Ich weiß nicht, ob es gerade ein lohnendes Unternehmen ist, die Märchen, Sagen und Fabeln der wilden Rothäute der nordamerikanischen Urwälder und Prärien zusammenzustellen; äußerst mühevoll ist es sicher, das so weitläufig zerstreute Material aus den vielen englischen und französischen Büchern und mündlichen Berichten der Missionare, Dolmetscher, Reisenden und Indianeragenten zu kollektieren, zu ordnen und umzuschreiben. Doch glaube ich, daß es jedenfalls eine interessante Aufgabe ist, der ich mich hier unterzogen habe, denn statt der Anzahl der bisherigen stereotypen Skalpgeschichten hält uns eine solche Sammlung einen klaren Spiegel indianischen Gemütslebens vor, bestehend in uroriginellen, wild aufgeschossenen, zwischen Blumen, Gras und Wigwamstangen gekeimten Phantasien, mit denen sich der alte Medizinmann schon mehr als tausendundeinmal ein "heiligeres" Ansehen gegeben und der vom rauhen Kabibonokko in den Wigwam gebannte Familienvater seinen Kindern schon ebensooft Hunger wie Langeweile vertrieben hat. Nur im Winter hat der Indianer zu solcher Unterhaltung Zeit und Muße, denn im Sommer, wenn "die Wildnis blüht wie eine Rose" und ihn die Strahlen der Sonne aus der engen Hütte jagen, verbieten ihm sein Gewissen und seine Sicherheit jene Phantastereien, denn es würden ihm dann zur Strafe, wie die alten Propheten lehren, Kröten und Klapperschlangen die nächtliche Ruhe rauben. Ruhig sitzt er dann neben seinem glimmenden Baumstamm, raucht gelassen seine Pfeife und läßt sich dabei, wenn er gerade sprechselig und nicht allzu hungrig ist, ob seiner merkwürdig verschlungenen Geschichten bewundern, wie er sie fand: In des Waldes Vogelnestern, In dem Hüttenbau des Bibers, In des Büffelochsen Hufspur, In dem Felsenhorst des Adlers.
Inhaltsverzeichnis der Märchensammlung:
1. Der Wechselbalg 2. Eine probate Kur 3. Die Geschichte von zwei Buckligen 4. Die Elfen-Amme 5. Jim Doyle im Elfenpalast 6. Nora 7. Moruach oder Die Nixen 8. Ochs, Kuh und Kalb 9. Ein Kobold in Eselsgestalt 10. Das Schloß der Ungewißheit 11. Der Teufel und der Steuerempfänger 12. Der vorzeitige Prophet 13. Die Geschichte von drei Geistern, welche Fußball spielten 14. Cauth Morrisy 15. Der Schatzgräber 16. Gearoidh Jarla 17. Jack Barrett 18. Eine Geistergeschichte 19. Fann Mac Cuil und der schottische Riese 20. Fion's Jugend 21. Die Königin von Sciana Breaca 22. Conan in Ceasch 23. Oisin's Jugend 24. Oisin's Greisenalter 25. Die Legende von Loch na Piasta 26. Der König mit den Pferdeohren 27. Knocksheogowna, oder der Berg des Elfen-Kalbes 28. Des Priesters Abendessen 29. Die Eierschalen-Brauerei 30. Der Flaschenberg 31. Herr und Knecht 32. Der kleine Schuh 33. Das Geister-Pferd 34. Der verwunschene See 35. Die Nixe von Gollerus 36. Die Wundermelodie 37. Donaghadee 38. Der geborgte See 39. Königliche Lehren 40. Goban Saor oder der kluge Baumeister 41. Hans der Herr und Hans der Knecht 42. Das nächste Mal werde ich klüger sein! 43. Die drei Schwestern 44. Der braune Bär von Norwegen 45. Giolla na Choricean Gobhar oder der Mann in dem Ziegenfelle 46. Die böse Stiefmutter 47. Shannon 48. Wie die Insel «Man» entstand 49. Wie der Killarney-See entstand 50. Der Imhiquin-See 51. An Braon Suan or 52. Lir's Kinder 53. Tiis 54. Jakob und seine Kameraden 55. Die drei Kronen 56. Die Milch der weißen Kühe 57. St. Patrick und die Druiden 58. Wie St. Eloi von seinem Stolze kuriert wurde 59. Sculloge
Die Kulturgeschichte hat überzeugend bewiesen, daß sich der Aberglaube mit jeder Religionsform friedlich verträgt; derselbe mag eine Zeitlang ins Verborgene gedrängt, niemals aber wird er gänzlich unterdrückt werden. Schon der allen Religionssystemen eigene Dualismus, also der Glaube an das Walten zweier sich feindlich bekämpfender Mächte, bewirkt, daß der Teufel und seine Helfershelfer nicht ignoriert werden dürfen, auch schon deshalb nicht, weil ihre Existenz durch die Bibel sanktioniert ist. Der deutsch-amerikanische Schriftsteller geht in diesem Buch detailliert auf den Aberglauben, seine Ursprünge, und seine Auswirkungen ein. Diese Ausgabe folgt dem Original aus dem Jahre 1913 und nutzt die damals gültige Rechtschreibung.