Название | Das Geheimnis der Keshani |
---|---|
Автор произведения | Lina-Marie Lang |
Жанр | Языкознание |
Серия | Die Ashara-Chroniken |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738075168 |
„Wir nehmen die Einladung gerne an. Wir haben aber keine Spezialitäten dabei. Der Weg ist zu weit und unser Essen verdirbt schneller, als das der Menschen von Miragar." Callanor zögerte kurz. „Aber ich werde sehen, was sich machen lässt. Vielleicht haben wir noch Gewürze oder andere Dinge, die in Miragar selten sind."
Das schien den Boten zufriedenzustellen. Er verneigte sich und verschwand wieder.
„Ich muss Aurel fragen, ob sie noch Gewürze hat", sagte Callanor.
„Hat sie bestimmt", sagte Nadira. „Wenn sie nicht schon alles verbraucht hat."
Tatsächlich hatte Aurel auf Anhieb eine Idee, was sie zubereiten konnte. Am späten Nachmittag machte sich die Gruppe auf den Weg zum zentralen Platz des Dorfes. Mit dabei hatten sie einen großen Packen Felle und einen Eintopf mit besonderen Gewürzen, die für die Dorfbewohner hoffentlich exotisch waren.
Fast das ganze Dorf schien sich auf dem zentralen Platz versammelt zu haben. Auch der Älteste war jetzt nicht mehr in seiner Hütte, sondern saß mitten auf dem Platz, neben einem Feuer, das sie errichtet hatten.
Als Nadira und die anderen ankamen, machten die Dorfbewohner einen Weg für sie frei, der sie direkt zum Feuer führte. Nadira fühlte sich ein wenig unbehaglich. Es waren sehr viele Menschen hier auf diesem Platz. Deutlich mehr, als dass man sich noch wohlfühlen konnte.
Ein Dorfbewohner trat ihnen entgegen, um die Felle in Empfang zu nehmen. Er brachte sie dem Ältesten, der sie genau in Augenschein nahm. Kurz darauf zauberte sich ein Lächeln auf sein Gesicht. Er schien mit dem Geschenk zufrieden zu sein. Mit einer Geste lud er sie ein, sich zu ihm zu setzen.
Jedem von ihnen wurde eine hölzerne Schale mit einem grauen Brei und mehreren Streifen von trockenem Fleisch gereicht. Es sah nicht besonders appetitanregend aus. Callanor hatte ihnen schon gesagt, dass sie kein Festmahl erwarten konnten. Die Bewohner des Ödlands hatten nicht viel, und das, was sie hatten, musste vor allem haltbar und nahrhaft sein, nicht aber gut schmecken.
Der Brei war fast geschmacklos. In Alluria würde man ihn zumindest mit Gewürzen schmackhafter machen. Die Menschen in den Ödlanden von Miragar aber kannten kaum Gewürze. Sie waren den reichen Leuten in Resperu vorbehalten. Das Fleisch war zäh und schwer zu kauen, aber es schmeckte, zumindest im Vergleich zu dem Brei, gar nicht so schlecht.
Schließlich war es an der Zeit, dass Aurel ihren Beitrag zu diesem Essen beisteuerte. Sie stellte den Kessel noch einmal auf das Feuer, damit der Eintopf auch schön heiß war, dann erhielt der Älteste die erste Schale.
Und wieder stahl sich ein Lächeln auf sein vom Alter gezeichnetes Gesicht. Er lobte die Köchin lautstark. Nadira hoffte, sie erwarteten nicht, dass jeder Dorfbewohner etwas von dem Eintopf abbekam. Er würde nämlich nicht annähernd reichen.
Aber offenbar wurde das gar nicht erwartet. Tatsächlich sah Nadira nur sehr wenige Leute etwas essen. Mussten die anderen alle hungern? Oder war das hier eine Veranstaltung für die Gäste, und die anderen Dorfbewohner sahen nur zu?
Nadira bemerkte, dass Aurel in einer angeregten Diskussion mit dem Ältesten und einigen anderen Dorfbewohnern verstrickt war, in der sie wohl Rezepte austauschten und über die Vorzüge von verschiedenen Gewürzen sprachen.
Inzwischen war die Nacht hereingebrochen. Nadira hatte es gar nicht bemerkt. Der Unterschied zwischen Tag und Nacht war in Miragar nicht so groß, wie in Alluria. Das Feuer hatte ausgereicht, den Sonnenuntergang zu verschleiern.
Es herrschte ausgelassene Stimmung, wenn diese auch ziemlich ruhig war, wie es wohl die Art des Volkes von Miragar war. Da schnitt plötzlich ein fürchterliches Heulen durch die Stille der Nacht.
DIE KOPFLOSEN
Die ausgelassene Stimmung war sofort zu Ende. Nadira lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. Noch nie hatte sie so ein Geräusch gehört. Es war ein Schrei voller Pein, voller Hass, er war gleichzeitig ein Schrei des Schmerzes als auch der Aggression, ein unmenschlicher Laut, so unendlich bedrohlich wie der Tod.
„Was war das?", flüsterte Nadira. Sie hatte Angst laut zu sprechen, weil sie befürchtete, das Wesen das diesen Laut ausgestoßen hatte, auf sich aufmerksam zu machen.
„Guul", flüsterte der Älteste.
Nadira bemerkte, dass Callanor bleich geworden war.
„Das, was ich befürchtet hatte", sagte er. Es war also das, was ihm den ganzen Tag über solche Angst gemacht hatte. Nadira hatte sich gefragt, was es war. Jetzt stand die Chance nicht schlecht, dass sie es bald herausfinden würde. Doch war sie sich jetzt nicht mehr sicher, ob sie es herausfinden wollte.
„Vielleicht hat es uns nicht entdeckt", sagte Nadira. Aber sie wusste selbst, dass das fast ausgeschlossen war. Selbst in Miragar war es schwer ein ganzes Dorf zu übersehen. Und der Schrei war nahe gewesen.
Endlich ging ein Ruck durch die versammelten Dorfbewohner. Als wären alle gleichzeitig aus einer Starre befreit worden, kam plötzlich Bewegung in die Menschen.
Im ersten Augenblick befürchtete Nadira, dass Panik ausgebrochen war, aber sehr schnell erkannte sie, dass dem nicht so war. Die Bewegungen waren koordiniert. Offenbar wusste jeder, wie er sich in dieser Situation zu verhalten hatte. Jeder außer Nadira und ihren Begleitern.
Die Dorfbewohner zogen sich in die Hütten zurück. Aber sie versteckten sich dort nicht etwa. Schon nach wenigen Sekunden kamen sie wieder hervor. Jeder von ihnen trug einen Stock bei sich, um den etwas braunes gewickelt war. Sie liefen zum Feuer und hielten das Ende mit dem braunen Wickel hinein. Es fing sofort Feuer. Fackeln, es waren einfach Fackeln.
Die Dorfbewohner, deren Fackeln entzündet waren, verschwanden zwischen den Häusern. Einige Dorfbewohner drückten den Männern aus Nadiras Gefolge ebenfalls Fackeln in die Hand. Callanor zögerte nicht lange, er entzündete seine Fackel und bedeutete den anderen dasselbe zu tun. Dann verschwanden auch sie zwischen den Hütten.
Plötzlich war es Still, nur das Prasseln des Feuers war noch zu hören. Zwischen den Hütten hindurch und über die Dächer der Hütten hinweg, konnte Nadira sehen, dass die Dorfbewohner einen Kreis aus Licht um das Dorf gelegt hatten. Außer ihr selbst, Aurel, dem Ältesten und einem Dorfbewohner, war der Platz jetzt leer.
Ein weiterer Schrei durchschnitt die Nacht, näher noch als der erste. Nadira lief ein Schauer über den Rücken. Was für Wesen waren es, die solche Schreie ausstießen?
„Kommt mit in meine Hütte", sagte der Älteste schließlich. „Dort ist es sicherer."
„Geh mit ihnen", sagte Nadira zu Aurel. „Ich werde zu den Anderen gehen. Ich möchte wissen, was dort draußen ist."
„Eine hohe Dame sollte sich nicht in Gefahr begeben", sagte der Älteste.
„Ich glaube, wir sind hier nirgendwo sicher", sagte Nadira.
Der Älteste nickte. „Das stimmt. Aber drinnen ist die Gefahr etwas geringer als draußen."
„Ich weiß. Trotzdem werde ich mich nicht verstecken."
„Dann nimm wenigstens eine Fackel mit. Sie fürchten das Licht." Der Älteste gab dem Dorfbewohner der hinter ihm stand einen Wink. Dieser verschwand blitzschnell in der Hütte des Ältesten und kam nur wenige Sekunden später mit einer Fackel zurück.
„Danke", sagte Nadira und entzündete die Fackel am Feuer. „Ich werde vorsichtig sein."
Aurel sagte nichts, sah Nadira aber besorgt an. In ihr musste gerade ein Kampf toben. Zum einen wollte sie Nadira nicht allein lassen, zum anderen hatte sie Angst, blanke, nackte Angst.
„Bleib hier", sagte Nadira, lächelte Aurel zu und verschwand dann in die Richtung, in die Callanor und die anderen gegangen waren.
***