Ich weiß nicht, ob es gerade ein lohnendes Unternehmen ist, die Märchen, Sagen und Fabeln der wilden Rothäute der nordamerikanischen Urwälder und Prärien zusammenzustellen; äußerst mühevoll ist es sicher, das so weitläufig zerstreute Material aus den vielen englischen und französischen Büchern und mündlichen Berichten der Missionare, Dolmetscher, Reisenden und Indianeragenten zu kollektieren, zu ordnen und umzuschreiben. Doch glaube ich, daß es jedenfalls eine interessante Aufgabe ist, der ich mich hier unterzogen habe, denn statt der Anzahl der bisherigen stereotypen Skalpgeschichten hält uns eine solche Sammlung einen klaren Spiegel indianischen Gemütslebens vor, bestehend in uroriginellen, wild aufgeschossenen, zwischen Blumen, Gras und Wigwamstangen gekeimten Phantasien, mit denen sich der alte Medizinmann schon mehr als tausendundeinmal ein "heiligeres" Ansehen gegeben und der vom rauhen Kabibonokko in den Wigwam gebannte Familienvater seinen Kindern schon ebensooft Hunger wie Langeweile vertrieben hat. Nur im Winter hat der Indianer zu solcher Unterhaltung Zeit und Muße, denn im Sommer, wenn "die Wildnis blüht wie eine Rose" und ihn die Strahlen der Sonne aus der engen Hütte jagen, verbieten ihm sein Gewissen und seine Sicherheit jene Phantastereien, denn es würden ihm dann zur Strafe, wie die alten Propheten lehren, Kröten und Klapperschlangen die nächtliche Ruhe rauben. Ruhig sitzt er dann neben seinem glimmenden Baumstamm, raucht gelassen seine Pfeife und läßt sich dabei, wenn er gerade sprechselig und nicht allzu hungrig ist, ob seiner merkwürdig verschlungenen Geschichten bewundern, wie er sie fand: In des Waldes Vogelnestern, In dem Hüttenbau des Bibers, In des Büffelochsen Hufspur, In dem Felsenhorst des Adlers.