Dennis und Guntram - Zaubern für Anfänger (Band1). Hubert Wiest

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Название Dennis und Guntram - Zaubern für Anfänger (Band1)
Автор произведения Hubert Wiest
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9783738036459



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verließen sie die Schule. Guntram quatschte die ganze Zeit. Dennis hörte nicht zu. Er musste aufpassen, dass niemand sie sah.

      Als sie neben dem Stadtbach in die Mühlengasse einbogen und so einigermaßen in Sicherheit waren, fragte Dennis, was ihm die ganze Zeit keine Ruhe ließ: „Wie hast du das eigentlich mit dem Zaubern gemeint?“

      Guntram zuckte mit den Schultern: „Na, ich kann eben zaubern.“

      „Quatsch. Es gibt keine Zauberer.“

      Guntram setzte wieder diesen komischen Blick auf. Er blieb stehen und schlug seinen Samtumhang zur Seite. Mit Daumen und Zeigefinger zog er ein braunes Holzstöckchen aus der Innentasche. Es war nicht größer als ein Filzstift und höchstens so dick wie Guntrams Daumen. Triumphierend hielt er das Stöckchen in die Luft.

      „Was ist das?“

      „Der Beweis“, erklärte Guntram. Seine Stimme zitterte.

      Dennis blickte ihn verständnislos an.

      „Na, der Beweis, dass ich Zauberer bin. Das ist mein Zauberstab aus feinstem Nussbaumholz. Unsere ganze Familie benutzt Zauberstäbe aus Nussbaumholz.“

      Dennis schnaubte. Dieser Faschingsclown sollte endlich mit dem Unsinn aufhören. „Das sieht höchstens wie ein chinesisches Essstäbchen aus“, motzte Dennis.

      Guntram ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. „Ich beweise es dir. Was soll ich zaubern?“

      „Hhmm“, überlegte Dennis. Sonst hatte er immer ein Dutzend unerfüllbarer Wünsche parat, aber ausgerechnet jetzt fiel ihm nichts ein.

      Dennis zog sein Autoquartett aus der Jackentasche und suchte die Karte mit dem hellblauen Kleinwagen: die mieseste Karte im ganzen Quartett. Er fuchtelte mit der Karte vor Guntrams Gesicht. „Ich will, dass der Wagen 300 fährt.“

      Guntram verbeugte sich: „Bitte sehr, kein Problem. Du musst still halten.“

      Dennis hielt die Karte mit beiden Händen fest. Guntram schwang sein kleines braunes Stöckchen. Das sah ziemlich lächerlich aus. Er hätte sich wenigstens einen ordentlichen Zauberstab basteln können. In zackigen Bewegungen fuchtelte Guntram vor der Spielkarte auf und ab. Er murmelte unverständliche Dinge in einer Sprache, die Dennis noch nie zuvor gehört hatte. Und dann rief Guntram Mempelsino von Falkenschlag: „Plombat.“

      In diesem Moment spürte Dennis einen Schlag in den Rücken. Er stolperte. Das Autoquartett rutschte ihm aus den Händen. Die Karten flatterten in den Stadtbach. Ein letztes Mal sah er den hellblauen Kleinwagen. Dennis stutzte. Das konnte doch nicht wahr sein. Es sah fast aus, als stünde auf der Karte: Höchstgeschwindigkeit 300 km/h. Im nächsten Moment war sie im Wasser versunken.

      Dennis drehte sich um. Eddie von der Haibande hatte ihn gestoßen. Bruno stand neben ihm und Kalle hatte Guntram den Zauberstab aus der Hand gerissen. Er schwang ihn triumphierend. „So so, das Stöckchen kann zaubern“, lachte er spöttisch: „Hokuspokus, ich verwandle dich in ein Teletubby.“ Dabei drückte er Guntram den Stab in den Bauch. Nichts geschah.

      „Hurra, es hat geklappt, Chef“, jubelte Eddie, und Bruno klatschte Beifall.

      Dennis’ Puls raste. Sie mussten abhauen. Doch Guntram schien nicht einmal daran zu denken. Im Gegenteil, er ging einen Schritt auf Kalle zu und forderte: „Gib mir meinen Zauberstab zurück.“ Er griff sogar danach. Das war lebensgefährlich. Und Dennis wusste, er steckte auch in der Sache mit drin.

      Kalle zog den Zauberstab einfach weg. Er schüttelte sich vor Lachen: „Nein, nein, das ist jetzt meiner. Ein Teletubby braucht keinen Zauberstab.“

      „Ah-Oh“, sagte Eddie, und Bruno machte: „Winke-Winke.“

      „Gib ihn endlich her“, schrie Guntram.

      Kalle grinste. Er schubste Guntram, dass dieser rückwärts stolperte. Guntram fiel hin. Lässig steckte Kalle den Zauberstab in seine hintere Hosentasche und drehte sich zu Eddie und Bruno um: „Kommt, Jungs! Wir gehen.

      Die drei von der Haibande verschwanden genauso schnell wie sie gekommen waren.

      Dennis atmete erleichtert auf: „Da haben wir noch einmal Glück gehabt. Mein Autoquartett ist weg, aber sie haben uns nicht verprügelt.“

      Guntram kniff seine Augen so komisch zusammen. Mit dem Handrücken wischte er sich übers Gesicht und schniefte: „Die haben meinen Zauberstab gestohlen. Ich brauche ihn doch!“

      Das Holzstöckchen? Dennis fand es wirklich übertrieben, deswegen zu weinen. Doch dann dachte er an die Karte mit dem Kleinwagen: Höchstgeschwindigkeit 300 km/h.

      „Kannst ja heute Nachmittag mit zu mir kommen“, schlug Dennis vor und Guntram nickte dankbar.

      3. Der Klavierunterricht

      Als Dennis die Tür aufschloss, hörte er seine Mutter schon rufen: „Dennis, du bist spät dran. Hast du deinen Klavierunterricht vergessen?“

      Dennis schob Guntram durch die Tür. „Mama, ich habe einen Freund mitgebracht. Das ist Guntram von gegenüber.“ Es fühlte sich gut an, als Dennis das Wort Freund über die Lippen kam.

      Frau Blauberg eilte herbei. Sie musterte Guntram von oben bis unten und sagte: „Hallo, Günther, schön, dass du Dennis besuchst. Dennis hat sonst nie Freunde da. Aber ausgerechnet heute ist es etwas ungünstig. Dennis hat gleich Klavierunterricht, und danach muss er für den Mathetest lernen.“

      Dennis kochte. Warum musste seine Mutter immer alles verpatzen? Wie stand er jetzt vor Guntram da? Als hätte er keine Freunde.

      Guntram schien sich daran kein bisschen zu stören. Er verbeugte sich so tief, dass der flaschengrüne Samtumhang über seinen Kopf rutschte: „Guntram. Guntram Mempelsino von Falkenschlag.“

      „Es ist vielleicht besser, du kommst an einem anderen Tag wieder. Dann könnt ihr zusammen Ritter spielen“, sagte Frau Blauberg.

      „Mama! Wir wollen nicht Ritter spielen. Das ist etwas für Kleinkinder“, motzte Dennis. Er pfefferte seinen Schulranzen in die Ecke.

      „Ach so? Ich dachte nur“, erwiderte Frau Blauberg. Ihr Blick glitt über Guntrams Umhang, das Rüschenhemd, die lila Bundhose und die Stulpenstiefel.

      „Ich könnte bei Dennis’ Klavierunterricht zuhören, und danach üben wir gemeinsam Mathe. Ich bin ganz gut in Mathe“, schlug Guntram vor. Dabei wedelte er mit seinem Umhang, als wäre es ein Staubtuch.

      „Hmm“, machte Frau Blauberg. Sie schien zu überlegen.

      „Mama, bitte!“, drängte Dennis.

      „Na gut, von mir aus. Wenn ihr or­dentlich für den Mathetest übt, darf Günther bleiben.“

      „Guntram“, korrigierte Dennis und zerrte seinen Freund in die Küche.

      Frau Blauberg deckte einen zweiten Teller Spagetti auf.

      Dennis und Guntram hatten noch nicht zu Ende gegessen, da klingelte Herr Reinecke, der Klavierlehrer. Er war so lang, dass er kaum durch die Tür passte. Herr Reinecke neigte sich zur Seite und sah dabei aus, als würde er gleich umfallen. Seine wenigen Haare trug er sorgfältig über die Glatze gekämmt. Mit Haarcreme hatte er sie festgeklebt.

      Dennis mochte Herrn Reinecke nicht besonders. Das lag sicherlich auch daran, dass Dennis Klavierspielen hasste. Bis zu den Sommerferien musste er noch durchhalten, hatte er mit seinen Eltern ausgemacht.

      Dennis drehte quietschend den Klavierhocker auf die richtige Höhe. Seine Finger fühlten sich kalt und klamm an. So wie immer, wenn er Herrn Reinecke vorspielen musste.

      Guntram ließ sich in den Sessel gegenüber plumpsen.

      Herr Reinecke holte einen Stapel Noten aus seiner abgeschabten Aktentasche. Er schob seine Brille zurecht und fragte: „Na, haben wir auch schön geübt?“