging unmittelbar in die Stadt und der Zug hielt in einer belebten Straße an. Hunderte von Neugierigen, Weiße und Schwarze, hatten sich auf beiden Seiten der Straße versammelt. Wir stellten uns in viergliedriger Reihe auf, die Eskorte wurde formiert und die traurige Prozession begann. Wir marschierten durch mehrere Straßen, unter anderem durch eine, in welcher die Israeliten ganz ausschließlich ihr Lager aufgeschlagen zu haben schienen. Es war Samstag; vor den Türen saßen die Damen mit dem unverkennbaren orientalischen Typus, ziemlich reich gekleidet und uns schweigend musternd. Über den Läden hingen Schilder mit den bekannten, oft poetisch klingenden, aber in den meisten Fällen höchst kurios anglisierten Namen der Rosenzweige, Rosenhaine, Rosenbäume usw. Wir waren in der Straße, deren Einwohner später einmal der Richmonder Zeitung "Examiner" Stoff zu einem Artikel gaben. Eine nordstaatliche Zeitung hatte nämlich von einem "Kreuzzuge" gegen Richmond gesprochen. Der "Examiner" bemerkte bei dieser Gelegenheit, dass er die "nordstaatlichen Vandalen" zwar nicht mit den Kreuzrittern vergleichen könne, dass aber doch wenigstens eine Ähnlichkeit mit den Kreuzzügen der alten Zeit vorhanden sei, indem die "Yankees" hier viele Juden treffen würden, welche dem "Examiner" übrigens schwer im Magen lagen, weil er ihrem konföderierten Patriotismus nicht traute.

      Nach einem Marsche von ungefähr 15 bis 20 Minuten kamen wir in die Cary Straße, nahe dem Kanal, bei einem großen dreistöckigen Gebäude an, wo Halt gemacht wurde. "Was für ein Gebäude ist dies?" wurde gefragt. Ein kleines hölzernes Schild an der westlichen Ecke des Hauses gab uns genügende Auskunft. Die Inschrift lautete: "Libby & Sohn, Schiffsbedarf & Lebensmittel."

      Kapitel III

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       Das "Libby"-Gefängnis – Die Beamten – Die ersten Einrichtungen

      Als wir am "Libby", wie das Gefängnis später der Kürze halber genannt wurde, angekommen waren, erschienen an den Fenstern im zweiten und dritten Stockwerk des westlichen Flügels die Offiziere, welche einige Wochen vor uns den Rebellen in die Hände gefallen waren, nämlich die vom Kommando des Colonel Streight vom 51st Indiana Regiment, der einen Vorstoß nach Georgia gemacht hatte, sowie jene vom Kommando des Generals Milroy. Während wir auf der Straße standen, warfen sie einen Zettel mit der Warnung herab: "Versteckt eure Greenbacks!" Natürlich beeilten wir uns, den unter den obwaltenden Umständen doppelt wertvollen Artikel in den Mützen, in dem Unterfutter