Dr. Patchwork und die Insekten. Gordon Goh

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Название Dr. Patchwork und die Insekten
Автор произведения Gordon Goh
Жанр Языкознание
Серия WarTimeSaga
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742795625



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in eine Kiste, die unaufgeräumt auf seinem Bett liegt. Maria verspürt ein Gefühl von Wut und Verzweiflung, lässt diese Gefühle in ihr aber nicht machen, was sie wollen. Sie unterdrückt ihre Gefühle. Da erblickt sie das Buch mit dem Titel „Berge des Wahnsinns“.

      Es ist das Buch, das Vergil erwähnt hat und sagt »Pah, du hast das noch nicht mal zu Ende gelesen, du verdammter Schwachkopf!«.

      Luke nimmt das Buch vorsichtig in seine Hand und überreicht es Maria, während er sagt »Dann sollten Sie das für ihn übernehmen.«.

      Er sieht ihr dabei lächelnd ins Gesicht und sie in sein vollbärtiges faltiges. Er ist älter als Vergil und sieht dementsprechend reifer und erfahrener aus. Sein Bart ist unten gerade geschnitten und gepflegt. Auf dem Nasenbein und an der linken Schläfe trägt er jeweils eine dicke Quernarbe. Eine dicke pummelige Nase lässt ihn sehr sympathisch wirken.

      Maria nimmt ihm zögernd das Buch ab und als ihre Hände leicht anfangen zu zittern, fragt sie ihn »Sie wirken gar nicht aufgewühlt, Colt.«.

      Luke hebt ablehnend die Handflächen in ihre Richtung und antwortet »Bitte! Nennen Sie mich Luke.«.

      Während Maria weiter auf das Buch starrt, fügt Luke hinzu »Ich bin nicht so religiös wie die Anderen. Wissen Sie? Trotzdem glaube ich an einen Gott und an ein Leben nach dem Tod. Ich betrachte Gott als die Ursache für Existenz und, dass diese Ursache nicht unbegründet ist. Deswegen glaube ich auch nicht, dass mein Bruder gestorben ist, ohne etwas bewirkt zu haben. Seine Existenz war bestimmt nicht sinnlos. Dafür war er nicht untätig genug. Und dafür bin ich Gott sehr dankbar. Und wenn wir schon bei dem Thema sind, könnten Sie mir ja sagen, wofür er gestorben ist.«.

      Maria drückt das Buch fest in ihrer Hand und antwortet »Dein Bruder starb... für etwas, das mein Bruder haben wollte.«.

      Luke lächelt Maria mit weiten Mundwinkeln an und fragt »Und unterliegt das der Geheimhaltung?«.

      »Ist das wichtig?«

      »Nein, die Details sind nicht wichtig.«

      »Mein Bruder könnte damit ein großes Problem lösen... oder ein noch Schlimmeres verursachen. Ich weiß das nicht, weil ich nicht in seinen verdammten Kopf schauen kann. Ich glaube auch nicht, dass ihm klar ist, dass Menschen für diese Sache sterben oder dass es für ihn eine Rolle spielt. Mein Bruder ist kaltblütig und undankbar. Zumindest glaube ich das manchmal. Ob dein Bruder für eine bedeutungsvolle oder bedeutungslose Sache gestorben ist, kann ich also nicht mit Sicherheit sagen.«

      Luke packt ihr sanft mit der Hand auf ihre Schulter und sagt mit weit geöffneten Augen »Dann sorgen Sie dafür, dass er nicht bedeutungslos gestorben ist! Anstatt ihrem Bruder zu misstrauen oder ihn zu ignorieren, sollten Sie mit ihm zusammenarbeiten und eine Verbindung zu ihm aufbauen. Wenn Sie keine Verbindung zu Ihrem Bruder haben und ihn nicht einschätzen können, dann machen Sie als Schwester etwas gewaltig falsch. Vergil hat mir nie erzählt, was für ein komisches Zeug er liest, aber ich habe es schon irgendwie geahnt. Und als er der Interstellar Force beigetreten ist, wusste ich, dass er das nur macht, um besser auf mich aufzupassen, weil ich mich für den Außendienst freiwillig gemeldet habe.«.

      Luke senkt den Kopf seitlich nach unten, seufzt und setzt seine Anekdote fort »Rückblickend betrachtet bin ich wohl für seinen Tod verantwortlich, aber wenn ich mir überlege, wie vielen Menschen ich und mein Bruder während unserer Dienstzeit das Leben gerettet haben, würde ich sagen...« nun blickt er wieder Maria tief in die Augen und setzt fort »Es ist egal, ob wir sinnlos sterben, so lange wir nicht sinnlos gelebt haben. Und ich denke, dass können Sie als sein Vorgesetzter am besten beurteilen. Das dürfen Sie nie vergessen, Miss Steinberg!«.

      Maria kann zwei Tränen nicht davon abhalten, auf das Cover des Buches zu tropfen. Sie seufzt kurz und drückt das Buch fest an ihre Brust.

      »Na, na! Der Major wird doch jetzt nicht wohl in Tränen ausbrechen!?« sagt Luke mit lächelndem und aufmunterndem Gesicht und packt mit der anderen Hand auch noch Marias andere Schulter.

      Sie beißt sich auf die Unterlippe während sie noch ein paar letzte Seufzer von sich gibt und sagt »Er war ein guter Kerl. Viel zu gutmütig fürs Militär. Dieser Narr hatte da gar nichts zu suchen. Das letzte, was er vor seinem Tod gefühlt hat, war Schuld. Das hat er nicht verdient. Aber nein, er hat nicht umsonst gelebt. Niemals! Und ja, ich werde dafür sorgen, dass sein Tod auch nicht umsonst war.«.

      Luke kann nicht anders, als sie väterlich zu umarmen und mit einem Kopfstreicheln zu trösten.

      »Warum sind Sie eigentlich dem Militär beigetreten, Miss Steinberg?« fragt er sie.

      Sie löst sich von seiner Umarmung, doch ihre Schultern hält er immer noch fest.

      »Ich bin der Interstellar Force beigetreten, um meine Familie zu beschützen.« antwortet sie, während sie sich die letzten Tränen vom Gesicht wischt und lächelt »Und nenn mich Maria!«.

       3

      Nach dem emotionalen Gespräch will Maria Dr. Noah besuchen, um nach ihm und seiner Verletzung zu sehen. Schlitzi, die Stealth-Drohne, wurde vom Sergeant höchstpersönlich im Lagerraum der Militärbasis unter der Aufsicht von vier Wachleuten untergebracht. Maria steht nachts vor der Haustür von Doktor Noah und klopft an.

      »Doktor Noah!« ruft sie.

      »Doktor Noah, sie sollten mit der Verletzung besser in die sanitäre Einrichtung!«

      Rückblickend betrachtet war es eine dumme Idee, Noah nach dem Feindkontakt überhaupt alleine nach Hause gehen zu lassen, aber es waren nach der Ankunft alle so aufgewühlt. Noah geht nicht an die Tür. Er gibt keine Antwort. Maria überprüft die Tür und stellt fest, dass sie nicht zugeschlossen ist. Sie geht rein.

      »Dr. Noah?« ruft sie immer wieder.

      Das Licht am Eingangsbereich brennt, die anderen Zimmer stehen offen und das Licht ist dort aus. Sie nähert sich dem Wohnzimmer und schaltet das Licht ein. Sie sieht einige umgeworfene Stühle um den Esstisch in der Mitte des Zimmers auf einem scharlachroten Teppich. Sie sieht sich um. Der Fernseher ist ebenfalls umgeworfen. Eine Blutspur ist auf dem Boden zu sehen und führt an der Kochnische des Wohnzimmers vorbei ins nächste dunkle Zimmer. Sie ahnt Schlimmes und eilt in das Zimmer, um nach Noah zu sehen. Sie schaltet auch dort das Licht an, aber es geht nicht. Der Lichtschalter ist kaputt, als hätte jemand mit einem Vorschlaghammer dagegen gehauen. Dann hört sie ein dumpfes Stöhnen aus der Richtung eines der Zimmerecken.

      »Dr. Noah?« flüstert sie.

      Zwischen der Wand und einem Schranktisch sitzt eine in sich zusammengekauerte Gestalt in der dunklen Ecke, die durch die Dunkelheit nur schlecht zu erkennen ist.

      »Dr. Noah, was ist mit Ihnen?« fragt sie ihn. »Ich bringe Sie besser ins Krankenhaus, Dr. Noah.« sagt sie und nähert sich der Gestalt.

      Dann regt sich die Gestalt und erhebt sich. Maria wird gerade ganz unwohl, als sie erkennt, dass diese Gestalt über zwei Meter hoch ist und nicht die Silhouetten eines Menschen aufweist. Die Umrisse sind wirr und chaotisch, als ob sie wuchern. Sie erkennt auch, dass die Gestalt pulsierende Bewegungen erzeugt, wie eine Herzpumpe. Maria ist starr vor Schock und schluckt erst mal tief. Dann bewegt sich die Gestalt auf sie zu und Maria greift reflexartig nach ihrer vollautomatischen Handfeuerwaffe in ihrem Pistolengurt. Als sie die Waffe auf das Ding richtet, läuft das wuchernde Ding auf das Licht zu, das aus dem Wohnzimmer an Marias Körper vorbei ins dunkle Zimmer hinein scheint, und gibt sich zu erkennen. Ein grauenvoller Anblick ergibt sich Maria, als sie eine fleischige wuchernde Masse in den Klamotten von Dr. Noah erblickt, die auf sie zuläuft. Sie erkennt eine Art Kopf, die aus einem geschwollenen Stiernacken mit unzähligen Geschwüren an der glitschigen faltigen Haut wächst. Das Gesicht von Dr. Noah starrt aus diesem Kopf in Marias Richtung und gibt ein stöhnendes wehklagendes »MA-RI-Aaaaaaahhh!!!« von sich, als es plötzlich die Augen verdreht und die Schädeldecke spaltet, woraus ein mit Tentakel besetztes Riesengehirn herausquillt. Der Arm und die Hand mit samt den Fingern des Mannes ähneln eher dem verschrumpeltem Ast eines Horrorfilmbaumes, zumindest der Linke. Der Rechte pulsiert eher und weist ebenfalls viele