Als der alte Fahrenbach, der eine zunächst kleine Firma im Weinanbau und -vertrieb errichtet und im Laufe der Jahre zu einem bedeutenden Familienunternehmen erweitert hat, das Zeitliche segnet, hinterlässt er ein ziemlich seltsames Testament. Drei seiner Kinder scheinen Grund zur Freude zu haben, Frieder als neuer Firmenchef, Jörg als Schlossherr und Grit als Villenbesitzerin.
Im Augenblick kam Bettina Fahrenbach sich wie ein kleines Mädchen vor, das sehnsüchtig den Weihnachtsmann erwartete und fieberhaft Tage, Stunden, Minuten, ja, beinahe Sekunden zählte. Sie wartete nicht auf Weihnachten, sondern nur auf das bevorstehende Wochenende, an dem endlich Yvonne, Lenis leibliche Tochter, auf den Hof kommen sollte. Was würde passieren, wenn sie aufeinandertrafen? Würde sich so etwas wie die Stimme des Blutes melden und Mutter und Tochter würden sich in die Arme fallen? Nein, das war wohl ein wenig zu romanhaft. Leni ahnte nicht, daß es sich bei dem Pensionsgast Frau Dr. Yvonne Wiedemann um ihre Tochter handelte, die sie aus lauter Not sofort nach der Geburt zur Adoption freigegeben hatte. Und Yvonne war im Grunde genommen nicht daran interessiert, ihre leibliche Mutter kennenzulernen. Bettina hatte lange auf sie einreden müssen, und es hatte auch lange gedauert, bis sich Yvonne dazu entschlossen hatte. Bettina hoffte nur, daß diesmal alles glattlief, denn es hatte schon mehrere Hindernisse gegeben. Yvonnes erster Versuch war gescheitert, weil das gesamte Gesindehaus ausgebucht gewesen war. Beim zweiten Mal war Leni gerade in Vancouver gewesen, um Merit zurückzubringen und einige Zeit bei Holger und den Kindern zu verbringen, die jetzt bei ihrem Vater lebten, von ihrer Mutter praktisch abgeschoben, damit diese mehr Zeit mit ihrem Liebhaber verbringen konnte. Und die dritte Reservierung schließlich hatte Yvonne absagen müssen, weil ihr Vater gestürzt und im Krankenhaus behandelt werden mußte. War es da ein Wunder, daß Bettina ziemlich panisch war, zumal es auch jetzt fast nicht geklappt hätte. Wenn Arno nicht in zwei Appartements Zusatzbetten gestellt hätte, wäre die Reservierung nicht zustande gekommen, und wer weiß, ob Yvonne es danach noch einmal versucht hätte. Es war aber auch wirklich verrückt. So toll war die Auslastung im Gesindehaus noch nicht. Aber ausgerechnet dann, bei einem so wichtigen Anlaß, waren sie ausgebucht gewesen. Man hätte es schon so deuten können, als solle es nicht sein, daß Mutter und Tochter sich kennenlernten. Doch so wollte Bettina nicht denken.