Emilia Börne lernt im Zug auf der Rückfahrt von Basel nach München Noah Zurmühlen kennen. Als der Zug entgleist, wird Noah schwer verletzt, Emilia nur leicht. Sie bleibt bei ihm, bis die Rettungskräfte kommen. Noah wird in der Kayser-Klinik notoperiert. Seine Eltern halten Emilia für seine neue Freundin, von der er ihnen schon viel erzählt hat. Es gelingt ihr nicht, das Missverständnis aufzuklären. Als Noah aus der Narkose erwacht, gesteht er ihr, die Freundin erfunden zu haben. Ob sie bitte noch ein wenig mitspielen könne? Emilia willigt ein, muss aber feststellen, dass irgendwann aus dem Spiel Wirklichkeit geworden ist, jedenfalls für sie. Aber ist es bei Noah auch so?
"Warum verrätst du uns nicht wenigstens ihren Namen?", fragte Marion Zurmühlen ihren Sohn, als die Haushälterin die Desserts serviert hatte. «Du kannst dir doch vorstellen, wie neugierig wir sind und wie sehr wir uns darauf freuen, sie endlich kennenzulernen.» «Lass ihn, Liebes», sagte ihr Mann Ulf und legte seine große, breite Hand auf ihre schmale, feingliedrige. «Du siehst doch, er braucht noch Zeit!» Noah dankte seinem Vater im Stillen für diese Unterstützung, zumal er wusste, dass dessen Neugier nicht kleiner war als die seiner Mutter. Im Grunde genommen konnten es beide kaum erwarten, dass ihr Sohn ihnen endlich eine Schwiegertochter präsentierte – und möglichst bald darauf das erste Enkelkind. Ihre Fragen danach waren im letzten Jahr immer drängender geworden. Es war nicht so, dass er sie nicht verstand. Seine Eltern hatten in der Schweiz, in Basel, mit ihrer Pharmafirma ein Vermögen verdient, und die erste große Enttäuschung bereits schlucken müssen, als er ihnen erklärt hatte, er sehe seine Zukunft nicht im Familienunternehmen, sie würden sich anderweitig nach einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger umsehen müssen. Er hatte mehrere Cousinen und Cousins, die seiner Ansicht nach viel besser als er geeignet waren, die Firma eines Tages zu übernehmen und die vor allen Dingen auch Lust darauf hatten und die nötige Energie dafür mitbrachten. Doch seine Eltern sahen das anders. Sie hofaften immer noch, er werde seine Meinung eines Tages ändern – oder aber, er werde bald Vater mehrerer Kinder, von denen eines dann hoffentlich das Unternehmen in die Zukunft führen werde. Seine Eltern waren noch ziemlich jung, sie arbeiteten gern und würden dann eben so lange weitermachen, bis eins ihrer Enkelkinder bereit war, die Verantwortung für das Familienimperium zu übernehmen. Es tat ihm leid, sie so enttäuschen zu müssen, aber seine Neigungen gingen nun einmal in eine völlig andere Richtung. Er hatte Kunstgeschichte studiert und arbeitete nun für mehrere Museen, Galerien und Auktionshäuser als Gutachter, und er tat es mit großer Freude und Begeisterung. Das war eine völlig andere Welt als die seiner Eltern. Es war seine Welt, darin fühlte er sich wohl, er wollte sie nicht missen. In einem Pharmaunternehmen hatte er nichts verloren, dort konnte er nur unglücklich werden.