Als der alte Fahrenbach, der eine zunächst kleine Firma im Weinanbau und -vertrieb errichtet und im Laufe der Jahre zu einem bedeutenden Familienunternehmen erweitert hat, das Zeitliche segnet, hinterlässt er ein ziemlich seltsames Testament. Drei seiner Kinder scheinen Grund zur Freude zu haben, Frieder als neuer Firmenchef, Jörg als Schlossherr und Grit als Villenbesitzerin.
Es war Sonntagabend. Bettina saß in ihrer Bibliothek, vertieft in ein Buch, neben sich ein Glas Rotwein. Sie fühlte sich so unbeschreiblich wohl in der Sicherheit ihres Hauses, umgeben von Möbeln und Gegenständen, die seit Generationen im Besitz ihrer Familie waren. Im Kamin prasselte ein Feuer, das anheimelnde Wärme verbreitete. Bettina legte das Buch beiseite, um etwas von dem köstlichen Wein zu trinken, einem weichen, fast samtigen Bordeaux, natürlich vom Château Dorleac, dem Weingut in Frankreich, das ihr Bruder Jörg geerbt hatte. Das Leben war schön, und ihr ging es gut. Wenn jetzt noch Thomas bei ihr wäre, ihre große Liebe, dann wäre alles perfekt. Aber sie durfte nicht ungeduldig werden. Irgendwann würde Thomas seine Zelte in Amerika abbrechen und zu ihr kommen. Sie mußte einfach noch etwas Geduld haben. Aber das war es ja. Je mehr Zeit verging, ohne daß etwas geschah, um so unruhiger wurde sie. Doch das war ja wohl normal. Briefe, Mails, Telefonate, kurze Treffen waren eben nicht genug. Nachdem sie schon mehr als zehn Jahre verloren hatte, in denen sie von Thomas getrennt war, sehnte sie den Augenblick herbei, da sie endlich nicht nur glückselige Tage von begrenzter Dauer miteinander verbrachten, sondern auch den Alltag mit all seinen Höhen und Tiefen. Fast neidvoll beobachtete sie das Glück ihrer Freundin Linde, die mit ihrem Mann so ungetrübt glücklich war. Seit die beiden verheiratet waren, waren sie noch glücklicher miteinander. Ach Tom! Sie schaute auf ihre Uhr. Warum hatte er denn noch nicht angerufen?