Das 500-jährige Reformationsjubiläum ist das erste Gedenken an 1517 im Zeitalter der Ökumene. Ein ganz neuer Luther tritt uns entgegen: er ist besser verständlich auf dem Hintergrund der mittelalterlichen Mystik und das Zweite Vatikanische Konzil hat ihn als Zeugen des Evangeliums gewürdigt. Damit sind wir zum ersten Mal in der Lage, die Geschichte der Reformation gemeinsam zu erzählen und zu feiern und nicht mehr im Gegen- oder Nebeneinander. Das wird spürbar in diesem Heft trotz unterschiedlicher Positionen. Diese markieren nicht mehr konfessionelle Trennlinien, sondern eher forscherische Ansätze. So wendet sich Volker Leppin gegen eine Heroisierung und Monumentalisierung Luthers und plädiert für seine Verwurzelung in der Mystik Taulers, Klaus Unterburger sieht Luther zusammen mit Kardinal Koch als «Vater des Glaubens» und Anstoß zu katholischer Selbstkritik. Peter Neuner will den Begriff «Ablass» dem Vergessen anheimgeben und nicht mehr neu repristinieren. Das Heft favorisiert keine Vereinnahmungsökumene ohne Biss, sondern eine Zusammengehörigkeit trotz und in differenzierten Positionen. Katholiken und Lutheraner können das bevorstehende Jubiläum gerade auch durch den Besuch von Papst Franziskus beim Lutherischen Weltbund in Lund in der Perspektive der Einheit begehen und nicht weiter in der Fortschreibung der Spaltung. Ganz unterschiedliche Stimmen zu Luther von Literaten, Theologen, einem Bischof und einer Romanistin (Barbara Vinken) machen das breite Deutungsspektrum sichtbar. Alle Deutungen münden in den Satz: «Macht Platz für das Evangelium!» Dass dieses Evangelium in seiner Zeit ganz neu zum Klingen kam, hat Luther durch seine bahnbrechende Übersetzung der Bibel möglich gemacht. Darin stimmen der Germanist Wolfgang Frühwald genauso überein wie die Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff. Die Revolution des Buchdrucks trug laut Georg Christoph Lichtenberg das Seine zur Verbreitung bei: «Mehr als das Gold hat das Blei die Welt verändert und mehr als das Blei in der Flinte das Blei im Setzkasten.»