Vorwort Die ersten Februartage des Jahres 1935 erlebten die Berliner bei meist trüben, regnerischem Wetter und ziemlich frischen Winden. Also kein großer Grund, das anstehende Wochenende im Freien zu verbringen. Nur wer unbedingt mußte, verließ das wärmende Heim. In Berlin Friedrichshain, Berlins Nordosten, lag Otto Jünemann zu Hause krank im Bett. Immer und immer wieder kreisten seine Gedanken nur um ein Thema – das schon längere Zeit zerrüttete Verhältnis zu seiner unordentlichen, über ihre Verhältnisse lebende, genußsüchtige Schwägerin Charlotte Jünemann. Er hatte sie schon seit einiger Zeit nicht mehr gesehen, ahnte aber, daß seine beiden kleinen Neffen und seine kleine Nichte in der Wohnung wiederum sich selbst überlassen waren, zumal er die drei Kinder vor einigen Tagen schon einmal allein angetroffen hatte. Seinen Bruder Bernhard hatte man schon vor geraumer Zeit wegen Schwachsinns in einer Berliner Heilanstalt untergebracht, sodaß die drei Kinder des Ehepaares ausschließlich der «Obhut» der Frau anvertraut waren. Am 3. Februar 1935 erhob er sich von seinem Krankenlager und lief, obwohl er sich sauelend und sehr schwach fühlte, aber von Sorge getrieben, in die nicht weit von seiner Wohnung entfernt liegende Weinstraße 27, zur Kellerwohnung seiner Schwägerin um nach deren Kindern zu sehen. Was nun folgte ließ die Emotionen der Bevölkerung hochkochen. Ein Aufschrei des Entsetzens ging durch Berlin und ganz Deutschland…