Название | Tanz einfach! |
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Автор произведения | Peter Lovatt |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783954844296 |
Der andere wichtige Grund, warum ich die Schule gehasst habe, war das Lesen und Schreiben. Es wurde ständig gefordert, und ich konnte es einfach nicht. Ich bin in den 1970er Jahren aufgewachsen, als Legasthenie noch nicht in so breitem Maße anerkannt war wie heute. Ich war ein langsamer Leser, wurde als „zurückgeblieben“ abgestempelt und galt allgemein als „ein bisschen doof“.
In der Schule konnte ich die Wörter „Hund“ und Katze“ lesen und den Satz „The cat sat on the mat“ verstehen. (dt. „Die Katze saß auf der Matratze“) Aber es gab viele Wörter, die ich nicht laut aussprechen konnte, und andere, bei denen ich einfach keine Ahnung hatte, wie man sie schreibt, zum Beispiel „Rhythmus“. Auch heute noch fällt es mir schwer, bei ähnlich klingenden Lauten die richtige Schreibweise zu finden. Stellen Sie sich vor, Sie würden folgenden Satz hören und müssten ihn aufschreiben: „I didn’t choose to lose my shoes“ (dt. „Ich habe meine Schuhe nicht mit Absicht verloren“. Die Vokale werden hier im Englischen alle wie ein langes u im Deutschen ausgesprochen, sodass man die unterschiedliche Schreibweise nicht hören kann. Anm. d.Ü.). Ich höre, dass die drei Schlüsselwörter „Choose“, „lose“ und „shoes“ gleich klingen. Deshalb erwarte ich, dass sie auch gleich geschrieben werden, zugleich bricht mir aber der kalte Schweiß aus, weil ich irgendwo tief im Innersten weiß, dass dem nicht so ist. In rasender Eile wägt mein Hirn die Möglichkeiten ab und versucht, die Unklarheit zu lösen, aber der Sinn des Satzes ist mir bis dahin längst flöten gegangen.
Meine Anstrengungen, die vertrackten Regeln des Lesens und Schreibens zu erlernen, hatten einen Dominoeffekt auf fast alle anderen Schulfächer. Schließlich beruht die Bildung, die wir in der Schule erhalten, auf einem Lernsystem, das auf umfangreichem Lesen aufbaut. Wenn wir zum Beispiel Geschichte lernten, mussten wir in Lehrbüchern nachlesen, und um zu zeigen, wie viel wir über die industrielle Revolution wussten, mussten wir alles aufschreiben. Ich fürchtete mich immer vor dem Moment im Unterricht, wenn der Lehrer sagte: „Schlagt die Bücher auf Seite 230 auf und lest bis zum Ende des Kapitels.“ Niemals würde ich bis zum Ende des Kapitels kommen. Ich wusste, dass es erst gar keinen Sinn hatte, es auch nur zu versuchen, also träumte ich mich in meine eigene Welt, sah aus dem Fenster, zappelte herum, schaute mich um und fing mir unweigerlich einen Verweis ein, weil ich die anderen ablenkte.
Meine mangelnde Mitarbeit im Unterricht wurde mir als Ungehorsam ausgelegt, und die Gruppe der Unruhestifter, mit denen ich mich schließlich anfreundete, war auch nicht gerade eine Hilfe. Es waren Schülerinnen und Schüler, die sich mit dem Lesen ebenfalls schwertaten. Da sie den Unterricht langweilig fanden, suchten sie wie ich ihre Anregungen anderswo. Je ausgeklügelter unsere rebellischen Akte wurden, desto härter wurden auch unsere Strafen. Sie reichten von Nachsitzen über Stockschläge (jedes Mal drei Schläge) bis schließlich zum zeitweisen Schulausschluss. Einige von uns erhielten einen Schulausschluss, weil sie das Auto eines Lehrers umgeparkt und ihm Apfelkerngehäuse in den Auspuff gesteckt hatten – dieser Schultag hat mir gut gefallen! Ein paar dieser Freunde gerieten schließlich in Konflikt mit dem Gesetz, und einige wanderten sogar eine Zeitlang in Polizeigewahrsam und ins Gefängnis. Ich hatte Glück; das Tanzen hat mich gerettet.
Aber natürlich habe ich die Schule ohne schriftlichen Abschluss verlassen. In Geschichte oder Geografie musste ich zwar keine Prüfung ablegen, wohl aber in Englisch, worin ich wiederholt mit Pauken und Trompeten durchfiel. Als Sechzehnjähriger hätte ich mir nie träumen lassen, dass ich eines Tages in einen berühmten Verlag in Bloomsbury hineinspazieren und über ein Buch sprechen würde, das ich geschrieben hatte. Mit sechzehn war ich funktionaler Analphabet. Ich hatte noch nie ein Buch gelesen, und es war mir nahezu unmöglich, komplexe Muster schriftlicher Wörter zu verstehen.
Nach der Schule studierte ich am örtlichen College zwei Jahre lang Theater und kreative Künste. Das habe ich geliebt. Danach studierte ich weitere drei Jahre Tanz und Musiktheater an der GSA, der renommierten Guildford School of Acting, die damals berühmt dafür war, dass in wirklich jedem West-End-Musical ein Absolvent oder eine Absolventin der Schule mitwirkte. Diese fünf Ausbildungsjahre waren fabelhaft. Jeder Tag war von morgens bis abends ausgefüllt mit Unterricht in Tanzen (Ballett, Stepp, Jazz, Ausdruck, Pas de deux, Volkstanz, Contemporary), Stimmbildung, Gesang und Schauspiel, verbunden mit der Chance, jedes Jahr in mehreren Tanz- oder Musiktheater-Shows aufzutreten.
In meinem zweiten Jahr an der GSA gab es nur ein Fach, mit dem ich Probleme hatte, die sogenannte „Präsentation“. Jede Woche erhielten wir ein musikalisches Thema oder den Namen eines berühmten Musical-Librettisten. Dann mussten wir ein Lied mit diesem Thema oder von diesem Librettisten lernen, es choreographieren, inszenieren, Requisiten und Kostüme zusammenstellen, und das Ganze dann in der darauffolgenden Woche vor den Leiterinnen und Leitern von Tanz, Musik, Gesang und Schauspiel aufführen. Es war grauenerregend. Das performative Element dieser Übung liebte ich, die Kritik danach allerdings weniger. Die Lehrerinnen und Lehrer nahmen kein Blatt vor den Mund; sie waren brutal, rechthaberisch und schonungslos. Getrieben von dem Wunsch, die absolut besten Musicaldarsteller aus uns zu machen, und ohne Zeit auf Höflichkeiten zu verschwenden, sagten sie uns nur selten, was wir richtiggemacht hatten, sondern konzentrierten sich stattdessen darauf, uns haarklein auseinanderzusetzen, was geändert und verbessert werden musste. Je besser du warst, desto konkreter und detaillierter die Hinweise. Wenn Sie mit einer Flut von „Korrekturen“ konfrontiert werden, ist es manchmal schwer, im Kern den Glauben an die eigenen Fähigkeiten zu bewahren, aber genau dies mussten wir!
Ich hatte das große Glück, etliche Jahre als Profitänzer zu arbeiten. Mein erstes Engagement außerhalb der GSA war bei einem Varieté, das durch ganz England und Schottland tourte und in einigen der größten Landestheater spielte, darunter dem Nottingham Theatre Royal, dem Birmingham Hippodrome und dem Sunderland Empire. Auf dieser Tour habe ich sehr viel über Auftritte vor Live-Publikum gelernt – darüber, die Energiewelle zu reiten, die einem 1500 Zuschauerinnen und Zuschauer entgegenbringen; und auch darüber, dieselbe Leistung vor nur achtzehn Leuten zu bringen, die an einem sonnigen Mittwochnachmittag in den hintersten Reihen eines ansonsten leeren Saals sitzen.
Es war wesentlich leichter, vor den 1500 zu spielen, insbesondere wenn es zu den Zugaben kam. Unsere Varieté-Vorstellung hatte eine Liveband, einen großen Chor und drei Gesangssolistinnen und -solisten. Aber bei solchen Tourneevorstellungen war es üblich, einen Soundtrack oder wenigstens einen Clicktrack zu haben, der während der gesamten Vorstellung, bis zur letzten Zugabe, im Hintergrund mitlief, um der Musik einen volleren, orchestralen Klang zu verleihen. Unsere Stimmen waren ebenfalls auf dem Soundtrack, damit wir im gesamten Saal auch dann noch deutlich zu hören waren, wenn wir gegen Ende einer langen Tanz- und Gesangsnummer völlig außer Atem waren. Dies hieß allerdings, sobald der Soundtrack einmal begonnen hatte, musste die gesamte Vorstellung komplett gespielt werden, einschließlich der sechs Zugaben. Das funktionierte gut, wenn wir vor großen, ausverkauften Häusern spielten. Aber als wir vor praktisch leerem Haus im Lakeside Country Club auftraten, wo lediglich meine alte Vermieterin aus Guildford sowie ihr leicht irritierter Mann und ihre Tochter im Publikum saßen, fiel es doch ein wenig schwer, auch zu Beginn von Zugabe Nummer sechs noch dankbar zu lächeln. Hätten sie mich nicht gekannt und wären nicht nur deshalb gekommen, um mich zu unterstützen, wären sie bestimmt in der Pause gegangen, und wir wären an diesem Abend alle früh im Bett gewesen.
Später hatte ich unter anderem ein Tanz-Engagement an Bord des Kreuzfahrtschiffes MV Oceanos. Ich war einer von vier Tänzerinnen und Tänzern mit einem Halbjahresvertrag und tanzte bei über einem Dutzend jeweils zweiwöchiger Karibik-Kreuzfahrten an sieben Abenden pro Woche in verschiedenen Shows.
Ursprünglich hatte mir ein erfolgreicher Musical-Choreograph einen Equity-Vertrag für eine Weihnachtsrevue im Liverpool Empire in Aussicht gestellt. Als dieser Vertrag platzte, bot mir das Büro des Choreographen