Mord im Zoo. Christine Zilinski

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Название Mord im Zoo
Автор произведения Christine Zilinski
Жанр Языкознание
Серия Charlotte Bienert
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742760579



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wie hast du’s gemacht? Wenn man fragen darf.“ Christoph hielt sein Sektglas in ihre Richtung und sagte: „Du darfst. Eigentlich ganz klassisch, ich hab’ den Ring in den Nachtisch gedrückt, als wir beim Essen waren. Ich hab’ kurz ‘nen Löffel vom Tisch geschubst und als sie sich danach runtergebeugt hat, zack, war der Ring drin. Wenn du genau hinschaust, siehst du wahrscheinlich noch braune Schokoladenmousse-Reste an ihren Fingern.“ Charlotte nahm das Smartphone nun in die Hand und zoomte das Foto größer. Dann grinste sie Christoph bestätigend an. „Und habt ihr schon überlegt, wann und wie und wo?“ Ihre Schwester zuckte die Schultern und Christoph antwortete: „Naja, eins nach dem anderen. Jetzt müssen wir erst mal schauen, wann wir beide zeitgleich Urlaub bekommen können. Und dann fängt der übliche Planungswahnsinn an.“ Er lehnte sich im Sessel zurück und stieß Luft aus. „Da freue ich mich schon tierisch drauf“, sagte er sarkastisch. „Ach komm‘, so schlimm wird’s schon nicht werden“, sagte Sanne und tätschelte ihm das Knie. Dann drehte sie sich zu Charlotte um. „Und, was gibt’s hier so Neues?“ „Ach, eigentlich nicht viel“, sagte Charlotte und winkte ab. „Im Vergleich zu eurem Sommer war meiner hier eher lahm.“ Dann erzählte Charlotte, wie sie öfter Herrn Nilsson im Zoo besucht hatte.

      Herr Nilsson war ein kleines Totenkopfäffchen. Es war die letzten Monate von Sanne und gelegentlich auch von Charlotte in ihrer WG aufgepäppelt worden. Mittlerweile war Herr Nilsson wieder in seiner tierischen Eingliederungsgruppe im Stuttgarter Zoo, der Wilhelma. Dort sah ihn Sanne während ihrer Arbeitszeiten als Tierpflegerin praktisch jeden Tag. Charlotte hatte dem kleinen Langfinger während Sannes Karibik-Urlaub öfter einen Besuch abgestattet. „Und, wie geht’s dem kleinen Stinker?“, fragte Sanne fröhlich. „Ach, so wie immer. Ärgert deine Kollegen und klaut den anderen Affen das Essen.“ Sannes Gesichtsausdruck wechselte urplötzlich von fröhlich zu erschrocken. „Oh mann, ich muss noch unseren Eltern Bescheid geben. Da ruf‘ ich jetzt am besten gleich an. Und dann trommeln wir noch die Mischpoke zu einer kurzfristigen Verlobungsparty für Sonntag zusammen“, sagte Sanne eifrig. Dann lief sie in den Flur, um ihr Festnetz-Telefon zu holen. „Verlobungsparty? Übermorgen?“, fragte Charlotte jetzt Christoph, da Sanne schon mit dem Hörer am Ohr durch die Wohnung lief. Christoph schürzte die Lippen, schloss die Augen und nickte einmal. „Du kennst doch Sanne. Spontan ist ihr zweiter Vorname.“

      Kapitel 2

      Um die beiden Turteltäubchen bei ihrer Partyvorbereitung zu unterstützen, bot Charlotte am Samstag an, gemeinsam mit ihrem besten Freund Max einkaufen zu gehen. Max war seit Schulzeiten Charlottes steter Begleiter und bis heute ihr einziger enger Freund. Max war, wie die meisten schwulen Männer, mit einem guten Modegeschmack gesegnet. Und als freiberuflicher Visagist war sein Auge für Dinge, die Frauen noch schöner machten, besonders geschult. Daher beriet er Charlotte regelmäßig bei ihren gemeinsamen Einkaufstouren oder brachte ihr Schminktricks bei. Nun war Max seit ein paar Tagen aus dem Rom-Urlaub mit seinem neuen Freund und Namensvetter Max zurück. Während er den Einkaufswagen mit Chips, Dips und Spirituosen volllud, schilderte Max seinen Trip in die ewige Stadt in den schillerndsten Farben. Munter plapperte er: „Ich sag‘ dir, der Max ist ja echt so ein Goldstück, der spricht ja fast fließend Italienisch. Das war unfassbar bequem. Und ich bin mir sicher, dass unser Essen deswegen auch viel besser geschmeckt hat als bei den anderen Touris... naja. Wird langsam mal Zeit, dass du den auch kennenlernst! Ach, ihr versteht euch bestimmt glänzend...“, er seufzte verträumt. „Jahaaa... bestimmt. Aber jetzt lass‘ uns doch erst mal das nächstliegende Ziel anvisieren, Stichwort Partyvorbereitung“, erwiderte Charlotte, die sich grade vor dem Spirituosen-Regal nach dem Blue Curaçao für die geplanten Cocktails streckte.

      Von den eingeladenen Freunden und Kollegen hatten nur etwa 10 Leute Zeit am Sonntag. Doch als die kleine Feier begann, war die Stimmung nichtsdestotrotz ausgelassen und fröhlich. Sanne trug über ihrem ärmellösen Shirt einen Kokosschalen-BH, dazu bequeme Capri-Shorts. Auch Christoph machte den Spaß mit und trug einen solchen Büstenhalter, allerdings ohne T-Shirt darunter. Max war auch zur Feier eingeladen und half dabei, Cocktails zu mixen. Er hatte sich extra eine Fliege umgebunden und sah auch sonst schwer nach Barkeeper aus: Weste, weißes Hemd und schwarze Hose. Den Kokos-BH trug er natürlich nicht. Auch Charlotte hatte den Kokos-BH verweigert und trug ein leichtes, lindgrünes Sommerkleid, das ihr um den Körper wehte. Ihr schulterlanges, brünettes Haar trug sie heute offen. Charlotte reichte Häppchen oder räumte Geschirr in die Spülmaschine. Im Hintergrund lief entspannte Reggae-Musik, die Sanne und Christoph aus ihrem Urlaub mitgebracht hatten. Es passte zu der schwülen Hitze in ihrer Wohnung. Ihre spärliche Zimmerpalme im Wohnzimmer hatten Charlotte und Sanne vor der Party mit Bast umwickelt und ein paar Kokosnüsse in und neben den Topf gelegt. So versuchten sie, die Schäden zu kaschieren, die das Äffchen Herr Nilsson hinterlassen hatte. Einzelne Bissspuren waren dennoch am malträtierten Stamm und den länglichen Blättern der Palme zu erkennen. Eine junge, schüchtern wirkende Frau mit rotgefärbten Haaren trat nun an die Bar. Genaugenommen war die Bar ein hüfthohes Regal, das mit Bast umwickelt war. Obenauf stapelten sich noch leere Gläser mit vorbereitetem Zuckerrand. Die rothaarige Frau sagte: „Einen Gin Tonic, bitte.“ „Sehr gerne“, Max gab sich galant und füllte die beiden Zutaten in ein Glas, nachdem er Crushed Ice hineingeschaufelt hatte. Nachdem er eine Limettenscheibe obenauf gelegt hatte, überreichte er ihr den Drink mit einer übertriebenen Verbeugung. Dabei zwinkerte er charmant, und Charlotte dachte ein ums andere Mal: ‚Wenn du nicht schwul wärst, hättest du fünf Frauen an jeder Hand, mein Lieber.‘

      Als Charlotte für eine Toilettenpause ins Bad gehen wollte, sah sie im Flur, wie Christoph gerade mit einem leicht übergewichtigen, jungen Mann aus Sannes Zimmer kam. Der Andere hatte einen Laptop unter dem Arm und klopfte Christoph auf die Schulter. „Also Chris, nimm’s mir nicht übel, aber ich pack’s jetzt. Morgen früh laufen ein paar SSL-Zertifikate aus und die muss ich dringend noch verlängern lassen. Gib‘ Sanne einen Kuss von mir“, fügte er noch grinsend hinzu und war im nächsten Augenblick durch die Tür. ‚Das muss einer von Christoph Kollegen aus der IT sein‘, dachte Charlotte. Ohne dass sie gefragt hätte, sagte Christoph: „Das war Toni. Wir mussten noch kurz was unter vier Augen klären.“ Er zwinkerte und lief weiter. Charlotte runzelte die Stirn. „Und dafür braucht er seinen Rechner?“ Christoph zuckte nur die Schultern, blieb aber nicht stehen. Charlotte schüttelte den Kopf und widmete sich wieder ihrem eigentlichen Ziel. Sie wollte soeben die Badezimmertür öffnen, als sie auf eine verschlossene Tür stieß. „Einen Augenblick“, ertönte es von innen und Sekunden später erschien die rothaarige Frau in der Tür. „Jetzt ist das Bad frei“, sagte sie freundlich lächelnd. „Kein Problem“, erwiderte Charlotte ebenso freundlich und trat beiseite.

      Als Charlotte ins Wohnzimmer zurückkehrte, bat sie Max, ihr einen alkoholfreien Mojito zu mixen. Charlotte begann zu Gähnen. „Also ich glaube... ich geh demnächst poofen“, sagte sie zu Max. Der legte ihr einen Arm um die Schultern und lehnte sich gemeinsam mit ihr gegen die Bar. „Nein nein, meine Schnecke, jetzt kommt der beste Teil des Abends. Jetzt raten wir, wer zu wem gehört“, sagte er geheimnisvoll. „Hm?“, müde hob Charlotte die Augenbrauen. Max deutete auf eine schwarz gekleidete Frau mit dunklem Kajal um die Augen, die ein Nieten-Armband trug. „Was ist mit ihr: Seite der Braut oder des Bräutigams?“ Charlotte ging auf das Spiel ein und sagte: „Seite der Braut. Das ist Julia, die Sandkastenfreundin von Sanne.“ „Alles klaaar“, sagte Max unbeeindruckt und ließ den Blick weiter streifen. Als er auf eine gepiercte, knapp 18-Jährige deutete, sagte er: „Auch Seite der Braut, oder?“ Charlotte lächelte. „Woran du das nur erkannt hast. Vielleicht am Gecko-Tattoo auf dem Unterarm?“ Max zuckte die Schultern und ignorierte die Kritik geflissentlich. Viele von Sannes Tierpfleger-Kollegen ließen sich ein Abbild ihres Lieblingstiers auf die Haut stechen. Jetzt nahm Max die rothaarige Gin-Tonic-Trinkerin in den Fokus: „Ok, bei der kann ich es echt nicht abschätzen. Sag‘ du!“ Charlotte flüsterte: „ Ich hab’ vorhin gehört, wie sie von der Entwicklung einer Wahnsinns-App erzählt hat und dass sie damit demnächst garantiert Kohle scheffeln würde. Also Bräutigam.“ Max zog ein übertrieben anerkennendes Gesicht. „Hm... vielleicht muss ich doch das Ufer wechseln... irgendjemand muss ja meinen luxuriösen Lebensstil in Zukunft finanzieren“, sagte